Mitten im Advent 2020 – die Corona-Pandemie hat uns noch voll im Griff, Weihnachtseinkäufe finden v.a. bei Amazon statt – beginnt auch der Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr. In diesem Beitrag blicke ich zurück auf Projekte in Großbetrieben und mittelständischen Unternehmen, Branchenerfahrungen – i.W. Dienstleistungen, Energie, Industrie, sowie Transport & Verkehr -, Publikationen, Gespräche, etc. zum Thema Strategieimplementierung.

Wahrscheinlich liegt es ein Stück weit in der Natur des Menschen, dass die erste Frage häufig lautet: Was hätte besser laufen können? Bezogen auf die Strategieimplementierung denke ich an

Drei wesentliche Herausforderungen

Ich fokussiere mich bewusst auf drei; diese treten branchenübergreifend auf und sind unabhängig von der Unternehmensgröße anzutreffen. Der Lifecycle des Unternehmens spielt insofern eine Rolle, als vergleichsweise junge Unternehmen mit i.d.R. geringerer Anzahl Beschäftigter, rascherem Wachstum und häufig eigentümergeführt sich damit leichter tun als andere.

Zielkaskadierung bis auf Teamebene

Vor ziemlich genau 20 Jahren formulierten es Kaplan und Norton in ihrem Buch „Strategy-Focused Organization: How Balanced Scorecard Companies Thrive in the New Business“ wie folgt: Translate the Strategy in Operational Terms (key principle 1/5). Sobald Geschäftsführungen bestimmte Leistungs- resp. Ergebniskennzahlen identifiziert und eine Implementierungsstrategie entwickelt haben, ist es wichtig, den Mitarbeitern die neuen Kennzahlen und ihren Beitrag entlang sog. Frühindikatoren zu erläutern. In einer an der Strategie ausgerichteten Organisation versteht jeder die Ergebniskennzahlen und die Ziele der Organisation. Jeder Mitarbeitende weiß, was er/sie zu tun hat und misst die Wirkung dessen anhand vereinbarter Frühindikatoren – meist wöchentlich in einem Scoreboard.

Hoshin Kanri (vgl. Blogbeitrag „Strategieimplementierung mit der BSC und …?“: X-Matrix, Catchball-Prozess, etc.) stellt einen transparenten, messbaren und abgestimmten Strategieplan bereit, der strategische Durchbruchziele (sog. Breakthrough-Ziele) in jährliche Ziele auf die unteren Ebenen übersetzt und dafür sorgt, dass durch entsprechende Verbesserungsmaßnahmen die Unternehmensziele agil erreicht werden.

Weitere Ausführungen zur Operationalisierung der Strategie und zur Institutionalisierung der Strategie finden Sie u.a. im Beitrag „Übergang von Strategieentwicklung zur Strategieimplementierung“.

Kommunikation und Einbindung Mitarbeitender

Zurück zu Kaplan und Norton. Ihr Schlüsselprinzip 3/5 lautet: Make Strategy Everyone’s Everyday Job. Dies bedeutet: In einer an der Strategie ausgerichteten Organisation verwenden Führungskräfte die Balanced Scorecard auch dafür, um mit ihren Mitarbeitern über die neue Geschäftsstrategie zu kommunizieren und diese darin zu schulen. Jeder versteht die Strategie und versteht, wie sie sich – operationalisiert in Tätigkeiten, Projekten & Maßnahmen – auf die Ziele der Organisation auswirkt.

Die Ausrichtung der Kommunikation ist immer unternehmensspezifisch und hängt auch von verschiedenen organisatorischen Faktoren wie Größe, Hierarchie, Unternehmenskultur sowie dem Zugang zu Managemententscheidungen ab.

Mit Hilfe des Communication Value Circle (kurz: CVC) können Kommunikationsziele an der übergeordneten Unternehmensstrategie ausgerichtet werden. Der CVC kann auch als Evaluationsinstrument genutzt werden, um die Zielerreichung zu überprüfen.

Commitment / Buy-In und Vertrauen – beide Bestandteile des CVC – sind die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Strategieumsetzung. Sie sollten von Anfang an gefördert und im gesamten Strategieprozess sichergestellt werden.

Interessante Erkenntnisse zur Strategiekommunikation finden Sie hier.

Systematisch-integrierter Strategieprozess

Kaplan und Norton drücken es wie folgt aus: Make Strategy a Continual Process. Mit diesem Schlüsselprinzip meinen sie: In einer an der Strategie ausgerichteten Organisation ist die Strategie mit dem Budgetierungsprozess verknüpft, wodurch langfristige Initiativen geschützt werden. Führungskräfte treffen sich regelmäßig, um die Strategie zu diskutieren und zu überprüfen (vgl. PDCA-Zyklus). Sie nutzen die Strategie, um neue Themen und Ziele kennenzulernen und neue Veränderungsprozesse einzuführen. Dadurch erhalten die Führenden neue Ideen und Kenntnisse, die sie sofort zur Verbesserung der organisatorischen Leistung mit ihren Mitarbeitenden besprechen und einer Umsetzung zuführen.

Im März dieses Jahres habe ich einen ausführlichen Praxisleitfaden zur Strategieimplementierung vorgestellt. Bei der prozessualen Verankerung inspirierte mich 4DX und der Management-Kreislauf von Kaplan und Norton, bei der strukturellen Verankerung der St. Galler Management-Ansatz (insbesondere der Denk- und Wissensnavigator), und bei den inhaltlichen Schwerpunkten eine Langzeitstudie von The Conference Board. Regelmäßig greife ich selbst auf diesen Leitfaden zurück und nutze die zugehörigen Checklisten und Templates.

Mithilfe eines solchen Leitfadens kann die Umsetzung entlang eines klar definierten Prozesses sichergestellt werden. Der Fortschritt ist jederzeit für alle Beteiligten transparent. Dies erzeugt wiederum Commitment und vor allem Verständnis für die laufenden Aktivitäten – auch für ggf. notwendige Kostensenkungen. Die folgende, anonymisierte Projektskizze veranschaulicht den Strategieprozess:

Faktoren für eine erfolgreiche Strategieimplementierung

Zahlreiche Wissenschaftler, Praktiker und Autoren haben solche Faktoren detailliert untersucht (vgl. Loidl/Gahleitner: Strategien sicher umsetzen, Abb. 5). In diesem Zusammenhang haben mich folgende Fragen interessiert: Was machen Unternehmen mit geringer strategischer Lücke anders als andere? Welche Faktoren sind dafür ausschlaggebend? Einige Antworten finden Sie im Beitrag „Managementsystem für die Strategiearbeit„.

Die wohl umfassendste Untersuchung relevanter Faktoren stammt von Saunders, Mann und Smith, deren Ergebnisse in ihrem Artikel „Implementing strategic initiatives: a framework of leading practices“ zusammengefasst sind (Saunders, Mann, Smith, 2008). Dabei unterscheiden die Autoren zwischen Konstrukten, in denen es um „Hard Skills“ (Umsetzungs-Infrastruktur, Treiber/Erfolgsfaktoren, Umsetzungsoptionen) oder um „Soft Skills“ (Kommunikation, Buy-in/Commitment, Ausrichtung an strategischen Zielen) geht. Sie kommen zum Ergebnis, dass sieben Konstrukte und deren Abhängigkeiten untereinander, wesentlich für eine erfolgreiche Umsetzung von Strategien und Initiativen sind.

Mit Blick auf diese Faktoren bzw. Konstrukte sind folgende strukturelle Hebel zusammenfassend wichtig:

  • Maßnahmen – die alle Mitarbeiter funktions- und bereichsübergreifend einbinden und mit klaren Aufgaben und Terminen ausstatten,
  • Programme – die eine lernende Organisation und kontinuierliche Verbesserung sicherstellen,
  • Systeme – die die Strategieumsetzung unterstützen, wie etwa IT Systeme, CRM Systeme, MbO Systeme, X-Matrizen, etc. und
  • Richtlinien – die eine Unterstützung bei der Strategieimplementierung bieten.

Einen großen Einfluss auf die erfolgreiche Umsetzung von Strategien haben die Leadership“-Qualitäten der Führungskräfte. Diese wirken auf den gesamten Prozess von der Strategieformulierung, der systematischen Umsetzung und der strategischen Steuerung bzw. dem Followthrough einer strategischen Initiative und haben demnach direkten Einfluss auf die Umsetzung einer Strategie.

Die bereits oben zitierten Wissenschaftler Kaplan und Norton nehmen in einem ihrer Schlüsselprinzipien darauf wie folgt Bezug: Mobilize Change Through Executive Leadership. In einer an der Strategie ausgerichteten Organisation vermitteln Führungskräfte ihren Mitarbeitern, wie wichtig die Änderung für die Organisation ist, und bieten Führung und Unterstützung für die Änderung. Gleichzeitig sind sie sich der grundlegenden Bedürfnisse ihrer Belegschaft bewusst, vermeiden Überforderung und führen angstfrei. Führungskräfte verwenden dabei die Balanced Scorecard bzw. die Strategy Map als Vehikel, um eine Vision für zukünftige Leistungen zu kommunizieren, die besser ist als die Gegenwart.

Folgende führungsbezogene Hebel sind zusammenfassend wichtig:

  • Einwirken – die Ausübung der strategischen Führungsverantwortung,
  • Zuteilen – die Ressourcen richtig zuteilen (zu wissen, wer braucht was),
  • Verfolgen – eine Entlohnung an die Zielerreichung koppeln und
  • Ausrichten – die strategische Gestaltung der Unternehmenskultur.

Zur Vertiefung relevanter Faktoren und Umsetzungs-Hebel empfehle ich Ihnen meine Publikation zu fünf wesentlichen Anspruchshaltungen (Teil 1, Teil 2): Strategieentwicklung, Verantwortlichkeiten, Change Management, Kompetenzen, sowie Controlling strategischer Projekte.

Fazit

Viele Unternehmen, die kein zufriedenstellendes Umsatzwachstum bzw. keine substanzielle Rentabilität generieren, haben meistens ein Umsetzungsdefizit ihrer Strategien, Konzepte und Initiativen. Der Strategieprozess endet demzufolge nicht mit einem Strategiepapier und daraus abgeleiteter Maßnahmen und Projekte; jetzt beginnt erst der entscheidende und häufig schwierigere Teil: Translating Strategy Into Action.

Obwohl für die strategische Analyse und Strategieentwicklung eine Reihe von Frameworks verwendet werden, wie z. B. SWOT, PESTEL-Analyse, CX, fünf Wettbewerbskräfte und Wertschöpfungskettenanalyse, wurden relativ wenige Modelle für die Strategieumsetzung entwickelt und von den Praktizierenden weithin akzeptiert. Weder auf Unternehmens- noch auf Geschäfts-/Betriebsebene hat sich bisher ein allgemein anerkannter oder dominanter Ansatz für die Umsetzung von Strategien herausgebildet.

Nennenswerte Managementansätze zur Strategieumsetzung können auf ein Kontinuum mit präskriptiver Planung („hart“) an einem Ende und Prozessansätzen („weich“) am anderen Ende gestellt werden. Die präskriptive Planung umfasst den Übergang von Strategien zur Aktionsplanung durch den Prozess der Festlegung von Zielen und Leistungskontrollen, die Zuweisung von Ressourcen und die Motivation der Mitarbeiter. Im Gegensatz dazu betont der Prozessansatz, dass eine erfolgreiche Implementierung davon abhängt, dass Menschen ihr Verhalten ändern. Dies beinhaltet die Änderung der Annahmen und Routinen von Personen in der Organisation, einschließlich Führungskräften. Viele organisatorische Verhaltensstudien unterstützen die Prozesssicht, die sich auf die Bewältigung der zwischenmenschlichen und konzerninternen Konflikte konzentriert, die sich aus defensiven Verhaltensweisen, Persönlichkeitsunterschieden und schlechter Kommunikation ergeben können.

In Projekten zur Strategieumsetzung orientieren wir uns deshalb entlang dieses Kontinuums an Kontingenzfaktoren oder Variablen, die das Ergebnis der Strategieumsetzung beeinflussen.

Abschließend stellen sich nun mehrere Fragen; u.a.: Haben wir die Erfolgsquote von Projekten zur Strategieumsetzung im Jahr 2020 steigern können? Haben wir die Möglichkeiten der Digitalisierung mit einfließen lassen? Leben wir eine werteorientierte Kultur? Was tun wir im neuen Jahr dafür, dass sich die Erfolgsquote verbessert?
Was sind Ihre Antworten? Ich freue mich auf Ihre Kommentare hier im Blog.