Die Umsetzung einer Strategie gelingt nur – so mein Fazit eines früheren Beitrages -, „wenn die Zielgruppen in der Belegschaft für die Strategie begeistert und mobilisiert werden“. Häufig misslingt dieser Versuch bereits bei der Strategieformulierung, wenn es u.a. darum geht, Strategien in kollektiven und individuellen Zielen zu operationalisieren und verständlich zu kommunizieren.

Beim Übergang von Strategieentwicklung zur Strategieimplementierung sind m.E. folgende Fragen zu beantworten:

  • Wie muss das Managementsystem der Strategiearbeit konkret ausgestaltet werden?
  • Welche Kultur ist notwendig?
  • Wie sollte die Strategiearbeit organisatorisch verankert werden?

Konkrete Ausgestaltung des Managementsystems

Im Management-Kreislauf von Kaplan und Norton stehen die Phasen 2 bis 4 im Mittelpunkt, in Abegglens St. Galler Denk- und Wissensnavigator ist es der Fahr- und Manövrierbereich mit den Phasen 4 und 5 .

Operationalisieren Sie die Strategie. Sobald die Strategie formuliert wurde, muss diese von der Geschäftsführung in Ziele und Maßnahmen umgesetzt werden; dies auf eine Weise, dass die Strategie allen Mitarbeitenden verständlich kommuniziert werden kann.  Die Strategielandkarte ist ein leistungsstarkes Werkzeug zur Visualisierung der Strategie als Kette von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen strategischen Zielen. Die Balanced Scorecard knüpft an diese Strategischen Ziele mit Ergebniskennzahlen, Zielwerten, Frühindikatoren und Initiativen an. Fortschritte im Sinne von Ergebnis und Engagement werden sich nur dann einstellen, wenn diese auch evaluiert werden. Auf Basis höherer Transparenz können bessere Entscheidungen über die Strategie getroffen und deren Umsetzung auch quantitativ bewertet werden. Anschließend erfolgt die Ermittlung und Genehmigung von Ressourcen für ein Portfolio strategischer Initiativen, die zur Erreichung der Ziele der Strategie beitragen sollen. Eine strategische Initiative ist ein Projekt oder Programm mit begrenzter Laufzeit, mit dem eine Leistungslücke geschlossen werden soll.

Stimmen Sie Pläne aufeinander ab. Nun entwickelt das Unternehmen einen operativen Plan, der die Maßnahmen zur Erreichung seiner strategischen Ziele festlegt. Diese Phase beginnt mit der Festlegung von Prioritäten für Projekte z.B. zur Prozessverbesserung, gefolgt von der Erstellung einer detaillierten Vertriebsplanung, einer Ressourcenplanung sowie einer Budgetplanung.

  • Prozessverbesserungen: Unternehmen werden den größten Gewinn für sich verbuchen, wenn sie ihre Geschäftsprozessmanagement-, Total Quality Management-, Lean Management-, Six Sigma- und Reengineering-Programme auf Prozesse konzentrieren, die in direktem Zusammenhang mit den Zielen aus ihren Strategieplänen und Scorecards stehen. Ziel ist es, kurzfristige Prozessverbesserungen an langfristigen strategischen Prioritäten auszurichten.
  • Vertriebsplanung: Führungskräfte müssen ihr Gesamtverkaufsziel in die erwartete Menge, Mischung und Art der einzelnen Kundenaufträge, Produktionsläufe und Transaktionen zerlegen und transparent darlegen.
  • Ressourcenplanung: Ausgestattet mit Produktivitätsdaten aus Prozessverbesserungen und wahrscheinlichen Verkaufszahlen kann man nun abschätzen, welche Ressourcen benötigt werden, um die strategischen Ziele zu erreichen. Ich präferiere hierfür das TD ABC Verfahren, weil damit auch Stückzeiten und Stückkosten ermittelt werden, die ceteris-paribus-Prognosen möglich machen.
  • Dynamische Budgetplanung: Sobald die genehmigten Ressourcen für den zukünftigen Zeitraum feststehen, lassen sich die finanziellen Auswirkungen leicht berechnen. Der größte Budgetanteil entspricht i.d.R. den Personalkosten und wäre im OpEx-Budget enthalten, ein geringerer Anteil im CapEx-Budget.

Institutionalisieren Sie kontinuierliche Verbesserungen. Wenn Unternehmen ihre strategischen und operativen Pläne umsetzen, werden sie drei Arten von Besprechungen aufsetzen, um ihre Ergebnisse zu evaluieren und daraus zu lernen.

  • Erstens sollten sog. operative Review-Meetings einberufen werden, in denen die Leistung der operativen Abteilungen und/oder Teams sowie laufender Projekte überprüft und aufgetretene oder anhaltende Probleme behandelt werden. Solche Meetings können wöchentlich, zweimal wöchentlich oder sogar täglich stattfinden.
  • Daneben werden sog. strategische Review-Meetings abgehalten, in denen Ergebniskennzahlen und Frühindikatoren i.V.m. Initiativen entlang der Balanced Scorecard überprüft werden, um Fortschritte zu bewerten und Hindernisse für die Strategieumsetzung zu ermitteln. Die meisten Unternehmen führen monatlich ein 1,5- bis 3-stündiges Strategie-Review-Meeting durch, um sicherzustellen, dass die Strategie weiterhin im Vordergrund steht. Daneben sind i.d.R. vierteljährliche Sitzungen bzw. Führungskräftekonferenzen notwendig, die 1 bis 1,5 Tage für die aktive Erörterung aller strategischen Ziele und Themen erfordern.
  • Ein- bis zweimal jährlich treffen sich i.d.R. Vorstand und Strategieteam, um die Leistung der Strategie selbst zu bewerten und gegebenenfalls anzupassen.

Diese drei Arten von Besprechungen können unterschiedliche Themen, unterschiedliche Frequenzen und häufig unterschiedliche Teilnehmergruppen beinhalten.

Strategieumsetzung braucht Kultur

Kultur, ein häufig schwammig und nebulös eingesetzter Begriff, wird m.E. mit Hilfe der vier Disziplinen der effektiven Umsetzung (4DX) sehr greifbar und konkret. Hiermit können Führungskräfte mit ihren Teams über sich hinauswachsen und Ergebnisse erzielen, die in keinem Unternehmensplan vorgesehen waren. Bei 4DX handelt es sich um ein weltweit angewandtes praktisches Konzept, das eine völlig neue Art des Denkens und Arbeitens etabliert.

Da ich im Teil 3 dieses 3-Teilers zum Thema Strategiearbeit noch einmal auf diese Disziplinen eingehen werde fasse ich mich an dieser Stelle kurz. Fakt ist: Das größte Hindernis auf dem Weg zur Erreichung strategischer Ziele sind die vielen kleinen Ablenkungen des Alltags. Das Tagesgeschäft mit seinen ständigen Dringlichkeiten verwischt unseren Fokus und sorgt dafür, dass wir uns mit allem Möglichen beschäftigen, aber eben nicht mit der Erreichung der Ziele, die uns wirklich wichtig sind. Besonders schwierig ist es, im ganzen Unternehmen eine Kultur der Zielstrebigkeit zu etablieren.

Die vier Disziplinen der Umsetzung im Überblick:

  • D1 – Disziplin der Fokussierung: Konzentrieren Sie sich auf ein oder zwei vorrangige strategische Ziele (sogenannte WIGs, sprich Wildly Important Goals).
  • D2 – Disziplin der Klarheit: Definieren Sie Frühindikatoren. Diese können von Ihren Teammitgliedern tatsächlich beeinflusst werden, und sie haben Prognosekraft hinsichtlich der Zielerreichung.
  • D3 – Disziplin des Engagements: Es ist wichtig, Arbeitsfortschritte zu dokumentieren und gut sichtbar aufzuhängen. Das hat einen positiven Effekt auf die Leistung Ihrer Mitarbeiter.
    Hinweis: Stellen Sie sicher, dass Sie die volle Unterstützung Ihrer Schlüsselpersonen haben. Versichern Sie sich, dass Sie die richtigen Mitarbeitenden mit notwendigen Fähigkeiten und Wissen an Bord haben. Schulen Sie die Mitarbeitenden und holen Sie allenfalls gezielt neue Kompetenzen mit neuen Mitarbeitenden dazu. Informieren Sie sämtliche Mitarbeitenden in regelmäßigen Abständen über den Stand der Strategieumsetzung und die nächsten Schritte. Diskutieren Sie mit den Mitarbeitenden auch über die erlebten und bevorstehenden Herausforderungen. Würdigen und feiern Sie erzielte Erfolge. Der Dialog mit den Mitarbeitenden ist entscheidend, damit die Strategieumsetzung gelingt.
  • D4 – Disziplin der Verantwortlichkeit: Jeder Einzelne verpflichtet sich gegenüber dem gesamten Team zur Zielerreichung. Die konsequente Einhaltung dieses Versprechens wird in kurzen Abständen regelmäßig und diszipliniert – gemeinsam und ohne „finger-pointing“ – verfolgt.
    Hinweis: Es gibt einen Unterschied zwischen „beschäftigt“ und „produktiv“. In ähnlicher Weise gibt es einen Unterschied zwischen der Arbeit und dem Erreichen von Zielen. Aus diesem Grund ist es so wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Menschen für die richtigen Aufgaben und Maßnahmen zur Verantwortung gezogen werden. Sie tun dies, indem Sie die richtigen Kennzahlen und Indikatoren auswählen und erklären, warum dies die Dinge sind, die für alle im Team wichtig sind. Schaffen Sie ein Arbeitsumfeld, in dem sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und bereit sind, neue Wege zu gehen. Um die Wichtigkeit der Strategie zu unterstreichen kommunizieren Sie Umsetzungserfolge und -misserfolge. Wichtig ist schlussendlich, dass die Strategie bei den Mitarbeitenden zu einer Priorität im Tagesgeschäft wird.

Die ersten drei Disziplinen verleihen Fokus und Klarheit und sorgen für Engagement. Mit der 4. Disziplin stellen Sie und Ihr Team jedoch sicher, dass Ihr Ziel auch erreicht wird, egal was um Sie herum geschieht.

Organisatorische Verankerung der Strategiearbeit

Es gibt ein gewisses Gefühl der Hochstimmung, das man bekommt, wenn eine neue Strategie auf den Weg gebracht wird, Führungskräfte und Belegschaft eingewiesen wurden und die Energie spürbar wird, wenn jeder das Gefühl zu haben scheint, wohin er oder sie gehen muss. Häufig verwandelt sich die Hochstimmung bereits nach kurzer Zeit in Ungeduld, oder sogar in Panik und Verzweiflung, wenn scheinbar nichts passiert. Woher wissen wir, ob „nichts“ tatsächlich das leise Summen von Aktivität und Fortschritt ist oder ob „nichts“ wirklich „nichts“ ist? Woher wissen wir, ob sich Mitarbeitende auf Erfolg einstellen, und wie beschleunigen Sie die Strategieumsetzung?

Zahlreiche Unternehmen – darunter die PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG, die TUI AG und die INTER Versicherungsgruppe – haben zur Verankerung der Strategiearbeit ein Strategiebüro (neudeutsch: Office of Strategy Management) aufgebaut. Dieses

  • verantwortet einen kontinuierlichen Strategie-Management-Prozess (Managementsystem i.V.m. sechs Schritten der Strategieumsetzung; hierauf gehe ich in Teil 3 dieses 3-Teilers zum Thema Strategiearbeit im Detail ein),
  • koordiniert diese sechs-stufige Strategieumsetzung entlang der o.g. vier Disziplinen,
  • evaluiert den gesamten Strategieprozess insbesondere hinsichtlich dessen Auswirkungen auf Ergebniskennzahlen,
  • bindet unternehmensinterne und -externe Daten fortlaufend in Analysen und Prognosen mit ein und untersucht Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge,
  • passt Prozesse und Methoden des Managementsystems für die Strategiearbeit soweit notwendig an,
  • stößt Anpassungen bei den strategischen Zielen im Rahmen des Strategie-Regelkreises mit an, und
  • ist gegenüber dem Vorstand resp. der Geschäftsführung rechenschaftspflichtig.

Es bedarf einer laufenden Moderation, um die recht einfachen, aber doch gewöhnungsbedürftigen Methoden diszipliniert zu verankern.  Auf der einen Seite steht eine unsystematische, von Intuition und Opportunitäten geleitete Strategiearbeit durch wenige Top-Führungskräfte. Die Gefahr der Selbstüberschätzung und verpasster Anpassung an Marktentwicklungen ist häufige Folge dieses Vorgehens. Auf der anderen Seite steht ein intensiver, viele Mitarbeitende bindender Strategieprozess. Die Gefahr der bürokratischen Selbstbeschäftigung ohne spürbaren Mehrwert ist eminent.

Wichtig ist daher die Wirkung der oben skizzierten Kultur und der konkreten Ausgestaltung des Managementsystems auf die Belegschaft: Zeigt sich Engagement, Umsetzungswille, Tempo, Verantwortlichkeit, Teamwork, Ergebnisse und Anerkennung? Geht der „Push“ im Rahmen der Zielkaskadierung nach ca. sechs Monaten in einen „Pull“ über?

Zielzustand sollte sein: Die Mitarbeiter werden aktiv am Strategieprozess beteiligt, damit sie sich engagiert in die Strategieumsetzung mit einbringen und so zum Unternehmenserfolg beitragen!

Fazit

Beim Übergang von Strategieentwicklung zur Strategieimplementierung werden neben der stringenten Operationalisierung der Strategie auf Basis von Vision, Mission, Leitsätzen und Werten v.a. Führung, Kultur und Kommunikation zentrale Erfolgsfaktoren. Dabei gewinnen auch neue Formen an Führungskräftekonferenzen an Bedeutung, so auch bei INGbei allem transformatorischen (Un-)Geschick!

Wie Beispiele aus dem Sport und der Politik zeigen ist Erfolg in der Umsetzung ein Ergebnis aus Mut, Disziplin und harter Arbeit. Hinfallen ist erlaubt und lässt sich nicht vermeiden; man sollte nur „einmal mehr aufstehen, als man umgeworfen wird“ (Winston Churchill).

Eine der wichtigsten Aufgaben des Strategiebüros ist die mehrfach genannte Kommunikation der Strategie und ihrer Fortschritte. Es ist dafür verantwortlich, dass jede(r) in der Organisation die Strategie vollständig versteht und ist damit im Lead – trotz häufiger Einbindung der Abteilung für Unternehmenskommunikation!

Welche Erfahrungen haben Sie persönlich beim Übergang von der Strategieentwicklung zur Strategieimplementierung gemacht? Bitte schreiben Sie mir einen Kommentar!