Im Jahr 2007 wurde das Management-Feld-System entwickelt, 2014 publizierten Kaplan und Norton den von ihnen entwickelten Management-Kreislauf, 2017 erschien Bleichers St. Galler Management Konzept in der neunten Auflage – um nur einige der zahlreichen Modelle und Konzepte zur Strategiearbeit zu nennen.

Unter einem Managementsystem verstehen wir miteinander integrierte Methoden und Verfahren, mit denen ein Unternehmen seine Strategie entwickelt, sie in operative Maßnahmen umsetzt und deren Wirksamkeit überwacht und verbessert. Wenngleich einige dieser Systeme seit Jahrzehnten angewandt und weiterentwickelt werden erleben wir häufig ein Versagen, die Spannungen zwischen Strategie und Geschäftstätigkeit auszugleichen.

  • Welche Gründe sind für diese strategische Lücke zu nennen?
  • Was machen Unternehmen mit geringer Lücke anders?
  • Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus?

Gründe für die strategische Lücke

Mir scheinen v.a. die folgenden fünf Gründe wichtig zu sein:

  1. Die strategische Analyse weist Defizite auf. Prof. Dr. Dirk Ulrich Gilbert von der Uni Hamburg hebt vier systematische Defizite hervor: Blinde Flecken, Methodenprobleme, Prognoseprobleme, sowie Formalisierung.
  2. Unternehmen formulieren ambitionierte strategische Ziele und Handlungsfelder, schaffen es aber nicht, konkrete Maßnahmen und Messgrößen daraus abzuleiten, die das Management und die Belegschaft verstehen und konsequent verfolgen können.
  3. Es wird in der Organisation akzeptiert und von Führungskräften mitunter sogar vorgelebt, dass das Tagesgeschäft – das Dringliche, der „Wirbelwind“ – das Wichtige, nämlich die Umsetzung strategischer Handlungsfelder und Maßnahmen, permanent verdrängt.
  4. Jeder redet über Strategie, vieles im Unternehmen ist „strategisch wichtig und notwendig“. Eine Fokussierung auf das strategische Notwendige und eine durchgängige Kommunikation der Strategie finden jedoch nicht statt. Weiter unten dazu mehr.
  5. Die Disziplin in der Strategieumsetzung fehlt. Man meint, das ginge „mal eben so nebenher“ und wenn Zeit übrig ist. Manche machen sich über die „Vision“ sogar lustig. Viele Mitarbeitende in Unternehmen vertreten die Ansicht, Strategie beträfe ja v.a. den Vorstand resp. die Geschäftsführung. Aber mit ihrer Arbeit habe das nichts zu tun.

Unternehmen mit geringer strategischer Lücke

Glücklicherweise gibt es diese „Marktmeister„! Im Wesentlichen sehe ich hierfür fünf Gründe:

  1. In einer VUCA-Welt leben diese Unternehmen ihr Leitbild (Vision, Mission, Leitsätze, Werte) als stabilisierenden und identitätsstiftenden Faktor.
  2. Sie nutzen externe Evidenz innerhalb und außerhalb der Branche und differenzieren sich zum Kunden hin.
  3. Sie etablieren eine Kultur steter Veränderung und stehen disruptiven Reorganisationen konstruktiv-kritisch gegenüber.
  4. Sie senken konsequent Kosten, um besser und profitabler zu werden (Effizienz); gleichzeitig bündeln und fokussieren sie ihre Ressourcen entlang strategischer Ziele (Effektivität).
  5. Sie sind in der Lage, sowohl effizient als auch flexibel zu sein (Organisationale Ambidextrie) und setzen nicht auf Agilität um jeden Preis.

Schlussfolgerungen für Strategiebereiche

Fünf Denkanstöße möchte ich in den Vordergrund stellen:

  1. In einer VUCA-Welt muss es gelingen, trotz zunehmender Unsicherheit, Komplexität, etc. konsequenter und schneller zu handeln. Ich halte dabei sog. „Minimum Viable Projects“ für zielführender als die Großprojekte alter Couleur, die wie ein Dampfer Großteile der Ressourcen „binden“.
  2. Die digitale Transformation führt zu einem Bedeutungsrückgang der Unternehmensgröße. Stattdessen nimmt die Bedeutung des Geschäftsmodells rapide zu. Mit Hilfe von Geschäftsmodellen Unternehmen neu zu denken und neu zu erfinden (vgl. Abegglen), d.h. anders zu werden, nicht „nur“ besser, sollte wesentlicher Bestandteil eines integrierten Strategieprozesses sein.
  3. Moderne Strategiearbeit muss daher auch gezielt Konzepte für die Zukunft beinhalten, wie es beispielsweise Horváth & Partners in seinem 7-K-Prinzip explizit vorsieht.
  4. Smart Data und Predictive Analytics werden die strategische Steuerung qualitativ deutlich beschleunigen; dies v.a. mit Blick auf relevante Kunden-, Markt- und Wettbewerbsdaten, sowie auf Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Strategy Map. Intuition und Analytics sind meines Erachtens komplementäre Methoden!
  5. Wie weiter oben in meinem Beitrag bereits skizziert sind eine durchgängige Kommunikation der Strategiearbeit (Mindmap-Beispiel) und damit das „Erlebbar-Machen“ der Strategie essenziell für den Umsetzungserfolg (vgl. Beitrag „Die vier Phasen der Strategiekommunikation“). Henry Mintzberg und Gary Hamel haben Recht mit ihrer Aussage, dass die innovativsten Strategien aus dem Unternehmen hervorgehen. Strategieumsetzung gelingt also nur, wenn die Zielgruppen in der Belegschaft für die Strategie begeistert und mobilisiert werden – vom „Push“ zum „Pull“. Durch die Kombination von Top-down- und Bottom-up-Elementen wird eine sinnvolle Rückkopplung im Prozess der Strategieentwicklung sichergestellt.

Fazit

Die Unternehmensstrategie sollte zwar den Handlungsrahmen festlegen, gleichzeitig allerdings flexibel bleiben, um auf kurzfristige Entwicklungen reagieren zu können. Im Ergebnis muss die Strategie auf die Schaffung von Kundennutzen ausgerichtet werden und integraler Bestandteil der Führungsarbeit sein.

Eine neue Strategie erfordert – wie im Beitrag dargelegt – Entscheidungen. Darüber hinaus muss jede Initiative, die den Namen „strategisch“ verdient, Entscheidungen von einer Reihe wichtiger Führungskräfte und Fachexperten aus verschiedenen Bereichen, einschließlich derer außerhalb Ihres eigenen Bereichs, beinhalten. Daher ist die Geschwindigkeit und Qualität der Entscheidungsfindung ein wesentlicher Faktor für eine erfolgsreiche Strategiearbeit – insbesondere mit Blick auf die Strategieumsetzung.

Neben der für Strategie verantwortlichen Abteilung (Unternehmensentwicklung, Strategiebüro, etc.) ist eine breite organisatorische Verankerung für das Gelingen der Strategiearbeit notwendig. Hiermit gelingt es, Unternehmen den Informationsbedarf zur Entwicklung und das Commitment zur schnellen Umsetzung von Strategien zu ermöglichen.

Im Teil 2 dieses 3-Teilers zum Thema Strategiearbeit gehe ich auf den Übergang von Strategieentwicklung zur Strategieimplementierung ein; in Teil 3 auf die Methodik zur Strategieumsetzung.