Beim Blick in Projekt- und Tagungs-Unterlagen zu Workforce Analytics (WFA) aus dem Jahre 2010 – also vor 10 Jahren – war ich überrascht: Viele der aktuell diskutierten Themen, wie z.B. Performance Measurement, Management von Personalrisiken / Strategische Personalplanung, Retention Management, waren bereits damals relevant, aber die methodischen Grundlagen waren nur schwach ausgeprägt.

Das hat sich wesentlich geändert (siehe Absatz: Agiles Vorgehen). Das von David Green und Jonathan Ferrar entwickelte Modell (neun Dimensionen für Exzellenz in People Analytics – Bild links) sehe ich als eine Art Orientierungsrahmen für die bisherige methodische Arbeit. Wenngleich mir einige Dimensionen fehlen bzw. ich beispielsweise Kultur den Grundlagen zugeordnet hätte, so lohnt es sich sehr, das Modell genauer zu betrachten, denn: Im Personalwesen muss sich in 2020 dringend und umfassend etwas bewegen. Wie, dazu liefert das Green-Ferrar-Modell wertvolle Hinweise.

Entlang von drei Leitfragen – Wie kann ich meine Wirkung verbessern? Wie kann ich mehr Wert schaffen? Worauf soll ich mich konzentrieren? – ist dieses Modell in drei Kategorien unterteilt: grundlegende Aspekte, benötigte Ressourcen und erzielter Mehrwert.

Grundlegende Aspekte

Die grundlegenden Aspekte des Personalmanagements bestehen darin, die richtigen Elemente vorausschauend im Blick zu haben, um in Zukunft erfolgreich zu sein, bevor die Arbeit zu komplex wird.

  • Steuerung: Wenn Sie über die richtigen Strukturen für Datenstandards (vgl. Human Capital Reporting entlang DIN ISO 30414), (digitale) Ethik und Datenschutz verfügen, sowie über die Art und Weise, wie Sie Projekte und Analysen auswählen, haben Sie größere Erfolgschancen. Beginnen Sie mit dem Ziel vor Augen.
  • Methoden: Beginnen Sie mit den wichtigsten geschäftlichen Herausforderungen und verwalten Sie anschließend die Arbeit und Projekte, sobald Sie wissen, warum Sie dies tun. Diese Dimension konzentriert sich darauf, welche Methoden zur Vereinfachung und Vermeidung von Verwirrung am wichtigsten sind (vgl. 8-Step-Model, Schritte 1 und 2).
  • Interessengruppen / Stakeholder: Wenn Sie die wichtigsten Personen, Funktionen und Gruppen kennen und regelmäßig, angemessen und klar kommunizieren, erzielen Sie eine größere Wirkung und einen größeren Wert. Guenole/Ferrar/Feinzig unterscheiden in „The Power of People“ (S. 99 ff.) drei Arten von Stakeholdern – stakeholders served, stakeholders dependend upon, stakeholders impacted -, die unterschiedlich in WFA-Initiativen einzubinden bzw. „abzuholen“ sind.

Benötigte Ressourcen

Die Ressourcen, die benötigt werden, um Lösungen zu entwickeln und die Wirkung von WFA zu erzielen, sind Menschen resp. deren Fähigkeiten, Technologie und Daten.

  • Kompetenzen: Um die Menschen zu verstehen, die Sie für glaubwürdige Ergebnisse benötigen, müssen Sie sicherstellen, dass Sie in mehreren Bereichen Zugang zu Kompetenzen haben. Für WFA sind diese im HCA Capability Wheel dargelegt; auch über digitale Kompetenzen und Führungskompetenzen habe ich hinlänglich geschrieben. Diese können in Ihrem Team zusammengestellt, von anderen Stellen im Unternehmen bezogen oder nach Bedarf von außerhalb Ihres Unternehmens eingestellt werden. Jede Alternative – in-house, in-source, out-source – hat ihre Vor- und Nachteile (vgl. „The Power of People“, S. 187 ff.), die es im konkreten Kontext abzuwägen gilt.
    Unser zukünftiger Erfolg wird in hohem Maße von unserer Fähigkeit abhängen, unsere Belegschaft effektiv vorzubereiten – durch die Förderung einer Kultur der Umschulung (reskill), Weiterbildung (upskill) und des lebenslangen Lernens.
    Hier ein Beispiel der Firma Unilever:

    Um in ihren derzeitigen Positionen relevant zu bleiben und für potenzielle Arbeitgeber attraktiv zu sein, müssen die Menschen verstehen, wie sich der Fortschritt auf ihre Arbeit auswirkt, und sich Zeit nehmen, um sich entsprechend weiterzubilden – v.a. selbstorganisiert und eigenverantwortlich!
  • Technologie: Die Beschaffung, Bereitstellung und Verwendung von Technologie für Analysen wird durch die Tatsache erschwert, dass es buchstäblich Tausende von Anbietern gibt. Ihre Technologiebedürfnisse umfassen unter anderem Visualisierung, Business Intelligence, Statistik, maschinelles Lernen und KI. Sie umfassen sowohl Hardware als auch Software und werden vor Ort „als Service“ oder als Hybrid bereitgestellt (vgl. Analytics & BI Platforms).
    Da Geschäftsprozesse die wichtigsten Treiber operativer Exzellenz sind, ist deren Analyse mittels Process Mining subjektiven Interviews o.ä. vorzuziehen. Process Mining basiert auf objektiven Daten, liefert eine ganzheitliche Sicht auf Prozesse und unterstützt die Prozesssteuerung, um die Qualität zu verbessern.
  • Daten: Das Kennen, Verwenden, Integrieren, Verwalten und Sichern von Personen- und Geschäftsdaten ist unerlässlich. Diese Dimension ist wichtig, um Standards, Sicherheit, Datenoptionen und das zu verstehen, was Sie zur Beantwortung Ihrer dringendsten Herausforderungen benötigen. Es behandelt auch die Notwendigkeit, sich auf interne und externe Datenquellen zu konzentrieren und wie Sie Ihre Situation analysieren und entscheiden, welche zusätzlichen Daten gesammelt werden müssen, um Ihre Analysen zu verbessern.
    Bei der STRIM beschreiben wir dies als evidenz-basiertes (HR) Management, manche sprechen auch von einem Data Driven Business. Hierbei geht es um nicht weniger als um eine Neuausrichtung des Geschäftsmodells und um eine neue Form der Entscheidungsfindung. Somit ist es auch eine Kulturfrage, welche eng damit verbunden ist, in welchem Rahmen man analytisch aufbereitete Daten in die Prozesse der Entscheidungsfindung integriert. Letztendlich geht es häufig um das Einreißen alter Traditionen, Denkweisen und Strategiefindungsprozesse.

Erzielter Mehrwert

Der Wert, den Sie aus Ihren WFA-Initiativen ableiten, wird von denjenigen bestimmt, mit denen Sie interagieren.

  • Mitarbeitererfahrungen: Die Bereitstellung von Analysen mit Blick auf den größtmöglichen Nutzen für die Belegschaft ist von zentraler Bedeutung. Zahlreiche Unternehmen haben die Idee der Mitarbeitererfahrung als Schlüsseltriebfeder für Engagement und Produktivität in weiten Teilen angenommen, aber nur einige haben eine konsistente EX Strategie, und noch weniger setzen sie um.
  • Geschäftsergebnisse: Durch die Bereitstellung von Erkenntnissen durch effektive WFA-Initiativen wird sichergestellt, dass Ihre Führungskräfte über Erkenntnisse informiert werden, um Entscheidungen treffen zu können. Diese Erkenntnisse können sich auf Produktivität, Kostenoptimierung oder Umsatzsteigerung beziehen. Unabhängig davon, um welche Dimension es sich handelt, wird sichergestellt, dass das Unternehmen in Zukunft organisatorischen Nutzen aus der Mitarbeiteranalyse ziehen kann.
    So ermöglichst beispielsweise die Kombination aus Treiberanalyse und Kostenanalyse der SAP, bessere Investitionsentscheidungen zu identifizieren, um Kündigungsraten zu reduzieren.
  • Kultur: Die Bereitstellung von Analysen ist einfacher und wirkungsvoller, wenn die Kultur der Personalabteilung und der Organisation insgesamt für analytische Erkenntnisse empfänglich sind. Hierauf geht auch der IW-Report von A. Hammermann und C. Thiele „Evidenzbasierte Entscheidungsfindung im Personalmanagement“ ein. Das Streben nach einer starken Analysekultur (analytics culture) ist wichtig und m.E. von grundlegender Bedeutung!
    Kultur ist leicht zu spüren, aber schwer zu messen. Gängige Mitarbeiterbefragungen und Fragebögen sind oft nicht hinreichend. Corritore/Goldberg/Srivatava untersuchten die in der elektronischen Kommunikation verwendete Mitarbeitersprache entlang von drei Studien. Die erste bewertete den Grad der kulturellen Übereinstimmung zwischen den Mitarbeitern anhand der Ähnlichkeit des Sprachstils, der in internen E-Mail-Nachrichten zum Ausdruck kommt. In der zweiten Studie wurde der Inhalt von Slack-Nachrichten analysiert, die zwischen Mitgliedern von fast 120 Softwareentwicklungsteams ausgetauscht wurden, um zu messen, ob sich dies auf die Teamleistung auswirkt. In der dritten Studie untersuchten die Autoren gemeinsam mit Glassdoor, wie Mitarbeiter in anonymen Reviews über die Unternehmenskultur sprechen, um die Auswirkungen der kulturellen Vielfalt auf die Effizienz und Innovation von Unternehmen zu untersuchen.

Fazit

Die Zukunft der Arbeit erfordert einen neuen Fokus auf die Orchestrierung von Kosten und Wert sowie auf die Neugestaltung von Arbeitsplätzen und die Neudefinition von Arbeit.

Die neun Dimensionen für Exzellenz in People resp. Workforce Analytics helfen WFA-Experten und HR-Führungskräften dabei, eine Roadmap für den Erfolg zu erstellen, indem transparente Schritte definiert und vorgeschlagen werden, auf die Sie sich konzentrieren können.