Für viele von Ihnen ist diese Woche wahrscheinlich die letzte Arbeitswoche des Jahres 2019. Zeit, um zurückzublicken. Zeit, um sich Gedanken über das kommende Jahr zu machen. Wie setzen wir die Planungen für 2020 um? Welche Herausforderungen sollten wir proaktiv annehmen? Wie machen wir Strategie zu einem kontinuierlichen Prozess? Welche Projekte sind „musts“, welche nicht?

Auf drei Schwerpunkte möchte ich mich in diesem Beitrag fokussieren, weil sie mir in jedem Strategieprojekt auch mit Blick in das Jahr 2020 wieder begegnen (werden):

  1. Veränderung im Zeitalter der Digitalisierung,
  2. Auswirkungen auf die Strategieimplementierung,
  3. Auswirkungen auf Organisationen und -modelle.

Veränderungen im Zeitalter der Digitalisierung

Veränderungen sind heute bereits die Regel. Die Skala reicht von Ablehnung, Widerstand und Angst vor Verlust bis hin zu Veränderungsbereitschaft, Anpassungsfähigkeit, Agilität, Resilienz und Mobilität. Veränderungen sind immer mit Chancen und Risiken verbunden, VUCA – häufig thematisiert – ist allgegenwärtig.
Mitunter sprechen wir von disruptiven Veränderungen und meinen damit eine Erschütterung bzw. ein potenzielles Ende eines bestehenden Geschäftsmodells, bestehender Produkte bzw. bestehender Prozesse und Jobprofile.
Dabei wissen wir, dass sich weite Teile der Belegschaften im deutschsprachigen Raum mit Disruption schwer tun und den eher evolutionären Ansatz präferierem – mit allen damit einhergehenden Vor- und Nachteilen. Das weit verbreitete Effizienzdenken und Sicherheitsbestreben ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich und gefährdet eher das Überleben. Stattdessen fordert die digitale Transformation ein radikales Neudenken sämtlicher Geschäftsmodelle. Unternehmen sollten also beides können: effizient und innovativ sein (Ambidextrie).
Die Digitalisierung führt uns vor Augen, dass Veränderungen schnell eintreten können und werden. Es gibt keinen 2. und 3. Platz mehr, denn „the winner takes it all“. Es genügt also nicht mehr, unter den ersten 10 Prozent zu sein oder im ersten Drittel.

Cyber-physische Systeme, die durch den Menschen eingerichtet und gesteuert werden, ansonsten jedoch weitgehend autonom agieren, „zwingen“ uns, die damit einhergehenden Veränderungen nicht nur anzunehmen, sondern sie aktiv zu steuern. Diese Systeme faszinieren uns einerseits, machen andererseits aber auch vielen Beschäftigen Angst.
Beispiel Versicherungsmakler: Ihre Arbeit kann schon heute größtenteils von Software übernommen werden: Preise und Leistungen vergleichen, das perfekte Portfolio zusammenstellen – das machen einige Portale längst. Während ein Mensch noch umständlich recherchieren muss, spidert die Software sekundenschnell durchs Netz, gleicht Angebote und Verträge ab. Je nach Algorithmus auch frei von menschlichen Vorurteilen und subjektiven Vorlieben.
Gleichzeitig gilt aber auch: Die intensive Anwendung von IT verbunden mit entsprechenden Investitionen geht bisher nicht einher mit einem gestiegenen Wachstum der Produktivität – Produktivitätsparadox des IT-Einsatzes oder Solow-Paradoxon. Das muss sich in der Zukunft ändern; u.a. durch konsequentere Prozessausrichtung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung!

Menschen, die wir als Beschäftigte gerade jetzt so dringend benötigen (siehe auch Fachkräfteeinwanderungsgesetz), leben in verschiedenen Wertewelten. Sie sind mehr oder weniger bereit, Agilität zu verkörpern. Sie eint, dass sie als Individuen behandelt und angesprochen werden möchten. Auch die Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen und Qualifikationen sollte individualisiert erfolgen.
Individualisierung meint also die unterschiedlichen Wert- und Lebensvorstellungen, die zwischen den einzelnen Generationen, jedoch auch innerhalb derselben entstehen und die maßgeblich die Erwartungshaltung des Einzelnen prägen. Ferner ist damit die Vielfalt von unterschiedlichen Lebenswegen und Lebensentwürfen gemeint, auf die sich der Arbeitsmarkt und damit jedes einzelne Unternehmen einzustellen hat.
Die Heterogenität in der Mitarbeiterschaft spiegelt sich insgesamt betrachtet v.a. in unterschiedlichen Arbeitsweisen (analog vs. digital), der Arbeitsumgebung (lokal vs. virtuell), verschiedenen Arbeitstypen (fest vs. flexibel) und individueller Arbeitshygiene (sicherheitsbezogen vs. autonom) wider. Dies wird derzeit ausführlich in der New Work-Debatte diskutiert.

Auswirkungen auf die Strategieimplementierung

Bei solchen Veränderungen bewahrt eine starke gemeinsame, werteorientierte Kultur und digitale Ethik Organisationen vor dem Auseinanderfallen. Mitarbeitenden wird Vertrauen entgegengebracht, wobei sich diese an einer Reihe gemeinsamer Werte orientieren, statt an dicken Regelbeschreibungen und Absprachen.
In vielen Fällen setzen postmoderne Organisationen eine inspirierende Sinnausrichtung ins Zentrum allen Handelns. Dabei ist Sinn mehr als Profitabilität, Wachstum, oder Marktanteile.

In solchen Organisationen sind Strategie und Ausführung erfolgskritisch. Die Strategie entsteht – im Ideal – organisch aus der kollektiven Intelligenz sich selbst führender Mitarbeiter.
Die Umsetzung der Strategie besteht aus der Verankerung der durch die Strategie festgehaltenen Schwerpunkte in der Organisation, d.h. ihre Realisierung im operativen Geschäft. Aus Strategien werden folglich Maßnahmenpakete resp. Aktionspläne abgeleitet, die sich auf konkrete Prozesse, Geschäftsfelder, Innovationen, etc. auswirken.

Bei der Strategieimplementierung geht es also vor dem Hintergrund der o.g. Veränderungen um zweierlei: um die holistische Transformation des bestehenden Geschäftsmodells bei gleichzeitiger, effizienter Verfolgung des gegenwärtigen Kerngeschäfts. Warum gelingt das denn so selten? Die Umsetzung scheitert häufig an mangelnder bereichsübergreifender Koordination, sowie am starren Festhalten festgelegter Pläne, statt auf plötzlich eintretende Veränderungen zu reagieren. Ziele im Rahmen des Performance Management sind häufig nicht auf die Strategieerfüllung ausgerichtet. Schließlich folgt Strategieumsetzung häufig einem Top-Down-Vorgehen, statt das Gros der Belegschaft mit einzubinden.

Wir konnten bei Mitarbeitenden eine statistisch signifikante positive Korrelation zwischen guter Teamstimmung, Zusammenarbeits- und Beteiligungsqualität auf der einen Seite und Grad der Strategieumsetzung auf der anderen nachweisen. Die Unternehmenskultur spielt dabei eine wichtige Rolle. Das wusste schon Peter Drucker.

Auswirkungen auf Organisationen und Organisationsmodelle

Auf Basis großer Mengen unterschiedlich strukturierter Daten – Big Data – können Entscheidungen in Echtzeit oder prognostisch getroffen werden. Predictive Analytics liefert einen umfangreichen Methodenwerkzeugkasten (Klassifikation, Clusterbildung, Hauptkomponentenanalyse, Faktoranalyse, Abhängigkeits- und Abweichungsentdeckung, Diskriminanzanalyse, Entscheidungsbäume, etc.), der auf Grundlage eines Datensatzes Zusammenhänge untersucht, um daraus Muster abzuleiten und die Prognose weiterer Entwicklungen darzustellen.

Atypische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse werden als Folge der o.g. Veränderungen zunehmen, wenngleich sie vermehrte psychosoziale Risiken darstellen. Im deutschsprachigen Raum sind bestimmte Gesellschaftsgruppen atypisch beschäftigt: junge Menschen, Frauen, Migranten, Alleinerziehende und Geringqualifizierte. Diese Beschäftigungsverhältnisse sind gekennzeichnet durch weniger Arbeitsplatzsicherheit, weniger Karrierechancen, weniger Ausbildungsinvestitionen durch die Unternehmen und einen höheren Anteil an Niedriglohn.
Untersuchungen belegen eine Beeinträchtigung der Gesundheit, der Leistungsfähigkeit und auch der Produktivität. Weitere Folgen atypischer Beschäftigungsverhältnisse sind Altersarmut, Einkommenseinbußen, gesundheitliche Schäden sowie verringerte Karrierechancen.
Nichtsdestotrotz werden solche Beschäftigungsverhältnisse zunehmen – übrigens auch bei hoch qualifizierten Menschen („digitale Nomaden“, „Arbeitsnomaden“). Wir sollten also aktuelle Schwachstellen und Risiken im Blick haben und an Lösungen arbeiten.

Die Segmentierung der Belegschaft ist Grundlage für jegliche Art der Personalplanung; auch die Segmentierung in Stamm- und Satellitenbelegschaft. Bei der sich anschließenden qualitativen Personalplanung und der Ableitung von Talentstrategien sollten der Top-down-Ansatz (Ableitung von Kompetenzen aus der Unternehmensstrategie) mit der Bottom-up-Anforderungsanalyse auf der Ebene von Jobfamilien verbunden werden. Wir sollten uns daran gewöhnen,

Bedeutende Grundzüge agiler Organisationen sind kleine, selbst organisierte und cross-funktionale Teams, sowie das Arbeiten nach dem Pull-Prinzip, also ohne Fremdvorgaben und Fremdkontrolle. Im Zuge der  Reduktion von Hierarchie leiten sich vier zentrale Prinzipien ab:

  • Interdisziplinarität und Selbstorganisation in den Teams,
  • Autonomie und Selbstkontrolle durch die Teams,
  • Führung über Ziele, sowie
  • Verantwortung für das Endergebnis – als Sicherstellung vollständiger Tätigkeiten.

Auch in den Personalabteilungen – aber nicht nur dort – wird die Bedeutung der Künstlichen Intelligenz zunehmen. In aktuellen Untersuchungen wurden die Vor- und Nachteile von Chatbot, KI-basierter Telefoninterviews und KI-basierter Auswahl von Bewerbungen untersucht. Die Einführung von KI-Systemen ist selbst bei einer jungen Zielgruppe kein Selbstläufer. Ein zentraler Faktor ist die Art der verwendeten KI. Eine Autonomous Intelligence stößt auf stärkere Skepsis als eine Assisted bzw. Augmented Intelligence. Grundsätzlich gilt, dass KI-Systeme etwas mehr von Nutzern mit einem höheren Bildungsniveau und einem höheren Maß an Technikinnovativität akzeptiert werden. Eng verknüpft mit dem Konstrukt Vertrauen sind die Themen Datenschutz und Transparenz. Ebenfalls wichtig für die Nutzer ist der Aspekt der Wertschätzung

Affektives Commitment ist ein guter Prädiktor für individuelles Engagement. Es gilt als die höchste Form der Verbundenheit von Mitarbeitenden zur Organisation. Randstad Deutschland u.a. setzen bereits moderne Tools unter Einbindung von KI ein, um das Mitarbeiter-Engagement Schritt für Schritt zu entwickeln.
Erwartungen v.a. der GenZ an die Arbeitswelt – klar geregelte, feste Arbeitszeiten, keine 24/7-Verfügbarkeit, Anerkennung und Selbstverwirklichung, verlässliche Strukturen, Ordnung, fixe Gehälter, großzügiger Urlaub und eine klare Trennung von Arbeit und Privatleben statt Wettbewerbsorientierung, abwechslungsreiche Tätigkeiten, das Ablehnen von (Führungs-)Verantwortung und wiederkehrenden, administrativen Aufgaben – stehen in weiten Teilen im Widerspuch zu den o.g. Veränderungen und Erwartungshaltungen an Beschäftigte! Das sollte uns bewusst sein.

Als wesentliche Ziele von New Work gelten: Motivationssteigerung, Verbesserung und Intensivierung von Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, erhöhter Spaßfaktor, Kostenersparnis durch mehr Produktivität und Kreativität und Anpassung an die moderne Lebenswelt. Zu deren Erreichung unterscheiden Hackl et al. 12 Umsetzungsaspekte entlang von fünf New-Work-Kategorien:

  1. Individualität: Beteiligung der Mitarbeitenden an der Strategieentwicklung und -umsetzung, Leistungs- und Lernziele können selbst festgelegt werden, Teil der Arbeitszeit kann selbstbestimmt für kreative/eigene Projekte verwendet werden;
  2. Führung: flexibler Wechsel zwischen Führungs- und Fachkarriere, Führungskraft als Coach / Personalentwickler, sowie moderne, demokratische Führungskultur (Führung ist Aufgabe, nicht hierarchische Rolle!);
  3. Agilität: schnelle Entscheidungsprozesse, weniger Hierarchiestufen;
  4. Flexibilität: flexible Arbeitsorte/Home Office Möglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, Job Rotation (Wechsel der Arbeitsaufgabenstelle);
  5. Neue Bürokonzepte: Creative Workspaces.

Was noch …?

Mir ist bewusst, dass Arbeitsfelder, die im Rahmen der Strategieimplementierung in postmodernen Organisationen eine Rolle spielen, in diesem Beitrag nur grob angesprochen wurden. Wenn Sie mir einen Kommentar schreiben, dann gehe ich entlang Ihrer Fragen gerne detaillierter darauf ein.

Interessant wären beispielsweise noch die KPIs, die im Rahmen der Strategieimplementierung von Interesse sind, z.B.

  • Anzahl laufender Projekte im Verhältnis zur Anzahl der erfolgreich abgeschlossenen,
  • Verhältnis und Veränderung der eingesetzten internen Mitarbeiter zur Anzahl der laufenden oder geplanten Projekte,
  • Überstundenentwicklung im Zusammenhang mit laufenden Projekten,
  • Überstundenentwicklung im Zusammenhang mit abgeschlossenen Projekten (erfolgreich/nicht erfolgreich),
  • Krankmeldungen,
  • Laufzeitentwicklung von Projekten – Plan/Ist, sowie
  • Identifikation mit dem Projekt und Ziel (Mehrwert für Person und Unternehmen).

Auch die Fehlerkultur als wichtiger Erfolgsfaktor konnte nicht weiter vertieft werden, wissend: Es kann ein Unternehmen bis zu 20 % an Profitabilität kosten, wenn es destruktiv mit Fehlern umgeht. Umgekehrt führt eine durch die konstruktive Fehlerkultur entwickelte lernende Organisation zu gesunden Menschen in einer gesunden Organisation.

Ebenso wichtig ist das Employer Branding. Employer Brands nachhaltig zu managen bedeutet, sämtliche Touchpoints von potenziellen Kandidaten, deren Gewinnung, Einbindung und Entwicklung im Unternehmen zu berücksichtigen.