In den letzten Monaten habe ich mehrfach die Benchmarkstudie Strategieumsetzung von Daniela Kudernatsch zur Hand genommen und laufende Projekte daran „gespiegelt“. Daraus sind fünf wesentliche Anspruchshaltungen entstanden. Drei habe ich bereits im September dargelegt; über zwei weitere handelt dieser Beitrag.

Sicherlich stimmen Sie der Aussage zu, dass man Schlüsselrollen im Rahmen der Strategieumsetzung nicht mit „Kompromisspersonen“ besetzen sollte. Trotzdem wird es häufig getan, weil man – so der Hinweis – „ja keine Alternativen habe“ bzw. „diese zu teuer seien“.

Sicher stimmen Sie auch der Aussage zu, dass quantifizierte (nicht nur qualitative) strategische Ziele kontinuierlich in der gesamten Organisation bekannt zu machen sind und als Teil sowohl des Controllings als auch regelmäßiger Bewertungen in das operative Tun zu überführen sind. Warum geschieht es dann – häufig noch mit dem Hinweis, man müsse „agil bleiben“ und dies „raube so viel Zeit“ – so selten?

Steigen wir ein!

Anspruch an Kompetenzen

Die Kompetenz zu einer umsetzungsorientierten Steuerung strategischer Projekte ist ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. Die Art und Weise der umsetzungsorientierten Steuerung strategischer Projekte wird maßgeblich vom Zusammenspiel organisationaler und individueller Kompetenzen geprägt:

  • Auf der Individualebene spielen v.a. die folgenden Kompetenzen eine wichtige Rolle: kognitive Kompetenz – hierzu gehört u.a. eine Urteilsfähigkeit auf Basis der strategischen Kausal- bzw. Wirkungskette! -, Handlungs- bzw. Problemlösungskompetenz, Sprach- und Kommunikationskompetenz (vgl. Kompetenzatlas, sowie Beiträge zu „Kompetenz siegt“).
  • Auf der Organisationsebene ist primär die Management- und Steuerungskompetenz zu nennen. Im Einklang mit der Unternehmenskultur wird diese Kompetenz zu einem der wesentlichen Erfolgsfaktoren; im umgekehrten Fall zur potenziellen Wachstumsbremse. Diese Kompetenz schließt auch die Abbruchkompetenz, das kompetente Unterbrechen oder Verlassen eines eingeschlagenen Umsetzungspfades, mit ein!

Business Schools und insbesondere Entwicklungsmaßnahmen für Führungskräfte sollten vor diesem Hintergrund Exploration und Exploitation miteinander verbinden (vgl. Eberl/Görlich/Volkenandt, S.  256 f.). Exploration steht für eine langfristig angelegte Steigerung von Flexibilität und radikale Veränderungen, Exploitation für eine kurzfristige Steigerung von Effizienz und kleinschrittige, inkrementelle Veränderungen. Eine ausschließliche Konzentration auf nur einen Lernmodus führt langfristig zum Misserfolg. Die Balance ist wichtig für das Gelingen der Strategieumsetzung!

Beide o.g. Ebenen unterscheiden drei Dimensionen:

  1. Kognitive Dimension: Diese Dimension beschreibt die Fähigkeit, die Wahrnehmungsmuster zu erkennen, die den kompetenten Umgang mit der Komplexität und Unsicherheit strategischer Projekte sicherstellen (Eisbergmodell). Die Steuerung geschieht über unternehmenskulturelle Werte.
  2. Technische Dimension: Diese Dimension beschreibt die tatsächlich vollzogene konkrete Herstellung von sozialen Anschlüssen zwischen unterschiedlichsten Ressourcen, und zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einem bestimmten Setting. Hierbei geht es also um das richtige Verhältnis zwischen Projekt und Linienorganisation. Die Steuerung geschieht über formale Strukturen, Prozesse und Methoden.
  3. Affektive Dimension: Die erfolgreiche Beschreitung unsicherer und komplexer Wege geschieht nicht emotionslos. Affektive Komponenten wie Wut, Angst oder Resignation spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Die emotionale Steuerung geschieht primär über Anreizsysteme und Führungsverhalten.

Im Zusammenspiel der drei Dimensionen können in Organisationen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass mehr als nur 10% der strategischen Projekte erfolgreich umgesetzt werden. Die Einbindung der Geschäftsführung (vgl. Teil 1: Anspruch an Verantwortlichkeiten) stellt einen wesentlichen Schlüsselfaktor für einen erfolgreichen Projektverlauf dar und kann somit als Ausdruck der projektsensiblen Unternehmens- und Führungskultur (kognitive Dimension der Kompetenz des Unternehmens) verstanden werden.

Anspruch an das Controlling strategischer Projekte

Projektberichterstattungen bzw. sog. Berichtsbände mit Statusampeln sind nur in Ausnahmefällen wirklich ehrlich und vollständig. Das ist eine nüchterne Aussage, entspricht aber leider den Tatsachen. Mitursächlich dafür ist, dass Reviews des Umsetzungsgrads der Zielerreichung selten auf einem System oder Regelkreis wie dem PDCA-Zyklus, der ein systematisches Lernen ermöglicht, basieren.

Strategieumsetzungsprojekte sind einmalig und mit hoher Unsicherheit, also Risiken, behaftet. Eine Risikoberichterstattung, in der Chancen und Risiken vor und während der Projektdurchführung analysiert und bewertet werden, ist demzufolge zwingender Bestandteil eines Berichtsbandes.

Ebenso sollte ein Kompetenzmonitoring, also eine Kompetenzsteuerung durch Monitoring, das klassische Reporting & Controlling ergänzen. Ich sehe hier eine inhaltliche Verzahnung mit der Strategischen Personalplanung als zwingend notwendig an und erinnere daran, dass eine der BSC-Perspektiven „Lern- und Entwicklungsperspektive“ heißt! Diese muss die Fähigkeiten, das Know-how, die Kompetenzen und die Erfahrungen Mitarbeitender planen, steuern und fortlaufend „im Blick haben“.
Gegenstand eines solchen Kompetenzmonitoring ist demzufolge die bewusste Beobachtung und Steuerung der umsetzungskritischen individuellen und organisationalen Kompetenzen (vgl. Ausführungen weiter oben), sowie deren Zusammenspiel.
Konkrete Bildungsmaßnahmen sind häufig auf die Entwicklung individueller Kompetenzen ausgerichtet, dabei kann nur die organisationale Kompetenz für die optimalen Bedingungen hinsichtlich einer Strategieumsetzung sorgen. Dies schließt die horizontale Zusammenarbeit zwischen den Unternehmenseinheiten („Silos“) mit ein (vgl. Teil 1: Catchball-Prozess).

Konflikten zwischen Kompetenz-Sets aus dem Weg zu gehen, bedeutet, eine Be- oder Verhinderung der Strategieumsetzung hinzunehmen.

Nun noch ein letzter Punkt: Das unmittelbare Objekt der Veränderungen im Rahmen einer Strategieumsetzung ist immer das Geschäftsmodell. Möchte man mit einer Strategie das aktuelle Geschäftsmodell eines Unternehmens noch erfolgreicher machen, so sollten die verschiedenen Teile der Strategie, die in strategische Initiativen und Projekte übersetzen wurden, kompatibel mit der Gesamtstrategie sein. Das strategische Zielsystem einer BSC (vgl. Abbildung; vgl. X-Matrix) beinhaltet deshalb immer strategischen Zielen zugeordnete Projekte, Initiativen und Maßnahmen, die einem detaillierten Controlling zu unterziehen sind.

Zusätzlich empfehle ich, die Differenzbetrachtung zwischen Ist-Geschäftsmodell und Vision im Business Model Canvas abzubilden: strategische Projekte (P), strategische Initiativen/Vorstudien (I) und in die Linienorganisation delegierte Aufgaben (L). Die Analyse der Strategieabdeckung ist nur der erste Schritt der Portfolioanalyse. Es folgen die Bestimmung der Rangfolgen in der Wirtschaftlichkeit und die Kalkulation der notwendigen Mittel. Die Zusammenfassung dieser Perspektiven erfolgt in der Maßnahmenplanung und einem daran ausgerichteten Reporting & Controlling.

Fazit

Strategieumsetzung „mit klarer Linie“dafür steht unser Unternehmen – habe ich die Ankündigung der letzten drei Beiträge zur Strategieimplementierung überschrieben.

Eine klare Linie bei der Operationalisierung der Strategie bedeutet zunächst einmal, die Anforderungen an die Strategieentwicklung zu beachten („Realitäts-Check„) und die Verantwortlichkeiten im Sinne einer Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung zu klären. Daneben gilt es, die richtigen Methoden und Verfahren konsequent einzusetzen. Neben der BSC (performanceorientierter Ansatz) ist meines Erachtens die Einbindung der Hoshin-Kanri-Methode (prozessorientierter Ansatz) an mehreren Stellen sinnvoll.

Eine klare Linie bei der Institutionalisierung der Strategie bezieht sich vor allem auf das Change Management und die zur Umsetzung notwendigen Kompetenzen. Die besten Methoden und Tools bewirken nichts, wenn Kompetenz nicht auf Commitment trifft!
Kompetenzlücken stellen das größte Einzelrisiko der Strategieumsetzung dar und müssen daher eine ähnlich hohe Priorität in der Analyse und Bewertung erfahren wie die Wirtschaftlichkeit. Zur Positionierung und Priorisierung von Projekten, Initiativen und Maßnahmen empfehle ich die Kapitalwert-Kompetenzlücken-Matrix (vgl. Eberl/Görlich/Volkenandt, S.  211 f.). .

Damit komme ich zur Kontrolle und Bewertung der Strategie. Eine klare Linie beginnt diesbzgl. mit hoher Akribie bei der Sammlung und Qualitätssicherung relevanter (unternehmensexterner und -interner) Daten (vgl. obige Abbildung und PCDA-Zyklus) unter Einbindung eines Risikocontrollings sowie eines Kompetenzmonitoring auf individueller und organisationaler Ebene. Darüber hinaus ist die kontinuierliche Anbindung an das Geschäftsmodell, insbesondere darin positionierter Projekte, Initiativen und Maßnahmen, Bestandteil der Kontrolle und Bewertung. Fokus auf die Effektivität ist dabei mindestens so wichtig wie Fokus auf Effizienz.
So betrachtet ist die Strategy Map mit Abbildung strategischer Kausal- bzw. Ursache-Wirkungsketten  (vgl. Research Paper, Hofmann, S. 32 ff.) weit mehr als ein „nett aufbereitetes Bild mit Pfeilen und Kästchen“, sondern quasi als „Management Summary“ ein wichtiges Steuerungs- und Kommunikationsinstrument der Strategieimplementierung.