Die Pandemie und der sukzessive Übergang zu hybriden Arbeitsmodellen haben den Bedarf an neuen Kompetenzen und Qualifikationen beschleunigt. Hierzu gehören v.a. soziale und emotionale Fähigkeiten, Führungskompetenzen sowie die Fähigkeit zum kritischen Denken und  zur Entscheidungsfindung.

Jüngste Untersuchungsergebnisse von McKinsey und Mercer kommen zu folgenden Ergebnissen:

  • 79 Prozent der CEOs sind besorgt über die Verfügbarkeit von Fähigkeiten, die sich auf Innovation, Kosten, Qualität und Wachstum in ihrem Unternehmen auswirken.
  • Darüber hinaus gaben 70 Prozent an, dass sie in zwei Jahren erwarten, mehr hoch qualifizierte Zeitarbeitskräfte einzusetzen als vor der COVID-19-Krise.
  • 69 Prozent gaben an, dass ihre Unternehmen mehr Kompetenzen aufbauen als vor der Krise.
  • 58 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Schließung von Qualifikationslücken seit Beginn der Pandemie eine höhere Priorität hat.
  • 53 Prozent der Unternehmen identifizieren neue Fähigkeiten, die für ihre Tätigkeiten nach der COVID-19-Krise benötigt werden, aber nur 14 Prozent haben kompetenzbasierte Talentstrategien implementiert.

Nachfolgend gehe ich deshalb auf einige Dimensionen der Strategischen Personalplanung ein, die auch im „Nine Dimensions for Workforce Planning™-Model“ hervorgehoben werden.

Grundlagen der Strategischen Personalplanung

Effektive Personalplanung braucht ein solides Fundament, verwurzelt in der Geschäftsstrategie, ein starkes Verständnis grundlegender methodischer Prinzipien und die Fähigkeit, die Belegschaft zu segmentieren. Hierfür ist eine enge Zusammenarbeit von Strategie- und HR-Experten notwendig.

Aus Sicht der Strategie

  • müssen Unternehmen den zukünftigen Qualifikationsbedarf und das Marktangebot/-nachfrage strategisch betrachten und einen praktischen Ansatz für Talent- und Belohnungspraktiken anwenden, der mehr Flexibilität und Belastbarkeit ermöglicht,
  • müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter auf eine Zukunft vorbereiten, in der neue und sich weiterentwickelnde Fähigkeiten und Arbeitsweisen vorherrschen und in der kontinuierliches Lernen der Schlüssel zur Relevanz am Arbeitsplatz ist,
  • müssen Führungskräfte umfassender darüber nachdenken, wie der Arbeitsplatz in einer Welt nach COVID-19 überhaupt aussieht.

Mit Blick auf die Methodik

  • ist v.a. eine Erkenntnis wichtig: Der Unternehmenserfolg hängt wesentlich davon ab, dass Kompetenzen und Qualifikationen die vorherrschende Sprache der Organisation sind, nicht Jobs oder Funktionen! Daneben ist eine Kultur notwendig, die das Lernen unterstützt.
  • sind lt. McKinsey drei neue Prinzipien hervorzuheben, die aus Best Practices abgeleitet wurden:
    1. Umfassende Bestandsaufnahme der Fähigkeiten im gesamten Unternehmen durchführen, um Ausgangspunkt und Kompetenzlücken zu verstehen.
    2. Einen „Skills Hub“ zur Verwaltung, Operationalisierung und Skalierung von Talenten aufbauen. Der Hub einer Versicherungsgesellschaft bietet beispielsweise in Bereichen, in denen sich die Rollen ändern müssen, Lernmodule an, um den Mitarbeitern beim Erwerb der erforderlichen Fähigkeiten zu helfen. Wenn Rollen perspektivisch wegfallen, bietet der Hub Weiterbildungen an, um Menschen zu helfen, sich für eine andere Rolle zu qualifizieren oder nach Möglichkeit „verwandte“ Rollen zu finden.
    3. Eine Ökosystemansicht einnehmen. Die Integration des Kompetenzaufbaus unter Berücksichtigung des gesamten Ökosystems kann sowohl Unternehmen als auch Gemeinschaften und anderen Interessengruppen helfen. Ein aktuelles Beispiel ist die Partnerschaft zwischen McDonalds und Aldi.

Durch die Segmentierung der Belegschaft

  • kann jedes Segment nach mehreren Dimensionen priorisiert und unabhängig behandelt werden,
  • stehen sog. Schlüsselkompetenzen im Fokus,
  • können Auswirkungen auf den Geschäftswert und den Aufwand für die Implementierung und Aufrechterhaltung der Personalplanung besser evaluiert und gesteuert werden.

Ressourcen der Strategischen Personalplanung

Für eine wirkungsvolle Personalplanung sind ein ausgewogenes und qualifiziertes Team, gute Technologie und der Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten erforderlich. Dies ist besonders wichtig, wenn es um die kompetenzbasierte Personalplanung geht.

COVID-19 hat die Macht und den Wert von Kompetenzen und Qualifikationen deutlich gemacht. Es geht nun darum

  • das Angebot der Mitarbeiterentwicklung bekannter zu machen und ggf. anzupassen, um die Geschäftsnachfrage zu decken,
  • Kompetenzen und Qualifikationen auf die zukünftige Strategie hin ausrichten und Lücken bestenfalls zu schließen,
  • kompetenzbasierte Prozesse einzuführen, mit deren Hilfe sichergestellt wird, dass das Lernen zu Belohnungen, Anerkennung und Beförderung der Mitarbeitenden führt und sich auf die Leistungsziele auswirkt.

Derzeit werden drei Kategorien von Personalplanungs-Technologien unterschieden: Personalplanung und Organisationsdesign, Talentmarktanalysen und Talentmanagement/Fähigkeiten-Inferenz. Diese Technologien stecken noch in den Kinderschuhen. Mit Blick in die erste Kategorie möchte ich KI-basierte Skill-Taxonomie-Technologien hervorheben:

  • Mit Hilfe einer Skills-Taxonomie können Kandidaten automatisch mit Stellenangeboten abgeglichen, interne Kandidaten für Projekte gefunden, sowie die Qualifikationslücke zwischen einer Person und dem angestrebten Job identifiziert werden.
  • Die bekannteste Skill-Taxonomie ist O*Net. Es gibt andere, wie die europäische ESCO, die UK Skills Taxonomy und Singapores Skills Framework.
  • Unternehmen wie IBM, Revelio Labs und SkyHive, nutzen Technologien zum Aufbau einer Skills-Taxonomie. Sie sammeln so viele Informationen über Jobs wie möglich aus Quellen wie den Profilen auf LinkedIn, den Postings in Jobbörsen und anderen relevanten Quellen, die sie finden können. Zusätzlich nutzen sie die Verarbeitung natürlicher Sprache, um die Jobs zu verstehen.

Die Rolle interner und externer Daten kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hierzu gehören Einstellungsdaten, Daten zum beruflichen Werdegang, Lern- und Entwicklungsdaten, Leistungsdaten und externe Daten. Letztere werden v.a. aus professionellen Netzwerkseiten, Fachpublikationen, Patenten und Blogs gewonnen. Zahlreiche weitere Informationen hierzu finden sich in dem Klassiker „Digital HR: Smarte und agile Systeme, Prozesse und Strukturen im Personalmanagement“ (Hrsg: Thorsten Petry und Wolfgang Jäger), in dem auch Joachim Volpert und ich einen Beitrag platzieren durften.

Mehrwert der Strategischen Personalplanung

Eine wirkungsvolle Personalplanung liefert einen greifbaren Mehrwert für ein Unternehmen. Der Fokus liegt auf der Förderung von Geschäftsergebnissen wie Marktwachstum, Innovation in F&E oder finanziellem Erfolg durch den Verkauf und die Rentabilität aktueller Produkte und Dienstleistungen.

Neben dem kulturellen Aspekt haben unsere Projekte zur Umsetzung der strategischen Personalplanung [Beispiele] gezeigt, dass

Hierfür haben wir sog. Assessment Guides und Gesprächsleitfäden entwickelt, welche auch die „Brücke“ zur Evaluierung bilden. Hier einige Erkenntnisse und Ansätze:

  • Wichtig ist die Unterscheidung in lagging indicator (z.B. Prozentsatz weiblicher Führungskräfte), leading indicator (z.B. Verfügbarkeit qualifizierter weiblicher Talente für erfolgskritische Stellen im Vergleich zur Nachfrage) und strategic indicator (z.B. RoI weiblicher Talente eines Pools).
  • Modelle zum Mehrwert der Aus- und Weiterbildung (wie z.B. Predictive Learning Impact Model von Nick Bontis, Evaluationsstufen nach Kirkpatrick) sollten angewendet werden und in Entscheidungsprozesse einfließen.
  • eQ8 hat das sog. „5C-Framework“ entwickelt, das die Belegschaft nicht als Kostenfaktor, sondern als wertschöpfenden Vermögenswert behandelt:
    • Capability: Ein Unternehmen kennt die erforderliche Belegschaft, um ihre wichtigsten Imperative, Strategie und Zielsetzung zu erfüllen.
    • Cost: Ein Unternehmen hat alle mitarbeiterbezogenen Maßnahmen über den gesamten Mitarbeiterlebenszyklus und darüber hinaus optimiert.
    • Community: Die Organisation ist wirklich in der Lage, soziale Verantwortung durch langfristige Planung und Proaktivität sicherzustellen.
    • Commercial: Die Organisation ist in der Lage, ihre Kerngeschäftstreiber und ihre Transformationsagenda zu erfüllen.
    • Creation: Die Organisation verlagert ihre Sicht auf die Belegschaft grundlegend von einem Kostenfaktor zu einem wertschöpfenden Vermögenswert.

Die Evaluierung ist damit wesentlich auf Geschäftsergebnisse ausgerichtet. Wie ich dargelegt habe, geht dies weit über die althergebrachte Sichtweise der ökonomischen Logik und der Optimierung einer Kostenbasis hinaus! Ein solcher auf Nachhaltigkeit angelegter Ansatz steht der häufig noch praktizierten Vorgehensweise – kurzfristig, isoliert und reaktiv – komplett entgegen. Hierfür ist eine kontinuierliche Kommunikation über Vorgehensweisen und Ergebnisse im Unternehmen unbedingt erforderlich.

Fazit

Mit Blick auf die Zukunft gibt es ein großes und strukturelles Anliegen: sicherzustellen, dass Menschen über die Fähigkeiten verfügen, die sie für eine Beschäftigung in einer sich verändernden Welt benötigen.

Ich werbe dafür, alte Denkweisen zu hinterfragen, einschließlich der Annahmen, was Mitarbeiter wollen und wozu sie fähig sind. Mitarbeiter sind häufig zu mehr in der Lage, als ihnen Führungskräfte zutrauen. Zudem trägt eine kompetenzbasierte Personalplanung mit darauf basierenden Aktionsplänen, beispielsweise in der Personalentwicklung, bei Mitarbeitenden zu höherem Engagement und höherer Bindung bei.