Die COVID-19-Pandemie hat vieles verändert. Ich kenne kaum einen Bereich bzw. eine Branche, der/die davon unberührt blieb. Für einige war die Entwicklung sehr positiv, für andere existenzbedrohend. Wie war die Entwicklung im Thema Workforce Analytics (kurz: WFA) / People Analytics?

Wie ist Ihre Sicht darauf? Nach meiner Wahrnehmung ist die Entwicklung zweigeteilt:

  • Nach wie vor viele Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größe haben die Potenziale von WFA noch nicht erkannt. Sie sind mit einem „klassischen“ Personalcontrolling  (Blick in den Rückspiegel) zufrieden, stehen WFA bestenfalls neutral gegenüber und stufen das Thema – auch aufgrund der Pandemie – eher als nachrangig ein.
  • Eine zunehmende Anzahl an Unternehmen nutzen WFA nicht nur; sie bauen ihre Kompetenz in diesem Thema stetig aus. Das bestätigt u.a. auch die gerade finalisierte Umfrage von Insight222. Demnach gaben 75 Prozent der weltweit befragten Unternehmen an, dass ihre WFA-Funktion in den nächsten 18-24 Monaten – also bis Ende 2023 – wachsen wird. Die Pandemie hat dieses Thema geradezu gepusht; dies v.a. mit Blick auf die Genauigkeit für tägliche operative Entscheidungen und die längerfristige strategische Szenarioplanung.

Laut einer BCG Publikation „Creating People Advantage 2021“ vom Juni 2021 – 6.600 Teilnehmer in 113 Ländern – existiert im Thema WFA dringender Handlungsbedarf; hier ein Auszug:

Auf einer 9er-Skala stufen Unternehmen in Deutschland ihre aktuellen Fähigkeiten mit „8“ (kaum Fähigkeiten) ein, Schweizer Unternehmen mit „5“ (mittelmäßige Fähigkeiten). Daneben geben Unternehmen in Deutschland und in der Schweiz mit Blick auf die künftige Wichtigkeit eine „2“ (sehr hohe Wichtigkeit) an.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen aktuell auf einer 9er-Skala mit Blick auf Fähigkeiten und Wichtigkeit? Was ist Ihr Zielbild im Thema WFA?
Das ist das Thema der nächsten WFA-Fachtagung der STRIMacademy am 10.-11. November 2021 im Hotel Schloss Edesheim (DE/Rheinland-Pfalz).

In einer kleinen Beitragsreihe – Sie lesen gerade den 1. Teil – gehe ich auf wesentliche Inhalte ein, die m.E. zu einem solchen Zielbild gehören. Wie so häufig steht und fällt vieles mit den Grundlagen. Deshalb beschäftige ich mich nachfolgend mit einer Dimension der „Nine Dimensions for Excellence in People Analytics“ (9D-EiPA model): Governance.

Sechs Arten von Governance

Ferrar und Green unterscheiden folgende sechs Arten:

  • Ethik und Datenschutz in Bezug auf Personendaten und Analysen,
  • das Finanzmodell zur Ermittlung des RoI von Analytics-Projekten,
  • die Verwaltung von Personendaten,
  • die Priorisierung von Projekten und Aufgaben zu Analytics,
  • das Betriebsmodell für den Erfolg des WFA-Teams, sowie
  • ein Board, der ganzheitlich die Strategie und Arbeit des WFA-Teams unterstützt.

Im Folgenden gehe ich detailliert auf Ethik und Datenschutz ein (vgl. datenökologische Verantwortung im Rahmen der „10 ethischen Leitlinien für die Digitalisierung von Unternehmen“). Denn das größte Risiko für die heutigen WFA-Teams ist nicht die Technologie, der Mangel an verfügbaren Fähigkeiten (zur Durchführung von Analysen) oder das vorhandene Budget, sondern der Missbrauch von Mitarbeiterdaten. Und dieses Risiko wächst indessen exponentiell aufgrund der neuen Art und Weise, wie wir Mitarbeiterdaten erheben und verwenden.

Sechs Schritte zu ethisch einwandfreier WFA

Neben einer Ethik-Charta benötigen Unternehmen einen Governance-Prozess für Personendaten, damit die Charta aktiviert werden kann. Ein Governance-Prozess balanciert die Chancen und Risiken von WFA. Insight222 fasste vor etlichen Monaten bereits seine Erfahrungen in sechs Empfehlungen zusammen:

  • Definieren, was wichtig ist: Die Grundsätze des Ansatzes zum Sammeln, Analysieren und Teilen von Personendaten müssen klar definiert sein.
  • Die Sichten der Schlüsselakteure aufeinander abstimmen: Sobald die wichtigsten Stakeholder bekannt sind, sollte auf die wichtigsten Anliegen jedes einzelnen eingegangen werden. Solange es hier keine Übereinstimmungen gibt, sollten die Grundsätze und Prinzipien angepasst werden.
  • Den spezifischen individuellen Nutzen aufzeigen und kommunizieren: Die Stärke der Ethik-Charta besteht darin, dass sie es Unternehmen ermöglicht, Analyseprojekte schneller voranzutreiben. Dies funktioniert jedoch nur, wenn die Charta bekannt ist und akzeptiert wird. Ein proaktiver und nachhaltiger Kommunikationsansatz ist der Schlüssel, um die Charta intern zu sozialisieren.
    Im Rahmen der o.g. Fachtagung „Zielbild People Analytics“ im November dieses Jahres werden daher u.a. die Leitsätze für die Ethik-Charta in der Lloyds Banking Group vorgestellt und diskutiert werden.
  • Den Governance-Prozess erstellen: Die Charta-Erstellung ist kein einmaliges Gespräch, kein eintägiges Meeting oder ein Offsite. Eine wirklich effektive Charta-Erstellung ist auch ein Change-Management-Prozess.
  • Den Umsetzungsplan entwickeln: Dieser Plan grenzt an den mehrstufigen Erstellungsprozess. Er muss klare Aktionsschritte für jede Phase des WFA-Projekts enthalten.
  • Die Ethik-Charta in Handlungsfragen übersetzen: Ein Charta- und Entscheidungsmodell wird umsetzbar, wenn es getestet werden kann. Mittels spezifischer Fragen, z.B. in Anlehnung an Dirk Petersen, sollte getestet werden, ob das Projekt vereinbarten ethischen Normen entspricht:
    • Ist das geplante Projekt legal? Entspricht es der Ethik-Charta?
    • Wer erhält das Ergebnis dieser Analyse? Teilen wir dieses gerne mit Mitarbeitenden? Benötigen wir eine ausdrückliche Zustimmung zur Verwendung der Daten?
    • Gibt es eine klare Methodik für die Durchführung der Analyse? Lässt sich das einfach erklären? Wie lange müssen diese Daten/Analysen aufbewahrt werden?

Fazit

Governance bezieht sich auf die Mechanismen, Prozesse und Verfahren, nach denen WFA funktioniert. Es untermauert demzufolge alle Analysen und stellt sicher, dass die richtigen Personen die Ausrichtung vorgeben, dass die Struktur und die Verantwortung für das Management von Daten und Projekten implementiert und anwendbar sind und dass Risiken angemessen gemanagt werden.

Laut Ferrar und Green sollten v.a. sechs Stakeholder eingebunden werden: Recht/Datenschutz, IT, Arbeitnehmervertretung, HR, Führungskräfte, sowie interne Kommunikation.
Vertreter dieser Bereiche bilden das sog. People Data Governance Council. Dessen Rolle besteht darin, alle neuen Großprojekte oder Technologien zu überprüfen, Chancen und Risiken abzuwägen und auf strategischer Ebene Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist somit, Vertreter in dieses Council zu berufen, die über die Seniorität verfügen, um von der Organisation respektiert und als vertrauenswürdig eingestuft zu werden.