Zu häufig beginnt eine People Analytics-Initiative mit einer „Nabelschau“ und Überlegungen innerhalb der Personalabteilung.  Erfahrungsgemäß führt ein solches Vorgehen zu keinen nennenswerten Ergebnissen, die einen Mehrwert für geschäftspolitische Entscheidungen darstellen.

Stattdessen empfiehlt sich ein „Business first“-Ansatz. Was das konkret bedeutet und welche Maßnahmen dabei im Vordergrund stehen stelle ich in diesem Beitrag vor:

Stakeholder haben eine Schlüsselrolle

Stakeholder sind Personen, die ein spezifisches Interesse an einem Projekt oder einer Aktivität haben; das PA-Team sollte potenzielle Stakeholder berücksichtigen; es ist diesen Stakeholdern gegenüber rechenschaftspflichtig!

Die verschiedenen Arten von Stakeholdern, mit denen People Analytics (PA) wahrscheinlich zusammenarbeitet, lassen sich in drei große Kategorien einteilen:

  • Stakeholder, denen PA zuarbeitet: Personalleiter, Führungskräfte und Geschäftsführung resp. Vorstand.
  • Stakeholder, von denen PA abhängig ist: Dateneigner, Technologiebesitzer, die Rechtsfunktion, die Finanzfunktion, Fachexperten sowie Gewerkschaften und Betriebsräte.
  • Betroffene Stakeholder: Mitarbeitende, Manager und Führungskräfte.

Meines Erachtens sollte das PA-Team zuerst das Gespräch mit Vorstand resp. Geschäftsführung suchen. Guenole/Ferrar/Feinzig haben eine exzellente Übersicht an Gesprächsthemen für jeden Stakeholder-Typ erstellt. Die Unternehmensleitung ist dafür verantwortlich, die primären Ziele des Unternehmens zu erreichen. Vorstand und Geschäftsführung sind bereit, über ihre Herausforderungen, Chancen, Überzeugungen und Meinungen zu sprechen und darzulegen, was mit Blick auf Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit, etc. getan werden sollte.

Anschließend fasst das PA-Team seine Erkenntnisse in einer Stakeholder Map zusammen. Diese bildet die vielschichtigen Beziehungen von Stakeholdern und einem Sachverhalt sowie der Stakeholder untereinander ab.

Ferrar und Green gehen darauf in mehreren Case Studies ein (Piyush Mathur, Johnson & Johnson; Madhura Chakrabarti, Syngenta).  Daraus abgeleitete Merksätze:

  • Einsicht ohne Ergebnis ist einfach nur Overhead.
  • Der beste Weg, um zu verstehen, wie Mehrwert generiert werden kann, ist, Stakeholder resp. Führungskräfte zu treffen.

Fokussierung ist entscheidend

Mit gutem Grund steht die Disziplin der Fokussierung am Anfang einer jeden Strategieumsetzung. Hiermit begegnet man der Gefahr, sich zu verzetteln und die Ressourcen auf zu viele „Baustellen“ zu verteilen. Nur mit fokussierter Arbeit können verwertbare Geschäftsergebnisse erzielt werden!

Ein wirkungsvolles Instrument zur Priorisierung und Fokussierung ist die sog. Complexity-Impact Matrix. Ein Projekt mit mittlerer bis hoher Wirkung (Impact) zu liefern, ist am sinnvollsten. Ein Projekt, das keine zumindest moderaten Auswirkungen hat, wird wahrscheinlich unbemerkt bleiben. Ein Projekt mit geringer bis mittlerer Komplexität (Complexity) ist ebenfalls ein guter Kandidat. Hochkomplexe Projekte brauchen mehr Zeit, und Stakeholder könnten sich am Ende fragen, warum das Projekt so lange dauert. Das Zielportfolio ist damit klar.

Beim Rating der Komplexität spielen Faktoren wie Unternehmenspolitik, Kompetenzen, Verfügbarkeit und Qualität der Daten, Verfügbarkeit notwendiger Technologie und Umsetzbarkeit der Analyticslösung eine Rolle. Bei der Wirkung sind es Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie, RoI, Timing, Opportunitätskosten und Nutzen für die Belegschaft.

Entlang dieser Matrix sollte mit einem Quick Win – geringe bis mittlere Komplexität und mittlere bis hohe Wirkung – begonnen werden. Dieses Projekt ist eines, von dem Sie sich sicher sind, dass Sie es in einem angemessenen Zeitraum und mit greifbaren Ergebnissen abliefern können.

Mit zweiter Priorität schlage ich entlang dieser Matrix ein Big Bet vor – hohe Komplexität und hohe Wirkung. Ein solches Projekt erfordert in der Regel eine erhebliche Investition von Zeit und Geld sowie erhebliches Sponsoring.

PA muss seine Ambitionen definieren

Der skizzierte Priorisierungsprozess, in den Stakeholder eng eingebunden sind, hat für das PA-Team mehrere Vorteile:

  • Es ist der objektivste Weg, um die Aufgaben mit der höchsten Wirkung auszuwählen.
  • Mit Hilfe identifizierter Quick Wins und Big Bets kann ein valider Investment Case für Fähigkeiten, Technologie oder Daten erstellt werden.
  • Das fokussierte Vorgehen entlang 4DX, OKR, etc. ermöglicht eine produktive, evidenzbasierte Konversation.

Neben der Ethik-Charta, auf die ich bereits eingegangen bin, sind folgende Schritte notwendig, um die Richtung für PA vorzugeben und den Anspruch zu definieren:

  • Halten Sie als PA-Verantwortliche:r inne, hören Sie zu und denken Sie nach, bevor Sie in Ihr erstes Analytics-Projekt eintauchen.
  • Sprechen Sie mit der Person, die Sie ernannt hat, und/oder dem CHRO, um den Umfang Ihrer Rolle zu klären.
  • Identifizieren Sie potenzielle Projektsponsoren für Interviews und diskutieren Sie über geschäftliche Herausforderungen.
  • Identifizieren Sie, welche der „Seven Forces of Demand“ – Wettbewerbsvorteil, Top-Down, Regulatorik, betriebliche Effizienz, Kostendruck, humanistische Anliegen, HR für HR – den primären Analysebedarf in Ihrem Unternehmen antreiben.
  • Beschreiben Sie in einem einprägsamen Vision Statement die gewünschten zukünftigen Auswirkungen Ihrer Funktion auf die Organisation.
  • Beschreiben Sie in einem einprägsamen Mission Statement Ihre Ziele und wie Sie diese angehen werden.
  • Schreiben Sie kurze, einfache Leitsätze bzw. Prinzipien, um das Team zu führen.
  • Verwenden Sie die Vision und die Mission, um die Identität Ihrer Funktion an Ihr Team und die gesamte Organisation zu kommunizieren.
  • Entwickeln Sie ein Symbol oder Logo, das die PA-Funktion auszeichnet und ihre Präsenz definiert.

Fazit

„Business first“ bedeutet, Stakeholdern aus der Wirtschaft zuzuhören und sich bei allem Tun auf die geschäftsrelevanten Ergebnisse zu konzentrieren; Ferrar fasst es so zusammen: (1) Arbeiten Sie mit den Führungskräften im Unternehmen zusammen, (2) verstehen Sie deren geschäftlichen Ziele, Bestrebungen und Herausforderungen, (3) erfahren Sie mehr über ihre Prioritäten, und (4) besprechen Sie, wie People Analytics ihnen helfen kann, ihre Ziele zu erreichen.

Die Complexity-Impact Matrix ist ein Priorisierungsrahmen, der es einem People Analytics-Team ermöglicht, jede Initiative danach zu bewerten, wie viel Wert die Initiative bringen wird und wie schwierig oder komplex die Umsetzung sein wird. Initiativen werden dann auf einem Quadranten aufgetragen und entsprechend priorisiert. Die Fokussierung umfasst also: (1) Erstellen Sie ein dynamisches und flexibles Projektpriorisierungsmodell, (2) definieren Sie transparente Kriterien für die Projektpriorisierung, (3) beziehen Sie möglichst viele Führungskräfte in die Diskussionen über Prioritäten ein, indem Sie diese Kriterien und einen datenbasierten Ansatz verwenden, und (4) achten Sie darauf, Quick Wins und Big Bets zu priorisieren; beginnen Sie mit Quick Wins!

Ambition bedeutet, dass selbst ein relativ kleines People Analytics-Team einen erheblichen Wert für die Organisation bieten kann. Konkret: (1) Verstehen Sie die Ambitionen, die das People Analytics-Team als Einzelpersonen und kollektiv hat, (2) finden Sie heraus, wie mutig Sie  mit Analytics sein wollen, (3)  setzen Sie sich ein klares Ziel und eine Mission, um die Ambition zu erreichen, und (4) erstellen Sie eine Marke für die Funktion.