Workforce Analytics (WFA) wird als potenziell wertvoll für die Entscheidungsfindung von Führungskräften und Personalleitern in Bezug auf Human- und Organisationskapital angesehen; dies nicht zuletzt deshalb, weil damit Intuition und Erfahrung durch Evidenz resp. Beweise ergänzt werden. Grundsätzlich richtig, aber …!

Eine der Gefahren besteht darin, dass es zu einer weiteren Modeerscheinung für das Management wird, da WFA zu oft einen „Inside-Out“-, HR-zentrierten und akademischen Ansatz verfolgt, der von einem vom Unternehmen entfernten Center-of-Expertise (CoE) gesteuert wird. Es ist eine Verlagerung hin zu einem „Outside-In“-Ansatz mit Schwerpunkt auf umsetzbare, aussagekräftige Analysen erforderlich! Mit Hilfe der Technologie ist es möglich, HR-Analysen aus der grundsätzlichen HR-Verantwortlichkeit herauszulösen und Teil bestehender End-to-End-Business-Analysen zu werden, bei denen die Humanressourcen nur ein Element in den analysierten Wertschöpfungsketten sind. Dies führt unter Umständen zu geschäftsrelevanteren Ergebnissen und wirkungsvolleren Interventionen. Die Frage ist also berechtigt:

Ist WFA eine Modeerscheinung?

Rasmussen und Ulrich setzen sich in ihrem Beitrag „Learning from practice: How HR analytics avoids being a management fad“ intensiv mit dieser Frage auseinander und heben fünf mögliche Stolperfallen hervor:

  • Mangel an Analytics über WFA.
  • Datenfetischismus: mehr Daten bedingen bessere Analysen.
  • Akademische Denkweise in einem konkreten Geschäftskontext.
  • WFA wird von einem HR CoE betrieben.
  • Ein journalistischer Ansatz für WFA: die Story ist quasi schon vorgegeben.

Das Kreieren neuer Begrifflichkeiten ist dabei ebenso wenig zielführend wie das ständige Entwickeln neuer Ideen und insolierter Konzepte. Damit WFA keine Modeerscheinung ist braucht es valide Grundlagen, klare Leitfragen und Stoßrichtungen, sowie mehr Analytics über WFA. Und dies bringt mich auch schon zur nächsten Frage:

Welchen Einfluss hat WFA auf Unternehmensergebnisse?

Diverse Forschungsergebnisse der letzten ca. 18 Monate – hierzu zähle ich auch die Publikation „Victory Through Organization: Why the War for Talent is Failing Your Company and What You Can Do About It“ – tragen zu einer positiv-nüchternen Einschätzung bei. Hier ein Auszug – zunächst bezogen auf die Stakeholder von HR:

  • Wenn HR-Abteilungen als integrierte Organisationen fungieren, dann haben sie im Vergleich zu den Kompetenzen einzelner HR-Fachkräfte ungefähr den vierfachen Einfluss auf die Geschäftsleistung.
  • HR als Organisation schafft für externe Kunden mehr als den doppelten Wert im Vergleich zu kompetenten HR-Fachkräften als Einzelpersonen.
  • Der Einfluss der Personalabteilung auf die Wertschöpfung für Investoren und Eigentümer ist weit über dreimal so hoch wie der einzelner HR-Talente.
  • HR als Organisation hat ungefähr die doppelte Auswirkung auf Gemeinden und Aufsichtsbehörden als individuelle Talente.
  • Der Wert, den HR-Organisationen für Vorgesetzte schaffen, ist viermal höher als der von HR-Mitarbeitern.

Mit Blick auf organisatorische Fähigkeiten – vgl. Ulrich, Ray/Abelund Aktivitäten der HR-Abteilung (Information Management, Integrierte HR-Praktiken – inkl. Strategie und Kultur, Mitarbeiterleistung in HR, WFA) muss nüchtern festgehalten werden: WFA hat Stand heute einen relativ geringen Einfluss sowohl auf die kurzfristige Geschäftsentwicklung (17,3 %) als auch auf den Mehrwert für Stakeholder (zwischen 13,2 % und 31 %); wissend, dass WFA bisher auf moderatem Niveau praktiziert wird, nämlich mit Fokus auf Effizienz und unter Einbindung von Scorecards und ersten Erkenntnissen (niedrige Reifegrade, Rückblick auf die Tagung 2018),

Implikationen dieser Erkenntnisse

Die Evidenz zu WFA legt nahe, dass WFA die in Aussicht gestellten oder gewünschten Auswirkungen für HR-Experten oder HR-Abteilungen – um es vorsichtig zu formulieren – noch nicht vollständig erreicht hat. HR-Experten, die Analytics betreiben, werden bislang nicht als effektiver wahrgenommen, bieten den Stakeholdern keinen höheren Mehrwert an und bewirken keine größeren geschäftliche Entwicklungen. Wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel.

Was ist also zu tun?

  1. Analytics ist wichtig. Niemand kann die Bedeutung von Genauigkeit und Analyse zur Verbesserung der Entscheidungsfindung leugnen. Es ist selbstverständlich, dass Entscheidungen, die mehr auf Beweisen als auf Intuition beruhen, mit größerer Wahrscheinlichkeit wirksam sind. Also dranbleiben!
  2. Konzentrieren Sie Ihre Analysen auf die richtigen Themen. In der Statistik liegt ein Fehler vom Typ 3 vor, wenn die falschen Themen untersucht oder vereinbart werden. Das Vorgehen folgt i.d.R. dem Analytics Continuum entlang HR-Scorecards, HR-Einsichten und -Erkenntnissen, HR-Interventionen, sowie Geschäftsauswirkungen. Ein Großteil der Analytik mit geringen Auswirkung wird in den ersten Phasen durchgeführt, in denen HR Scorecards und/oder Erkenntnisse und Einsichten auf Basis von Big Data erstellt werden – statistischer Fehler des Typs 3!  Diese Analysen beginnen nicht mit oder beziehen sich explizit nicht auf geschäftliche Auswirkungen. Jede Beurteilung einer Personalabteilung sollte daher mit einem Geschäftsergebnis beginnen und dessen Auswirkungen auf dieses aufzeigen (z. B. Kunden-, Investoren-, Community-Wert- oder Geschäftsergebnis; vgl. HCA Eco System, Eight Step Model).
  3. Steuern Sie die Erwartungshaltungen. Vielleicht stehen sich HR-Experten, die traditionell als nicht analytisch oder evidenzbasiert eingestuft werden, beim Thema Analytics mit Blick für geschäftliche Auswirkungen selbst im Weg. HR-Experten müssen daher die Erwartungsprobleme überwinden, indem sie ihre Arbeit noch besser mit den Geschäftsergebnissen verknüpfen.
  4. Aufbau von Analysen zu früheren Forschungsergebnissen. WFA ist nicht neu, HR-Forschung ist über 50 Jahre alt. Hunderte Studien belegen die Auswirkungen von HR auf viele individuelle und geschäftliche Ergebnisse. Die Wissenschaft macht keine Fortschritte bei isolierten Studien, sondern bei einer Reihe von Studien, die aufeinander aufbauen, um genauere und fundiertere Erkenntnisse zu gewinnen. In HR bauen Studien zu selten auf früheren Arbeiten auf. HR-Analysen sind zu häufig isolierte Ereignisse als kumulative Bausteine.

Die nachfolgende Abbildung von Dave Ulrich fasst zusammen, wohin die Entwicklung im Thema WFA gehen sollte, um seinen Einfluss sowohl auf die kurzfristige Geschäftsentwicklung als auch auf den Mehrwert für Stakeholder zu steigern.

Fazit

Damit sich WFA von einem Quick-Fix zu einer nachhaltigen Wirkung entwickeln kann, muss sich die Personalabteilung auf die richtigen Themen konzentrieren. Nachhaltigkeit entsteht, wenn es bei HR nicht um HR geht, sondern um die Auswirkungen auf Stakeholder und Unternehmen, und wenn jede einzelne Studie zu einem Puzzleteil eines größeren HR-Mosaiks wird.

Folgende Fragen können Ihnen helfen, ihre Bemühungen und Aktivitäten in die richtige Richtung zu lenken:

  1. Beginnen Sie mit wichtigen Geschäftsergebnissen (z. B. Kunden- und Finanzergebnissen) und nicht mit HR-Aktivitäten?
  2. Messen Sie die Auswirkungen der Bündelung von HR-Praktiken (z. B. werden in jeder HR-Praxis die gleichen Themen hervorgehoben)?
  3. Setzen Sie empirische Erkenntnisse in Handlungen um?
  4. Zeigen Sie eine Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen HR-Investitionen und wichtigen Geschäftsergebnissen auf?
  5. Prognostizieren Sie, was in Zukunft passieren könnte, anstatt über vergangene Ereignisse zu berichten?
  6. Verwenden Sie Daten, um fundiertere Entscheidungen zu treffen?
  7. Verbinden Sie HR-bezogene Daten (rund um Talent, Führung und Organisation) mit anderen Geschäftsdaten?
  8. Nutzen Sie Erkenntnisse aus unstrukturierten oder qualitativen Daten sowie aus strukturierten oder quantitativen Daten?
  9. Verwenden Sie Daten, um die Verantwortlichkeit (i.S.v. Accountability!) sicherzustellen?
  10. Halten Sie Berichts-Dashboards einfach und benutzerfreundlich und haben das Analytics Continuum im Blick?