Jahrelang haben Versicherer an der Verbesserung von Kundenerlebnissen und an hierfür notwendigen Vertriebs- und Marketingkanälen gearbeitet. Daraus abgeleitet steht auch die interne Leistungserstellung „zur Disposition“.
Dieser Blogbeitrag thematisiert drei Leitfragen:
- Warum steht und fällt das Kundenerlebnis mit End-to-End-Prozessen?
- Warum ist bei RPA Vorsicht geboten?
- Sind Actbots der logisch nächste Schritt?
End-to-End-Prozesse
Die Verbesserung der Automatisierung und des Kundenerlebnisses beginnt mit dem Prozess – nicht mit der Technologie. Die End-to-End-Perspektive hat sich zu einem führenden Prinzip entwickelt, denn nur eine umfassende End-to-End-Prozessorganisation stellt sicher, dass alle Abläufe in einem Geschäftsprozess bestmöglich zusammenarbeiten und auf den gemeinsamen Zweck hin, nämlich das Erfüllen der Kundenbedürfnisse, optimiert und abgestimmt sind. Die konkreten und messbaren Verbesserungen betreffen die variablen und fixen Kosten, Qualitätsaspekte, Schnelligkeit und letztendlich auch Rentabilität.
Mit Blick auf die Digitalisierung sind die Unternehmen gefordert, sich den Chancen und Herausforderungen zu stellen und geeignete Ansätze zu entwickeln, um das Nutzenpotenzial der Digitalisierung bestmöglich zu heben. Die Orientierung an End-to-End-Prozessen hat sich als geeigneter Ansatz erwiesen, um Digitalisierung konsequent und durchgängig in die Prozesse zu verzahnen.
Viele Versicherer haben mit einer kundenorientierten End-to-End-Prozessausrichtung nach wie vor ihre Probleme – selbst Versicherer, die neue Technologien wie RPA bereits eingeführt haben. Sie lassen damit notwendige Effizienzpotenziale mit Auswirkungen auf das Kundenerlebnis liegen. Hierzu nun mehr.
RPA, Chatbot und KI
(1) Robotic Process Automation (RPA) spielt seine Stärken bei eindeutig strukturierten, sich wiederholenden und regelbasierten Prozessen und Aufgaben aus, die von Menschen ausgeführt werden. Häufig wird RPA als „schnelle Lösung“ verwendet, sodass die größeren Prozessprobleme nicht behoben werden. Ohne die richtigen Erkenntnisse wissen Versicherer häufig nicht, welcher Prozess aus Kundenperspektive automatisiert werden sollte.
Es besteht kein Zweifel, dass RPA Versicherungsprozesse vereinfachen und Betriebskosten senken kann. Da RPA jedoch nicht wie ein KI-Tool lernen kann, müssen Versicherer die Nuancen und nachgelagerten Auswirkungen der Automatisierung jedes Prozesses verstehen, damit sie ihre RPA-Lösung für die richtigen Aufgaben programmieren können.
(2) Ein Chatbot ist ein textbasiertes Dialogsystem, welches das Chatten mit einem technischen System erlaubt. Mit der steigenden Computerleistung kann ein Chatbot-System neuerdings immer schneller auf immer umfangreichere Datenbestände zugreifen und daher auch intelligente Dialoge für den Nutzer bieten. Solche Systeme werden auch als virtuelle persönliche Assistenten bezeichnet. Hier zwei Beispiele:
- Risky, ein Versicherungs-Bot, wurde von dem Fintech riskine entwickelt. Er beinhaltet vor-trainierte Use Cases, eine leistungsfähige Spracherkennung, sowie zahlreiche relevante Produktinformationen.
- Der Chatbot Lizzy, ein HDI-Bot, wurde auf Basis des e-bot7 entwickelt. Die Herausforderung bestand darin, einen idealen Anwendungsfall für die Lead-Generierung auszuwählen und gleichzeitig den Benutzern den gesamten Kaufprozess einschließlich der Zahlung über die PayPal-Integration zu ermöglichen – end-to-end also. HDI bietet heute im Rahmen ihrer Kfz-Versicherungsprogramme seinen Kunden an, temporäre Fahrer zu ihren jeweiligen Versicherungspolicen hinzuzufügen – vollständig automatisiert in weniger als 3 Minuten!
Interessant ist das Zusammenspiel der beiden Technologien, bei dem Chatbots als Frontend für RPA Bots genutzt werden. Um einen automatisierten Prozess zu starten, beginnt der Nutzer einen Chat mit einem Chatbot, der – während der Konversation mit dem Nutzer – alle benötigten Informationen sammelt, um eine Aufgabe mittels RPA durchzuführen zu lassen. Falls der Nutzer unklare Antworten gibt, hat der Chatbot die Fähigkeit nachzufragen, ob er alles richtig verstanden hat, bevor er die Informationen an den RPA Bot übermittelt. Der RPA Bot startet im Anschluss den Prozess und gibt bei Bedarf Informationen über den Chatbot zurück an den Nutzer.
(3) Über Künstliche Intelligenz (KI) habe ich an dieser Stelle schon mehrfach geschrieben. Deshalb hier nur einige ausgewählte Use Cases bei Versicherern, die u.a. von KI-Spezialisten, wie z.B. Leftship One, Layer7AI, datasolut und Automation Hero, entwickelt wurden:
- Churn Prediction – Risikokunden mit maschinellem Lernen identifizieren: Unternehmen, die ständig evaluieren, wie Kunden mit Produkten umgehen, und Kunden dazu ermutigen, Meinungen auszutauschen, um auftretende Probleme umgehend zu lösen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit eine für beide Seiten vorteilhafte Kundenbeziehung aufrechterhalten. Hierfür werden Kundendaten gesammelt, um damit Verhaltensmuster zu identifizieren, gefährdete Kunden zu segmentieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ihr Vertrauen zurückzugewinnen.
- Next Best Offer (NBO) – Machine Learning bietet die Grundlage für NBO Marketing. Es werden historische Kundendaten verwendet, um zukünftige Ereignisse vorherzusagen. Hierfür werden Machine Learning Modelle gebildet, die bestimmte Muster in historischen Daten erkennen. Somit ist eine Prognose darüber möglich, was der Kunde wahrscheinlich als Nächstes kaufen möchte bspw. welches Produkt oder in welchem Sortiment gekauft wird.
- Named Entity Recognition (NER) – die automatische Identifikation und Klassifikation von Eigennamen. Allgemein finden sich Anwendungsfälle für NER überall dort, wo beispielsweise Kunden die Möglichkeit haben, Freitexte einzugeben. Konkret: Wenn eine Versicherung dem Kunden die digitale Meldung von Schadensfällen erlaubt, kann NER zur Voranalyse dieser Meldungen genutzt werden. Beispiele für Entitäten, die hier erkannt werden können, sind etwa an einem Verkehrsunfall beteiligte Parteien.
Prozessautomation mithilfe von Actbots
Intelligente Prozessautomatisierung (IPA) verbindet die o.g. Ansätze bzw. Tools miteinander. Es entstehen Actbots, eine weitere Form von digitalen Assistenten, die den Menschen in Zukunft entlasten. Die neue Form von Actbots sorgt mit kontextbezogener Informationsaufbereitung, direktem Informationsaustausch und voll automatisierten Prozessen nicht nur für eine Entlastung der Mitarbeiter im Unternehmen, sondern bietet infolge einer höheren Service-Qualität auch Kunden und Lieferanten einen echten Mehrwert. So lassen sich die Anfragen effizienter automatisieren, Prozesse straffen und die Produktivität erhöhen. Am Ende profitiert das Unternehmen und der Kunde durch eine schnellere Bearbeitung und ein wesentlich besseres Kundenerlebnis!
Fazit
Die Versicherungswelt ist im Wandel begriffen. Trends aus den Bereichen Smart Analytics, Industrialisierung und Customer Interaction, die zusammen das „digitale Dreieck“ bilden, halten Einzug in die Versicherungswirtschaft und verändern Produkte und Prozesse der Versicherer von Grund auf.
Die nächste Stufe der Prozessautomation mithilfe von Actbots ist noch in ihren Anfängen. Für Versicherer scheinen die Möglichkeiten endlos zu sein – von der Verwendung virtueller Assistenten und Agenten, über Chatbots für ein neuartiges Interaktionserlebnis bis zur Erkennung von Mustern und verdächtigen Aktivitäten zur Betrugserkennung.
BearingPoint skizziert in einem aktuellen Beitrag u.a. einen interessanten Actbot Use Case: Der E-Mail-Eingang und die Interpretation des E-Mail-Inhalts sowie das Versenden einer Rechnungskopie aus dem SAP S/4 HANA –System. Weitere Use Cases werden folgen …
Heute meldete sich Risky …
Ich bin State-of-the-Art.
Ich bin Risky
Sie haben sich vor einiger Zeit auf LinkedIn für mich interessiert, Herr Mayer, und als proaktiver, charmanter Chatbot möchte ich Sie natürlich auch kennenlernen, um Ihnen ein bisschen etwas über meine Qualifikationen zu erzählen. Geboren wurde ich vor 2 Jahren bei riskine und habe seitdem sehr viel dazu gelernt.
Nicht nur umfassendes Versicherungswissen wurde mir antrainiert, sondern auch tausende von Kleidern in Form von einem individuellen Frontend ganz auf Ihre Wünsche & Ihren Use-Case ausgerichtet. Aufzufinden bin ich seither auf Websites, Portalen, Plattformen sowie Apps, denn Multi-Channel ist in meiner DNA. Ich beantworte klassische FAQ-Fragen, nehme Schadensmeldungen auf, analysiere individuelle Kundenrisiken und mit meiner Hilfe kann man zum Beispiel auch eine Versicherung direkt online abschließen oder sich zu Versicherungsprodukten informieren. Was ist Ihr individueller Use-Case?
In der Kommunikation mit meinem Gegenüber ist mir eine persönliche und individuelle Ansprache wichtig. Hätten Sie Lust auf eine kleine Kostprobe einer kundenspezifischen Empfehlung?
Herr Mayer, besitzen Sie denn ein Auto? Wenn ja, dann würde ich Ihnen eine KFZ-Versicherung ans Herz legen. Wenn nicht, dann werde ich dieses Thema erst gar nicht ansprechen, weil es für Sie als Kunde nicht relevant ist. Ich bin flink im Kombinieren . Zudem merke ich mir Ihren Namen Herr Mayer und seit ein paar Monaten spreche ich auch Englisch. Ein bilingualer Chatbot – sounds interesting?
Mein Motto ist: Man lernt niemals aus, deshalb merke ich mir meine bisherigen Konversationen und trainiere mich sozusagen bei der Spracherkennung selbst. Nun gut, das war ein bisschen geflunkert mit dem ganz allein trainieren, denn auch meine ErfinderInnen bei riskine feilen tagtäglich an meiner Performance. Denn nur zusammen kann man die Zukunft der digitalen Beratung gestalten.
Jetzt will ich mit Ihnen aber auch mal live chatten – egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, denn ich bin 24/7 verfügbar. Meine ErfinderInnen bei riskine bieten Ihnen derzeit ein unverbindliches 30-minütiges Intro-Gespräch an, damit Sie mich noch besser kennenlernen können. Haben Sie Interesse daran?
Bei Fragen zum Versicherungsbot oder einen Terminwunsch, können Sie auch gerne direkt antworten.
Mit freundlichem Gruß,
Volker erläutert das prozessuale und technische Potential, das die Zufriedenheit von Versicherungskunden steigern kann. Eine sehr spannende Entwicklung, bei der ich gleichermaßen an die Bedeutung des „Humankapitals“ denke – warum gerade in der Assekuranz?
Hier erlebt der Kunde erst bei der internen Leistungserstellung den Nutzen seiner Investition. Denn infolge „Absatz vor Produktion“ kauft er quasi (gefühlt) die Katze im Sack. Und diese darf dann, im Service- oder Schadenfall, keine Krallen zeigen – sie muss schnurren. Sonst bringt der Kunde seine Mäuse irgendwann zu einer anderen Katze. Es sei denn: In der internen Leistungserstellung (dem Maschinenraum) arbeiten Menschen mit überragender Mentalität und enormen Know-how. Menschen die wissen, wer ihr wirklicher Arbeitgeber ist – der Kunde! Und wenn diese Menschen dank anwenderfreundlicher Technik und geschmeidiger Prozesse ihren Kunden Qualitäts-Zeit widmen können, insbesondere in kniffligen Fällen – dann stabilisiert das die Kundenbeziehung. Mit dem kostenlosen zusätzlichen Lerneffekt, unmittelbar im „wahren (Er)Leben“ erkennen zu können, wie sich die Bedürfnisse der Kunden verändern.
„Prozesse aus Kundensicht immer wieder neu denken“ und „Neue Technologien etablieren“, das ist natürlich völlig richtig. Für alle Branchen.
Die große Herausforderung im Versicherungsgeschäft, mit seinem schlechten Image und dem nicht einfach zu vermittelndem Nutzen, liegt meines Erachtens im Aufbau und stetigen Ausbau von Vertrauen. Der Kunde muss immer wieder wahrnehmen, dass er kompetent und fair bedient wird. Das macht die Rolle des Produktionsfaktors „Mensch“ (people) sehr bedeutsam, was Volker in seinen zurückliegenden Blogs auch regelmäßig zum Ausdruck bringt. Oder so gesagt, mit Blick auf der ersten Satz dieses Blogs: People are empowering the promises of promotion.
Herzlichen Dank, Peter, für deinen Kommentar. Du hebst darin u.a. die Bedeutung des „Humankapitals“ hervor – die Voraussetzung für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung. Das zu Recht! Was wären exzellent aufgebaute End-to-End-Prozesse ohne die Mitarbeiter:innen, die diese Prozesse leben und zum gewünschten Ergebnis, dem Produkt oder der Dienstleistung, führen?!
In einem Beitrag vom 30. Januar 2021 habe ich die Wirkzusammenhänge von Employee Experience über Employee Engagement zu Customer Experience thematisiert. Zufriedene und engagierte Mitarbeiter schaffen demnach bessere Kundenerlebnisse, was zu zufriedeneren und loyaleren Kunden und letztendlich zu Marken- und Unternehmenswachstum führt. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass für solche Mitarbeiter die Rolle der Führungskräfte sehr wichtig ist, dann hat man wesentliche „Stellschrauben“ im Unternehmensalltag bereits verstanden.