Vor ca. einem Jahr hat das BMI Lab einen sehr interessanten Blogbeitrag gepostet. Diesen möchten wir nachfolgend in Auszügen wiedergeben.

Ein Geschäftsmodell besteht aus vier Dimensionen:

  1. (WER) ist der Zielkunde und was braucht er/sie,
  2. (WAS) ist der Wertbeitrag und mit Hilfe welcher Produkte und Dienstleistungen wird dieser generiert,
  3. (WIE) wird das Wertversprechen geliefert und
  4. (WARUM) ist das Geschäftsmodell profitabel?

Wichtige Kriterien für die WER-Dimension sind beispielsweise das Marktwachstum, die Relevanz des Kundenproblems oder -bedarfs, sowie die strategische Bedeutung des anvisierten Kundensegments für das Unternehmen. Bewertungskriterien für die WAS-Dimension sind neben dem Mehrwert an sich auch Aspekte wie die Skalierung oder das Weiterentwicklungspotential der angebotenen Produkte/Dienstleistungen. Die Reife der eingesetzten Technologie, vorhandene Synergieeffekte und der Eigenanteil des Kunden an der Wertschöpfung sind Kriterien für die WIE-Dimension. Die Zahlungsbereitschaft des Kunden und die notwendigen Investitionen zur Markteinführung der Idee sind Kriterien für die WARUM-Dimension.

Ideen für digitale Geschäftsmodelle haben typischerweise ein höheres Skalierungspotenzial und eine breitere Palette von Zahlungsmodellen, die von den Kunden akzeptiert werden. Für Unternehmen, die IT nicht als ihre Kernkompetenz betrachten, sind hochdigitalisierte Lösungen jedoch oft mit zusätzlichen organisatorischen Herausforderungen verbunden. Im Fokus stehen Dienstleistungen statt Produktverkäufe. Dies erfordert die Akzeptanz längerer Umsetzungszeiten, eine erhöhte Veränderungsbereitschaft im Top-Management und darüber hinaus oft eine Anpassung der Unternehmenskultur und der Mitarbeiterfähigkeiten.

Der Ansatz: Annahmebasierte Geschäftsmodellentwicklung

Im nächsten Schritt geht es darum, die ausgewählten Geschäftsmodellideen möglichst effektiv und schnell zu validieren. Für viele Unternehmen ist die zugrunde liegende Unsicherheit neuer Geschäftsmodellideen der Hauptunterschied zu ihrer üblichen Geschäftstätigkeit. Da die Ideen oft außerhalb des Kernmarktes des Unternehmens liegen, müssen zur Umsetzung der Ideen neue Kundensegmente oder bestehende Kunden auf andere Weise gewonnen werden. Dadurch werden Unternehmen mit Herausforderungen konfrontiert, für die sie wenig oder keine Erfahrung haben und für die verlässliche Prognosen nur schwer oder gar nicht möglich sind.

Ein bewährter Weg, Geschäftsmodelle in einem solchen Umfeld systematisch zu validieren und zu implementieren, ist die sogenannte annahmebasierte Geschäftsmodellentwicklung. Dieser Ansatz reduziert die inhärente Unsicherheit des Geschäftsmodells, indem er bei jedem Schritt die kritischsten Annahmen überprüft. Der iterative Prozess wird mit geringstmöglichem Zeit- und Ressourcenaufwand durchgeführt und ermöglicht es, das Konzept an das Gelernte anzupassen oder im Zweifelsfall frühzeitig zu stoppen. Diese Annahmen betreffen beispielsweise interne Aspekte wie die technische Machbarkeit der Lösung, die benötigten Ressourcen, die Implementierungszeiten oder die verfügbaren Fähigkeiten. Die wichtigsten Annahmen in den frühen Entwicklungsstadien betreffen jedoch immer den Kunden. Der Ansatz lässt sich nach den wichtigsten Meilensteinen für die Umsetzung in 5 Schritte unterteilen. Mit jedem Schritt wird die Unsicherheit reduziert, das Unternehmen lernt dazu, passt das Geschäftsmodell an und entscheidet letztendlich bei jedem Schritt, ob es sich lohnt, die Idee weiterzuverfolgen oder nicht.

Schritt 1: Problem/Lösungs-Fit

Der erste Schritt nach der Detaillierung einer Geschäftsmodellidee ist der sogenannte Problem/Lösungs-Fit. Hier werden die angenommenen Probleme und Bedürfnisse des Kunden validiert. Darüber hinaus ermöglicht die frühe Kundeninteraktion zu bewerten, ob die vorgestellte Lösung die Bedürfnisse befriedigen oder die Probleme lösen kann und ob der Kunde daran interessiert ist, mehr darüber zu erfahren (z.B. mit Hilfe eines Value-Proposition Canvas). In dieser Phase muss sich das Unternehmen auf qualitative Aspekte konzentrieren, um möglichst viel vom Kunden zu lernen und eine passende Lösung zu entwickeln. Gleichzeitig gilt es, den Markt einzugrenzen und die Kundengruppe zu identifizieren, die das größte Problem hat und daher am meisten an der Lösung interessiert ist. Bestätigen sich die wichtigsten Annahmen nicht, hilft die Analyse der Learnings zu verstehen, warum es nicht passt und mit welchen bisher unbekannten Problemen der Kunde konfrontiert ist. Es ist wichtig zu beachten, dass der richtige Ansatz für den Erfolg dieser Phase entscheidend ist. Unternehmen müssen die Schritte entsprechend iterieren und wiederholen. Dies gilt für alle Schritte des Ansatzes. Wenn die Ergebnisse darauf hinweisen, dass die Lösung (oder auch nur eine Lösung) nicht benötigt wird, sollte das Konzept so schnell wie möglich verworfen werden. Dies ist eines der Ziele des gesamten Prozesses: schnell herausfinden, was nicht funktioniert, und weitermachen.

Schritt 2: Produkt/Markt-Fit

Nachdem die Passung zwischen Kundenproblem und Lösung validiert ist, wird in der Phase Produkt/Markt-Fit geprüft, ob die Kunden am Geschäftsmodell als Ganzes, einschließlich der Mischung aus Dienstleistungen, Produkten und seinen Funktionen, interessiert sind. Das Hauptziel besteht darin, die „Must-haves“ und die allgemeine Erwünschtheit der Lösung zu identifizieren. Dies kann nur durch Visualisierungen, Minimal Viable Products (MVPs) und direkte Kundeninteraktion erreicht werden. Entscheidend ist, das Gelernte direkt in die Lösung einfließen zu lassen und die verbesserte Version nochmals zu verifizieren.

Schritt 3: Zahlungsbereitschaft

Im dritten Schritt geht es darum, tief in das Umsatzmodell einzutauchen. Vielen Unternehmen fällt es sehr schwer, erst in diesem Schritt die Zahlungsbereitschaft der Kunden zu prüfen, da dies aus ihrer Sicht der entscheidende Aspekt ist. Letztlich ist aber das direkte Interesse des Kunden, das in den vorangegangenen Phasen geprüft wird, das bisher konkreteste Indiz dafür, dass ein profitables Geschäftsmodell entwickelt werden kann. Eine verlässliche Einschätzung der Zahlungsbereitschaft ist nur dann möglich, wenn das Leistungsversprechen und die damit verbundenen Produkt- und Serviceangebote so genau definiert sind, dass es für jeden Kunden verständlich ist. Andernfalls laufen Unternehmen Gefahr, unspezifische Genehmigungen aus früheren Phasen zu überschätzen und zu schnell zu viel zu riskieren.

Schritt 4: Wertlieferungsphase

Sobald die Zahlungsbereitschaft validiert und Pilotkunden identifiziert sind, können in der Wertlieferungsphase die benötigten Produktions- und Logistikprozesse abgebildet und entwickelt werden; zudem entschieden werden, welche Kooperationspartner notwendig sind und wie die genaue Kostenstruktur aussehen wird. Vielerorts fällt es schwer, bis zu diesem Zeitpunkt zu warten, um mit der Arbeit an dieser Dimension eines Geschäftsmodells zu beginnen. Auch hier kommt es auf das Business-as-usual an, bei dem die Optimierung der WIE-Dimension der Schlüssel zur Leistungssteigerung ist. Was wir oft sehen, ist, dass Teams versuchen zu beurteilen, wie das von ihnen erstellte Konzept in die Realität umgesetzt werden kann, was typischerweise entweder dazu führt, dass die Idee aufgegeben wird, da sie als zu schwierig gilt, oder in Eile technisch umgesetzt wird . Dabei ignorieren Unternehmen den Grundgedanken des Ansatzes, der darauf abzielt, Geschäftsmodelle schnell und kostengünstig zu testen, insbesondere in der Frühphase, in der kein validiertes Nutzenversprechen und keine klare Lösung entworfen werden: Solange die Unsicherheit hoch ist ändern sich die Konzepte häufig noch gewaltig – was wiederum die technischen Anforderungen verändert. Das übliche Ergebnis ist die Entwicklung eines Produktes oder einer Lösung, die niemand kaufen möchte.

Schritt 5: Skalierung & KPIs

Im letzten Schritt vor dem (Pilot-)Markteintritt gilt es zu ermitteln, wie der Erfolg des Geschäftsmodells tatsächlich aussieht und wie dieser gemessen werden kann. Hier reichen zwar typische Wachstums- und Finanzkennzahlen, aber aufgrund des strategischen Charakters neuer Geschäftsmodelle sind auch Aspekte wie Synergieeffekte und Skalierungspotenziale wichtige Faktoren. Zudem wird aus dem Geschäftsmodell nach diesem Schritt ein entsprechend zu managendes Produkt. So ist entweder die Übergabe an die existierende Organisation oder die Gründung einer eigenen Einheit zu planen.

Fazit: Die 5 wichtigsten Takeaways

  • Verstehen und lösen Sie zuerst die Probleme und Bedürfnisse Ihrer Kunden und denken Sie dann über die Technologie nach.
  • Ein digitales Geschäftsmodell impliziert nicht unbedingt ein rein digitales Leistungsversprechen.
  • Die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle geschieht unter großer Unsicherheit, verlassen Sie sich auf Daten und Fakten statt auf Meinungen, um sie zu reduzieren.
  • Ein schlanker Ansatz erleichtert es, das Projekt bei Bedarf abzubrechen, um eine der vielen anderen Ideen zu verfolgen.
  • Alle Beteiligten müssen die Bedeutung der Entwicklung und Erprobung neuer Geschäftsmodelle verstehen und genügend organisatorische Freiheiten schaffen, um dies zu ermöglichen.