Mit den Dimensionen eines Geschäftsmodells und wesentlichen Handlungsfeldern für Versicherer haben wir uns im ersten Teil dieser Beitragsreihe beschäftigt. Welche Rolle spielt hierbei nun die Digitale Transformation im Allgemeinen, Daten als eines der vier Kernelemente der Digitalen Transformation im Speziellen?

Vor vier Jahren habe ich den Zyklus aus digitaler Innovation, Geschäftsinnovation und schnellem Branchenwachstum vorgestellt (Schaubild; Quelle: The Conference Board). Etliche Branchen, darunter die Versicherer, befinden sich noch in Schritt 1. Parallel steigt bereits der Druck auf Produktivität und Profitabilität, deren Steigerung erst in Schritt 3 spürbar wird. Es ist also dringend Zeit, nicht nur Geschäftsmodelle allgemein zu hinterfragen, sondern insbesondere die Möglichkeiten der Digitalisierung konsequent einzubinden.

  • Was ist unter einem datengetriebenen Geschäftsmodell zu verstehen?
  • Welche Gründe sprechen für die Einführung?
  • Welche Hemmnisse sind zu überwinden?

Datengetriebene Geschäftsmodelle

Solche Modelle lassen sich zunächst als eine Folge der zunehmenden Digitalisierung und Technologisierung der Arbeitswelt begreifen und werden in naher Zukunft zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor. Im Kern spielen dabei mehrere Dinge eine Rolle:

  • Immer mehr Maschinen, Dienste und Sensoren liefern Daten und Informationen.
  • Speicher-Technologie wird immer schneller und günstiger, so dass Daten effektiv und kostengünstig gespeichert, verarbeitet und analysiert (Stichwort Analytics) werden können.
  • Die digitale Vernetzung hilft bei der Distribution der Daten, so dass sie schnell und dank der Cloud an vielen Orten verfügbar sind.

Es bedarf deshalb einer digitalen Strategie, die den Weg entlang des o.g. Zyklus´ weist. Hierfür sollten sechs grundlegende Fragen beantwortet werden:

  • Was wollen wir mit den Daten erreichen?
  • Was ist unser gewünschtes Angebot?
  • Welche Daten benötigen wir und wie werden wir sie erfassen?
  • Wie werden wir diese Daten verarbeiten und anwenden?
  • Wie werden wir es monetarisieren (Stichwort Ertragsmodell)?
  • Was sind die Hindernisse für die Erreichung unseres Ziels?

Gründe für die Einführung datengetriebener Geschäftsmodelle

Die Motivation, sich mit datengetriebenen Geschäftsmodellen nicht nur zu beschäftigen, sondern diese möglichst auch einzuführen, liegt nahe: Im Ergebnis geht es um Wachstum, Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Trotzdem kommen Stand heute die Impulse zur Einführung eines datengetriebenen Geschäftsmodells hauptsächlich von der Marktseite:

  • Reaktion auf bestimmte Kundenbedürfnisse,
  • Reaktion auf vergleichbare Produkte auf dem Markt,
  • Erweiterung des Produkt- oder Dienstleistungsangebotes um digitale Angebote, sowie
  • Schließung von Marktlücken.

Dabei kann man „niedrig-schwellig“ beginnen und entlang von drei Reifegraden vorgehen:

  1. Optimierung und Automatisierung von Prozessen, Produkten oder Services,
  2. Erweiterung bzw. Transformation bestehender Geschäftsmodelle,
  3. Neukonzeption, d.h. die Entwicklung komplett neuer Use Cases.

Wie in Teil 1 dieser Beitragsreihe bereits ausgeführt, überwiegen bei Versicherern noch Prozessoptimierungen mit dem Ziel von Kosteneinsparungen und der Verbesserung der Operational Excellence (Entwicklungsstufe 1). Selbst hierbei gibt es mit Blick auf Automatisierung (Dunkelverarbeitung) noch deutliche Steigerungspotenziale. Digitale Versicherer (Video der ONE Versicherung AG) setzen bereits auf Prozesse, die speziell für das Internet konzipiert sind. Zaghafte Vorstöße in Stufe 2 sind bei Versicherungsunternehmen zu erkennen. Ich denke dabei zum einen an die Ausrichtung von Produkten und Prozessen an sog. Customer Journeys und damit einhergehende Kundenbedürfnisse und -verhaltensweisen – auch aber nicht nur bei den Digital Natives. Zum anderen fallen mir intelligente Analyseverfahren und versicherungsspezifisch erprobte Algorithmen ein, die z.B. in der Schadenbearbeitung – teilweise unter Einbindung von Robotic Process Automation (RPA) – zum Einsatz kommen.

Hemmnisse bei der Einführung datengetriebener Geschäftsmodelle

Bei so vielen Gründen, die für datengetriebene Geschäftsmodelle sprechen, möchte man meinen, dass einer raschen Einführung nichts mehr im Weg stünde. Mit Blick auf Unternehmen der Versicherungsbranche fehlte bisher sicherlich der „sense of urgency“. Erst seit wenigen Jahren geht die Schere aus erzielten Beiträgen und angefallenen Kosten (v.a. Personal- und IT-Kosten) deutlich auseinander. Die Branche hat den Handlungsdruck nun erkannt und beginnt die Aufholjagd auf Branchen, die bereits datengetriebene Geschäftsmodelle implementiert haben. Neue Allianzen, innovative Geschäftsmodelle und branchenübergreifende Ökosysteme sind nun auch bei Versicherern im Aufbau.

Einige Hürden sind allerdings noch vorhanden, so z.B.

  • unklarer bzw. fehlender Nutzen digitaler Angebote,
  • fehlende Fachexperten,
  • Unsicherheit bzgl. der Datensicherheit mit Blick auf Abfluss von eigenem Wissen,
  • Unsicherheit aufgrund der Vorgaben zum Datenschutz, sowie
  • ungenügende Datenqualität und/oder Datenmenge.

Ein Hauptproblem derzeit ist, dass vielen Unternehmen eine Strategie zur Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle fehlt (Stichwort Digitalisierungsstrategie). Folglich sind auch häufig die Nutzenpotenziale unklar. „Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“ (Lucius Annaeus Seneca). Das in Teil 1 dieser Beitragsreihe skizzierte Canvas kann ein guter Ausgangspunkt für eine Digitalisierungsstrategie sein.

Ein chronisches, branchenübergreifendes Problem ist zudem das Fehlen von Fachexperten (in der obigen Aufzählung bereits mit aufgeführt). Während die Nachfrage nach Datenexperten (Stichwort Data Scientist) in der Zukunft tendenziell stark ansteigen wird, wird die Suche nach den richtigen Experten für die Arbeit mit Daten durch niedriges Fachkräfteangebot extrem aufwendig.

Fazit

Die digitale Transformation des eigenen Geschäftsmodells stellt für die Mehrzahl der Unternehmen derzeit noch eine große Hürde dar. Dabei sind sie nicht gezwungen, ihr bisheriges Geschäftsmodell zu verwerfen und ein neues zu implementieren, das komplett auf Daten basiert. Vielmehr stehen ihnen mehrere Optionen zur Verfügung; d.h. jedes Unternehmen sollte für sich eine passende Strategie finden, wie Daten effizienzsteigernd in das eigene Geschäftsmodell integriert werden können.

Impulse zur Einführung eines datengetriebenen Geschäftsmodells kommen v.a. von Außen; d.h. zahlreiche Unternehmen passen sich den Gegebenheiten ihres Wertschöpfungsnetzwerks an und reagieren auf Veränderungen auf den Märkten; sie sind also eher Follower. Künftig müssen Versicherer pro-aktiver die strategische Weiterentwicklung des Kerngeschäfts hin zu einem ganzheitlichen Serviceangebot im Rahmen eines Ökosystems vorantreiben.

Fehlende Digitalisierungsstrategie, zu wenig Fachkräfte mit Data-Analytics-Fähigkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen stellen die wesentliche Hemmnisse bei der Einführung datengetriebener Geschäftsmodelle dar. In Summe führt dies leider dazu, dass Versicherer große Datenaufkommen nicht konsequent nutzen.

Im nächsten Beitrag dieser Reihe gehe ich auf Versicherungen im digitalen Dreieck ein.