Im ersten Teil dieser 3-teiligen Serie bin ich vor allem auf die Strategische Personalplanung und die Differenzierung nach Zielgruppen  – Cluster in der Berufsorientierung – eingegangen. Diese Handlungsfelder können Berufsbildner in der Regel nicht direkt beeinflussen, sie stellen Inputgrössen/-faktoren für ihre Arbeit dar.

Das ändert sich nun: In diesem zweiten Teil gehe ich v.a. auf das Geschäftsmodell Berufsbildung und die operative Exzellenz ein und widme mich damit der Frage: Wie müssen wir unser Vorgehen im Betrieb ändern, um junge Menschen zu gewinnen und zu halten?

Geschäftsmodell Berufsbildung

Die Anzeichen für ein neues Geschäftsmodell mehrten sich bereits während der Fachtagung in Schloss Edesheim im Jahr 2014, also vor mittlerweile drei Jahren! Etliche Berufsbildner, Marketing- und Recruiting-Experten wagten Aussagen wie:

  • „Wir müssen mutiger werden und Dinge in Frage stellen, die wir jahrelang für gut befunden haben.“
  • „Man kann als Ausbilder nicht Neues vermitteln und nur am Alten festhalten.“
  • „Der schnellste ICE nützt nichts, wenn er auf alten Gleisen fährt.“

Im Nachgang zu dieser Fachtagung veröffentlichte ich den Beitrag „Neues Geschäftsmodell für die Berufsbildung“. Darin vertiefte ich folgende Kernaussagen:

  • die demografische Entwicklung, die grenzenlose Akademisierung und die mangelhafte Ausbildungsreife erzwingen ein grundsätzliches Umdenken in der Berufsbildung.
  • Hierfür ist ein Handlungsrahmen notwendig (vgl. Teil 1 der 3-teiligen Serie): Strategische Personalplanung und Zielgruppensegmente.
  • Im Mittelpunkt des neuen Geschäftsmodells steht die Employer Value Proposition, das Wert-/Nutzenversprechen des Arbeitgebers.
  • Als Methode zum Aufbau des Geschäftsmodells wurde das Talent Sourcing Canvas entwickelt
    [mehr].

Mit heutigem Wissen und mit Blick auf I4.0 könnte man ergänzen:

  • Die Fähigkeiten, die Auszubildende/Lernende benötigen, um in einem volatilen und sich ständig verändernden Umfeld Erfolg zu haben, werden sich verändern: Fokus auf kooperative Fähigkeiten, die Fähigkeit, aus Chaos Bedeutung abzuleiten, Agilität, sowie Selbststeuerung)
  • Lernmodule sind auf die unterschiedlichen Lerntypen – ageless learner, digital learner, global learner, returning learner, flexible learner – der jungen Generation hin auszurichten.
  • Mehrdeutigkeiten und Gegensätze – z.B. Agilität vs. Sicherheit, akademische vs. berufliche Bildung, operative vs. strategische Talentplanung – müssen „auf einen Nenner gebracht“ werden.

Durch zahlreiche Gespräche, moderierte Fachtagungen, und durchgeführte Schülerbefragungen inspiriert verfasste ich im Jahr darauf 10 kritische Erfolgsfaktoren der Berufsbildung; hierzu gehören die folgenden:

  • Viele Betriebe übernehmen zu unüberlegt „Kochrezepte“ und sog. Best-Practices anderer Unternehmen.
  • Von jungen Berufseinsteigern als homogener Gruppe auszugehen ist fahrlässig; es existieren signifikante Unterschiede nach Alter, Lebensmilieu, Region und Schultyp.
  • Die Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler privat soziale Netzwerke nutzen, bedeutet nicht automatisch, dass sie sich über diese Kanäle einen Ausbildungsplatz suchen.
  • Abhängig von berufsspezifischen Grundquoten (Anzahl grundsätzlich geeigneter Bewerber im Verhältnis zur Gesamtzahl eingehender Bewerbungen) sind unterschiedliche Auswahlverfahren, Vorgehensweisen und Filterschärfen anzuwenden. Diese Klaviatur wird von nur wenigen Unternehmen beherrscht, viele „spielen immer das gleiche Stück mit gleicher Lautstärke“.
  • Zahlreiche Unternehmen versuchen mit vorhandenen Ressourcen komplett neue Herausforderungen zu lösen; das gelingt in aller Regel nicht!

Mein Fazit an dieser Stelle lautet: Nur in Verbindung mit einem neuen Geschäftsmodell wird die Duale Bildung überleben. Es verbindet einen strategisch durchdachten Handlungsrahmen mit einer zielgerichteten Ansprache potenzieller Berufseinsteiger, richtet interne (Rekrutierungs-, Einstellungs- und Onboarding-)Prozesse und Strukturen danach aus, bindet – auf Basis marktgerechter Kostenstrukturen – externe Partner mit ein und stellt die Berufsbildung – dies ist mein Schwerpunkt im dritten und letzten Teil dieser Reihe – auf wirtschaftlich gesunde Füsse.

Operative Exzellenz in der Berufsbildung

Egal, welche CEO-Befragung Sie derzeit zur Hand nehmen, im Ergebnis geht es i.d.R. immer um eine Balance von operativer Exzellenz einerseits und Wachstum durch Innovation andererseits. Ersteres wird durch konsequente, stetige Verbesserung, einer Reduzierung der Basiskosten und einer durchgängigen Strategieimplementierung gewährleistet.

Für eine Strategie-gerichtete Implementierung ist zunächst der bereits im 1. Teil dargelegte Handlungsrahmen notwendig. Die Implementierung selbst sollte „Buy, Build, Borrow“ folgen. Es ist weder möglich noch sinnvoll, alles selbst tun zu wollen und überall „Costowner“ zu sein. Zur Reduzierung der Basiskosten trägt auch die Zielgruppenausrichtung wesentlich teil. Mit Hilfe der in Teil 1 skizzierten Berufsorientierungscluster kann der gesamte Prozess von der Ansprache, über das Marketing und Active Sourcing, das Recruiting bis hin zum Onboarding auf diese Cluster hin ausgerichtet werden. D.h.: Alle Massnahmen und Aktivitäten, die für diese Cluster unwesentlich sind, können überprüft und bestenfalls eingestellt werden!

Bleibt also die konsequente, stetige Verbesserung. Mit Hilfe unserer lernfeld-fokussierten Methodik haben wir unter dem Motto „Analytics meets Execution“ bei der STRIMacademy ein Gesamtkonzept mit insgesamt sechs Modulen aufgebaut, das einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess institutionalisiert [mehr].

Viele unserer Kunden haben daraus bereits wertvolle Erkenntnisse gewonnen und in ihre Arbeit integriert [mehr]. Über mehrere Jahre hinweg haben wir daraus die DNA klug agierender Lehrbetriebe abgeleitet, die insgesamt sieben Bestandteile hat [mehr]: Pro-aktivität, Praktika & Schnupperlehren, 2-stufiges Matching (skill match und cultural fit), Organisationsgestaltung, Einbindung von Social Media, Investitionen in Ausbilder und Recruiter, sowie Mut neue Wege zu gehen (strategisch, agil, wirtschaftlich).

Meiner Einschätzung nach hat sich die Berufsbildung als solche jedoch in den letzten ca. 20 Jahren in den Betrieben kaum verändert. Die Rahmenbedingungen, wie z.B. die Anforderungen der Betriebe und die Erwartungen der jungen Berufseinsteiger, dagegen sehr. Hier ist bereits ein Spagat entstanden. Das Erfolgsmodell der Dualen Bildung wird zu Recht hinterfragt. In unseren Projekten und wissenschaftlich begleiteten Untersuchungen stellen wir fest, dass viele Verantwortliche in der Berufsbildung versuchen, den sich verändernden Rahmenbedingungen dadurch zu begegnen, dass sie

  • abhängig von der momentanen Wirtschaftslage mehr oder weniger Auszubildende/Lernende rekrutieren, ohne die mittelfristigen Auswirkungen zu Ende zu denken und valide Prognosen transparent gegenüber der Geschäftsleitung darzulegen,
  • Massnahmen anderer Betriebe ohne vorherige Analyse einfach kopieren,
  • teilweise stur an Erfolgsfaktoren der Vergangenheit festhalten – Beispiel: Boys Day, Girls Day – ohne Zielgruppen hinreichend detailliert zu analysieren, den Erfolg konsequent zu evaluieren, Dinge auch einmal anzupassen oder ganz einzustellen und neue Wege auszuprobieren,
  • vielfach zu einseitig auf Social Media setzen, nun von Facebook zu Whatsapp wechseln, häufig keine valide Brandingstrategie zugrunde gelegt haben und zu wenig cross-medial agieren.

Ausgestattet mit einem neuen Geschäftsmodell Berufsbildung, das auch auf operative Exzellenz hin geprüft ist, gilt es nun sicherzustellen, dass nicht nur effizient, sondern auch effektiv und damit strategie-konform gearbeitet wird. Beides will man nun evaluieren: Effizienz und Effektivität; zzgl. Qualität, Risiko und Nutzen. Mehr dazu im dritten und letzten Teil.