Über das von mir im März herausgegebene Buch „Die neue Berufsausbildung – strategisch, agil, wirschaftlich“ wird engagiert diskutiert und darüber berichtet. Die Schülerstudie 2015 wurde im Juni publiziert und befindet sich seitdem ebenfalls im Handel. Die Fachtagungen dieses Jahres zum Thema „Talent Acquisition“ waren spannend, kurzweilig – und liegen leider nun auch schon wieder hinter uns.

Zeit für einen Rückblick! Zahlreichen Verantwortlichen in den Bereichen Marketing, Recruiting und Talent Management treibt es den Schweiß bereits nicht nur ins Gesicht. Ich empfehle deshalb „4×4“ statt „8×4“ – 4 Leitfragen mit jeweils 4 Unterpunkten:

  • Welche Kernaussagen fanden die größte Resonanz?
  • Welche Handlungsfelder stehen bei der Umsetzung im Vordergrund?
  • Welche dicken Bretter sind noch zu bohren?
  • Was ist mein Fazit aus den jüngsten Publikationen, Vorträgen und Gesprächen?

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Mit Talent werden Indikatoren wie Leistung, Potenzial und Verhalten assoziiert. Dem Begriff Talent Management werden alle intern und extern gerichteten Strategien, Methoden und Maßnahmen subsumiert, mit denen ein Unternehmen sicherstellt, dass die für den Geschäftserfolg kritischen Schlüsselpositionen dauerhaft mit den richtigen MitarbeiterInnen besetzt sind. Den Anfang bildet das Talent Relationship Management (kurz: TRM). Dieses soll vielversprechende externe KandidatInnen möglichst frühzeitig an ein Unternehmen binden und umfasst daher den kompletten Prozess vom Corporate & Employer Branding, über den ersten Kontakt und differenzierte Bindungsmaßnahmen bis hin zur Einstellung und zum Onboarding.

Kernaussagen

  • Es kommt nicht darauf an, alle Kanäle, die sich üblicherweise eignen, um mögliche KandidatInnen für die Aufnahme in einen „Talent-Pool“ o.ä. zu begeistern, mit allen möglichen Maßnahmen und Angeboten zu überschwemmen, sondern zielgruppenspezifisch zu selektieren, welcher Kanal sich für welche Position eignet.
  • Talent Management ist die mittelfristige Vorsorge und Planung gegen Fachkräfteengpässe an für das Unternehmen kritischen Stellen. Hierzu bedarf es einer Talentstrategie.
  • TRM muss messbar sein! Im Rahmen von Talent Analytics wird ein strategisch orientiertes Kennzahlensystem zur Evaluierung und Steuerung zur Verfügung gestellt.
  • Digital Natives unterscheiden sich in ihren Wertvorstellungen und ihren Erwartungshaltungen nicht grundlegend von ihren Eltern; Sinn bedeutet für sie v.a. Synthese traditioneller und moderner Werte.

Handlungsfelder

  • Mitunter fehlt ein klares Commitment der Unternehmensleitung – über Lippenbekenntnisse hinaus – für den pro-aktiven Ausbau eines TRM.
  • Berufsorientierungspraktika bzw. Schnupperlehren sind sehr gute Möglichkeiten zur Orientierung und Vorbereitung auf einen Beruf. Online-Berufsorientierungstests können bestenfalls unterstützend wirken.
  • Eltern und Lehrer sind die mit Abstand wichtigsten Bezugsgruppen; sie werden ihrer Verantwortung jedoch nur in Teilen gerecht. Betriebe bieten deshalb vermehrt Elterngesprächskreise an und forcieren Schulpartnerschaften und Lehrerpraktika zur Vermittlung der Berufe/-sinhalte.
  • Individualisierung und persönliche Ansprache – ausgerichtet an den individuellen Bedürfnissen der KandidatInnen – werden in ihrer Bedeutung entlang des gesamten TRM-Prozesses weiter zunehmen. Die Betriebe sind ressourcen- und prozessseitig darauf nur selten eingestellt. Sollten sie aber, denn Virtual Reality (VR) kommt bereits mit rießigen Schritten auf uns zu.

Dicke Bretter

  • Die DNA klug agierender Lehr- resp. Ausbildungsbetriebe ist bei vielen noch nicht erkennbar ausgeprägt. Sie sind reaktiv und „bestandswahrend“ unterwegs.
  • Die Auswirkungen der Digitalisierung und der Industrie 4.0 auf relevante Berufsbilder sind nur vage bekannt. Curricula sind anzupassen.
  • Die internen Daten sind bereits lückenhaft, die externen Daten schlicht ungenügend; nichts zu sehen von Big Data! Diese „Fahrt im Nebel“ ist nicht nur gefährlich, sondern grob fahrlässig.
  • Innerhalb der D-A-CH-Region ist v.a. in Deutschland ein sehr elitäres Denken und ein (ungesunder) Run auf Gymnasien und Hochschulen – unterstützt durch OECD-Richtlinien – mit allen negativen Konsequenzen festzustellen (Akademisierungswahn). Hier bedarf es eines tiefgreifenden Umdenkens bei allen Beteiligten, damit die Fehlallokation von Engpassressourcen möglichst rasch korrigiert wird.

Fazit

  • Talent (Relationship) Management ist eine Unternehmensinitiative. Die Betriebe sind die neuen Bewerber!
  • Talent Management ist nicht nur eine administrative oder organisatorische Aufgabe, sondern eine Werthaltung, die von den Akteuren gelebt wird.
  • Anstatt über die schlechte Vorbildung der KandidatInnen und hohe Kosten zu lamentieren sollten sich Betriebe mit den Rahmenbedingungen anfreunden und klug agieren, anstatt nur zu reagieren. Als Grundlage empfehle ich den Talent Sourcing Canvas, ein Werkzeug zur Geschäftsmodellierung für die Berufsausbildung.
  • Die Karriere-Website ist und bleibt der wichtigste Informationskanal für Betriebe. Daran ändern auch soziale Netzwerke nichts, die allmählich in ihrer Bedeutung nüchterner eingeschätzt und in den TRM-Prozess sinnvoller integriert werden.

 

Was ist nun Ihre Meinung?

  • Welcher der obigen Aussagen stimmen Sie zu?
  • Welcher Aussage stimmen Sie nicht oder nur eingeschränkt zu? Warum?
  • Welche zusätzlichen Aussagen würden Sie hinzufügen wollen? Tun Sie´s bitte direkt hier!

Ich freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen zum Thema sowie auf einen regen Dialog!