Zahlreiche Unternehmen überprüfen derzeit ihre Performance-Management-Systeme, um ineffektive Prozesse und Praktiken zu hinterfragen. Mit Blick auf die gesamte, v.a. auch auf die noch jüngere Belegschaft ist das Ziel dabei, organisatorische Barrieren einzureissen und stattdessen laufendes Feedback und Coaching während des ganzen Jahres sicherzustellen.

Aus der Musik, dem Sport, und anderen Disziplinen wissen wir bereits seit vielen Jahren, dass es ständiger, kontinuierlicher Lern- und Feedbackprozesse bedarf, um erfolgreich zu sein!

So gibt es aktuell in Unternehmen eine Debatte darüber, welche Art von Performance-Management am besten funktioniert; z. B. das Entfernen von Performance-Ratings oder vierteljährliche statt jährliche Treffen. Grundsätzlich sind alle Unternehmen der Überzeugung, dass die Änderung eines Performance-Management-Systems einen Kulturwechsel erfordert, was häufig eine Herausforderung darstellt.

Nachfolgend stelle ich einige aktuelle Diskussionsschwerpunkte zum Thema Performance Management zur Diskussion. Bereits vor ca. 18 Monaten habe ich einen Beitrag zu PM 3.0 veröffentlicht. Was hat sich seitdem getan? Lesen Sie selbst! Über Rückmeldungen, Kommentare, andere Sichtweisen, oder einfach Bestätigungen aus der eigenen Praxis würde ich mich sehr freuen.

Unternehmen passen ihre Performance Management Systeme an

Das Performance-Management-Modell, das Kalibrierungsdiskussionen, Rankings und eine eintägige Konversation mit einem Supervisor verwendet, funktioniert gut in einer traditionellen hierarchischen Arbeitsumgebung. Allerdings funktioniert dieses Modell in der Regel nicht für Unternehmen, die eine eher agile Arbeitsweise – z.B. eine projektbasierte Arbeitsweise, die sich häufig ändert, basierend auf Feedback – oder eine vernetzte Arbeitsweise zugrunde legt.

In vielen Unternehmen arbeiten Mitarbeitende häufig parallel an mehreren Projekten mit jeweils verschiedenen Vorgesetzten. Dies macht es für Führungskräfte schwierig, angemessene Leistungsbeurteilungen durchzuführen.

Bei zahlreichen Unternehmen fokussieren sich Performance-Management-Systeme eher auf die bisherige Leistung und nicht auf die Entwicklung des Mitarbeitenden und die Weiterentwicklung des Unternehmens.

Viele Leistungsbeurteilungssysteme und erzwungene Ranglisten sind voreingenommen und enthalten ungenaue Daten. Beispielsweise neigen Vorgesetzte dazu, zu vergessen, was ein Mitarbeiter zu Beginn des Beurteilungszeitraumes gemacht hat. Stattdessen konzentrieren sie sich auf das, was der Mitarbeiter in den letzten zwei bis drei Monaten vor der Leistungsüberprüfung gemacht bzw. nicht gemacht hat.

Der aktuelle Leistungsbeurteilungsprozess kann dazu führen, dass sich die Mitarbeiter psychisch unsicher fühlen. Mit dem Mangel an Gesprächen während des ganzen Jahres werden die Mitarbeiter quasi unvorbereitet getroffen. Wie aus heiterem Himmel trifft eine Einschätzung ihres Vorgesetzten über sie herein – manchmal positiv, manchmal weniger positiv.

Leistungsbewertung: sollte sie bleiben oder entfallen?

Unternehmen, die Bewertungen eliminiert haben, führten v.a. folgende Gründe an (CONTRA):

  • Manager und Mitarbeitende verbrachten viel zu viel Zeit in Kalibrierungssitzungen. Sie diskutieren darüber, ob ein Mitarbeiter ein Rating beispielsweise von „3“ oder „4“ haben sollte. Die für solche Diskussionen verwendete Zeit trug nicht dazu bei, das Unternehmenswachstum zu steigern.
  • Ratings haben Mitarbeitende häufig demotiviert. Wenn ein Mitarbeiter z.B. statt der erwarteten „5“ nur eine „4“ erhielt, wirkte sich das negativ auf den künftigen Arbeitseinsatz aus.
  • Innovation stagnierte, weil die Angestellten zögerten, etwas Neues auszuprobieren. Sie hatten Angst, eine niedrigere Bewertung zu bekommen, wenn ihr Experiment nicht wie geplant funktionierte.
  • Performance-Ratings führten regelmässig zu einer „Druck-Atmosphäre“ und gefährdeten die Karriereentwicklung.

Gleichzeitig halten eine Reihe von Unternehmen an Leistungsbewertungen fest; dies aus folgenden Gründen (PRO):

  • Sie befürchten, dass das Entfernen offizieller Ratings nur zu sog. „Schatten-Ratings“ führen würde, da Personaler und Führungskräfte weiterhin irgendeine Art an Ratings einsetzen, um Leistungsträger und Vergütungen daran festzumachen; Nachteil: Diese Ratings wären für die Mitarbeitenden nicht mehr sichtbar.
  • Manager verlassen sich immer noch auf Ratings, um konstruktives Feedback zu geben, Vergütungen zu erläutern oder festzulegen, wer in Entwicklungsprogramme mit aufgenommen wird.
  • Sie leben eine „Pay-for-Performance-Kultur„, also werden sie immer Bewertungen haben. Allerdings setzen viele Unternehmen, die Ratings behalten, einen stärkeren Fokus auf den Entwicklungsaspekt der Leistungsbeurteilungen.

Den Performance Management Prozess nun ändern? Auf welche Weise?

Diese Frage kann m.E. nicht grundsätzlich mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden. Stattdessen rate ich dazu, sich am Beginn eines möglichen Anpassungs- bzw. Veränderungsprozesses folgende Leitfragen zu stellen:

  • Was bedeutet Performance Management für das Unternehmen?
  • Was versuchen wir mit unserem Leistungsbeurteilungsprozess zu erreichen?
  • Welche Erfahrungen und Erkenntnisse wollen wir mit unserem Performance Management sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeitende erzielen?
  • Wie soll unser Performance-Management-System am Ende aussehen?
  • Was stiftet keinen Mehrwert und sollte daher konsequent vermieden werden?
  • Was hilft dem Unternehmen nicht dabei, sich positiv zu entwickeln?

Fragen Sie auch Ihre internen Kunden – Mitarbeiter, Manager, Arbeitnehmervertreter und HR-Profis – wie sie sich bei dem aktuellen Leistungsbeurteilungsprozess fühlen, was ihre grössten Schmerzpunkte sind und was ihnen am Leistungsmanagement am wichtigsten ist.

Ringen Sie um Anerkennung seitens der Führungskräfte für den Änderungsaufwand Ihres Leistungsmanagements; ohne deren Unterstützung wird sich jede Anstrengung, Ratings zu beseitigen oder andere Änderungen umzusetzen, nicht auszahlen.

Binden Sie die Methode des Design Thinking (ein Innovationsprozess, bei dem neue Iterationen basierend auf Feedback erstellt werden) mit ein, um ein neues Leistungsmanagement zu entwickeln.

Bedenken Sie, dass ein einheitlicher Ansatz unter Umständen nicht über Ihre gesamte Organisation hinweg funktionieren wird. Mitunter ist es von Vorteil – gerade auch mit Blick auf die Akzeptanz des Prozesses -, dass unterschiedliche Teams, z. B. Verkäufer, Wissenschaftler, Fabrikarbeiter, jeweils ein eigenes Leistungsmanagementsystem einsetzen, das für sie am besten funktioniert.

Piloten Sie Ihre Änderungen zuerst im kleinen Rahmen, um Ihre Annahmen zu validieren. Bei jeder Iteration im Rahmen des Roll-out erhält das Unternehmen Rückmeldungen aus der jeweiligen Testgruppe und kann den Prozess anpassen.

Lassen Sie sich Ihren neuen Performance-Management-Prozess vom internen Branding absegnen.

Sie können den Fortschritt und den Erfolg Ihrer Änderungen oder Iterationen durch Pulsumfragen überprüfen. Stellen Sie Fragen wie: „Hat sich die Qualität Ihres Feedbacks verbessert?“

Wenn Sie zu einem „No-Rating-System“ wechseln, dann arbeiten Sie bitte eng mit den Spezialisten für Mitarbeitervergütungen zusammen. Erarbeiten Sie, wie Grundgehalt und Bonuszahlungen ermittelt und festgelegt werden.

Grundlage für Veränderungen ist eine Feedbackkultur

Es gibt einige Diskussionen darüber, wie häufig leistungsorientierte Diskussionen stattfinden sollten. Viele Unternehmen bewegen sich von jährlichen Leistungsbeurteilungen und Ranglisten hin zu einem vierteljährlichen „Check-In“-Modell. Allerdings erkennen einige Unternehmen – vor allem diejenigen, welche eine agile Arbeitsweise bevorzugen -, dass sog. „After-Incident“-Bewertungen nach Abschluss eines Projektes viel effektiver sind als Konversationen auf der Grundlage eines Kalenderdatums.

Unabhängig davon, wie häufig Manager und Mitarbeiter leistungsbezogene Gespräche führen, beginnen die produktivsten mit Fragen wie:

  • Wie läuft ein guter Arbeitstag für Sie ab?
  • Welche Fähigkeiten möchten Sie noch erlernen?
  • Wo sehen Sie sich selbst?
  • Was begeistert und fasziniert Sie?

Einige Unternehmen nutzen Apps und Technologien, um Feedback zu geben, Feedback zu erhalten und Leistungsdaten zu sammeln. Unabhängig von der Technik, die Sie wählen, sollte das Feedback zur Verfügung gestellt werden, um Assessments zu unterstützen, aber nicht zu ersetzen.

Manager-Training ist eine wesentliche Komponente für den Kulturwandel

Bieten Sie Trainings an, die Führungskräfte darin schult, wie man Ziele setzt, die Ziele der Mitarbeiter auf die geschäftlichen Ziele ausrichtet und die Mitarbeiter in Gesprächen für diese Ziele gewinnt und begeistert.

Leistungsbeurteilungen führen auch deshalb häufig nicht zum gewünschten Ergebnis, weil zahlreiche Führungskräfte den Aufwand eines fundierten Feedbacks sowie die konstruktive Diskussion mit Mitarbeitenden scheuen. Sie sind konfiktscheu und führungsschwach, haben zu wenig die Gesamtinteressen des Unternehmens im Blick und die in solchen Gesprächen liegenden (Entwicklungs-)Chancen nicht verinnerlicht.

Schulen Sie Führende deshalb darin, wie man Feedback gibt und Coaching bietet. Lassen Sie diese an Rollenspielen teilnehmen, um Gespräche zu üben und ihre Coaching-Fähigkeiten zu verbessern.

Stellen Sie sicher, dass Manager wissen, wie man Feedback an verschiedene Arten von Mitarbeitergruppen geben kann. So bevorzugen viele erfahrene Mitarbeiter immer noch das persönliche Gespräch, während Millennials mitunter Feedback per SMS oder App als cool empfinden.

 

Fazit

  • Unternehmen erkennen, dass ihre derzeitigen Leistungsbeurteilungsprozesse ihren Bedürfnissen nicht mehr dienen.
  • Die Debatte darüber, ob die Leistungsbewertungen beibehalten oder beseitigt werden sollen, wird noch einige Zeit anhalten.
  • Der schwierigste Teil der Veränderung ist herauszufinden, wie man vorgehen sollte. Veränderung braucht Zeit. In der Regel investiert ein Unternehmen ca. drei Jahre in die Umwandlung seines Performance-Management-Systems.
  • Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Performance-Konversationen sich wieder mehr um die Entwicklung drehen sollten. Hierbei ist es förderlich, wenn Mitarbeitende kontinuierlich statt jährlich Feedback erhalten.
  • Die Führungskräfte sind wesentlich dafür verantwortlich, Mitarbeiterleistung zu lenken und zu steuern. Stellen Sie daher sicher, dass diese in der Lage sind, neue Verhaltensweisen zu verstehen und selbst vorzuleben.

Fünf wesentliche Änderungen würden lt. Accenture Strategy die Wirksamkeit von Performance Management verbessern:

  1. Verschieben Sie den Fokus auf die Entwicklung und bieten Sie konstruktive, laufende informelle Konversation und Coaching an.
  2. Schaffen Sie eine Kultur der Offenheit und Transparenz, indem Sie Feedback, Ziele und Belohnungen teilen bzw. gemeinsam haben.
  3. Personifizieren Sie Performance Management um Einzelpersonen oder Angestelltensegmente.
  4. Bringen Sie Entscheidungsbefugnissse näher an die Führenden heran und denken Sie sorgfältig über die Verwendung von Ratings nach. Diese werden zwar als notwendig angesehen, aber auch als ein umfassend zu verbessernden Teil eines PM-Designs.
  5. Schliesslich: Bestimmen Sie sorgfältig die Definition von aussergewöhnlicher Leistung.