Unsere Gesellschaft verändert sich unaufhörlich und mit zunehmender Geschwindigkeit, daran ändert auch die Corona-Pandemie nichts. Unser Leben ist ohne Technik und Künstliche Intelligenz nur schwer vorstellbar, und wer sich dem verweigert, verpasst womöglich den Anschluss. Doch wohin führen uns die technischen Errungenschaften wirklich und mit welchem Sinn und Zweck werden sie ausgebaut?

Die Zeit „zwischen den Jahren“ habe ich mich u.a. mit Prechts neuem Buch „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“, einem Essay!, beschäftigt. Dieser regt zum Nachdenken an, aber auch zum Widerspruch. Deshalb hier nur einige Passagen, die ich mir markiert habe:

  • Das Ziel nahezu aller künstlicher Intelligenz ist, mehr Kontrolle zu gewinnen und größere Gewinne zu erwirtschaften; sei es durch Medizin- oder Militärtechnik, effizientere Produktion, günstigere Kosten und eine noch bessere Kenntnis des Bürgers oder Kunden.
  • Die Technik kann unser Leben zwar komfortabler machen, doch der Mensch ist viel mehr als das, er hat eine Kultur und eine Moral entwickelt, die kein Rechner dieser Welt jemals verstehen wird, geschweige denn reproduzieren kann.
  • Die menschliche Intelligenz ist durchzogen von Emotionalität und Intuition, Spontanität und Assoziation. Der gesunde Menschenverstand ist kein Synonym für Rationalität, sondern im gleichen Maße Einfühlung in die Situation unter dem Einfluss von Werten.
  • Es gibt zu wenige Menschen, die sich sowohl um die Umweltfrage als auch um den technischen Fortschritt durch KI scheren; deshalb verläuft zwischen Transhumanismus und Posthumanismus die Kluft unserer Zeit.
  • Künstliche Intelligenz kann sich segensreich auswirken oder zum Alptraum werden. Die Grenze ist relativ einfach zu benennen: Immer da, wo künstliche Intelligenz über menschliche Lebensschicksale entscheidet, also über Menschen richtet, da sollte man besser die Finger davon lassen.

Wie ist Ihre Sicht der Dinge? Welcher Aussage würden Sie zustimmen, welcher nicht? Bitte schreiben Sie mir einen Kommentar.

Ausgewählte KI-Anwendungsfelder

Von den vier Kategorien von KI-Verfahren (Sprachverstehen, Bilderkennung, maschinelles Lernen, wissensbasierte Systeme) weisen Verfahren der Bilderkennung die stärksten positiven Beiträge zur Innovationsleistung der KI einsetzenden Unternehmen auf. Gleichzeitig steigern KI-Anwendungen im Bereich der Automatisierung von Prozessen die Wahrscheinlichkeit, Innovationen einzuführen und damit höhere direkte wirtschaftliche Erträge zu erzielen. Der Einsatz von Verfahren des maschinellen Lernens zeigt im Bereich von Produktinnovationen für einzelne Innovationsarten positive Beiträge. Im Prozessinnovationsbereich ist nur ein relativ schwacher positiver Effekt auf die Einführung von Logistikverfahren zu beobachten. Die Nutzung wissensbasierter Systeme, z.B. über kognitive Modellierung oder semantische Technologien, zeigt nur vereinzelt positive Beiträge zur Innovationsleistung. Von Methoden des Sprachverstehens geht nahezu kein Einfluss auf die Innovationsperformance der KI einsetzenden Unternehmen aus.

In der nachfolgenden Fotogalerie habe ich einige Anwendungsfelder (aus Versicherung [Geschäftsmodell-T4, Geschäftsmodell-T3] Fertigung, etc.) skizziert.

Auch in den HR-Abteilungen gibt es bereits neue Koalitionen und etliche Positivbeispiele:

  • Recruiting: In zwei vorherigen Beiträgen – Azubi-Recruiting in Corona-Zeiten: was ändert sich? was bleibt?; Künstliche Intelligenz im Recruiting – „human in the loop“ – habe ich bereits einiges darüber dargelegt. Die STRIMservices ermittelt u.a. für einige Großunternehmen im Rahmen des RPO Recruiting-Kennzahlen und Indizes; daher weiß ich, wie schwer es ist, ausreichend qualitativ hochwertige Daten vorliegen zu haben! Erst auf dieser Basis können Algorithmen sinnvoll greifen und beispielsweise mit Bots verknüpft werden. Bots können u.a. Kandidatenantworten zu gezielten Fragen auswerten und „empfehlen“, wer in die nächste Runde kommt. Hierbei optimieren Bots ihre Empfehlungen fortlaufend mittels maschinellem Lernen.
  • Personalentwicklung: Wenn ich Projekte zur Strategischen Personalplanung und zum Kompetenzmanagement durchführe und wir über Aktionspläne mit Blick auf PE zu sprechen kommen, dann beginnen i.d.R. trotz Tooleinbindung häufig langwierige Prozesse. Unternehmen wie Deutsche Telekom (KI-gestützte Kurse zur Schließung von Kompetenzlücken) oder IBM (Einbindung des Watson Talent Frameworks) sind da schon fortschrittlich unterwegs – allerdings heute noch die Ausnahme.
    Wie bereits im Recruiting könnten auch hier Bots zum Einsatz kommen – vom Kompetenzabgleich, über passende Weiterbildungsmaßnahmen, bis hin zur Buchung und Evaluation.
    Darüber hinaus sollte KI-gestützte PE m.E. stärker mit der Personalplanung und der Organisationsentwicklung (OE) „gekoppelt“ werden.
  • Personaleinsatzplanung (PEP): In diesem Bereich etablierte sich KI in Form evolutionärer Algorithmen als Erstes; v.a. in Krankenhäusern und Chemieunternehmen. I.d.R. fließen Erkenntnisse zu erwartbarem Auftragsvolumen, Produktionszahlen, zu Planumsätzen oder zur Kundenfrequenz in eine Prognose über das Arbeitsaufkommen mit ein.
    Künftig könnte KI im Rahmen der PEP auch bei der Zusammenstellung von Projektteams insbesondere bei internationalen Großprojekten zum Einsatz kommen.
    PEP ist deutlich von der Personalplanung zu unterscheiden, die v.a. auf Daten aus der strategischen Unternehmensplanung beruht.

Auswirkungen des KI-Einsatzes

Eine im Dezember 2020 publizierte Studie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) untersuchte den Beitrag oben skizzierter KI-Anwendungsfeldern zur Innovationsleistung und Performance der deutschen Wirtschaft. Hier nur einige Auszüge:

  • Unternehmen, die KI einsetzen, sind eher in der Lage, anspruchsvolle Innovationen mit einem hohen Neuheitsgrad hervorzubringen.
  • Die Nutzung von KI hat deutlich positive Auswirkungen auf die Rendite der Unternehmen.
  • Es zeigt sich kein Umsatzanstieg in Folge des KI-Einsatzes, d.h. der Umsatz mit KI-basierten Innovationen ersetzt Umsätze, die zuvor mit Produkten ohne KI-Einsatz erzielt wurden.
  • KI führt zu einem merklichen Aufbau von Beschäftigung; v.a. Einstellung neuer Spezialisten.
  • Der Einsatz von KI führt nicht zu einer höheren Produktivität in den KI einsetzenden Unternehmen.

Fazit

Durch die digitale Vernetzung von Produkten und Dienstleistungen, Produktions- und Vertriebssystemen sowie von Prozessen innerhalb von Unternehmen und zwischen Unternehmen [mehr] entstehen vielfältige Möglichkeiten, um die Leistungsfähigkeit und den Nutzen von Angeboten, Verfahren und Abläufen zu erhöhen und neue Lösungen zu entwickeln.

Neben ethischen und kulturellen Fragen geht die Nutzung von KI auch mit zahlreichen Herausforderungen und Hürden einher. Neben der Schaffung der technischen Voraussetzungen und Datenvoraussetzungen ist es notwendig, die KI-Ansätze in bestehende Systeme und Strukturen im Unternehmen zu integrieren und Verantwortlichkeiten und Abläufe z.T. neu zu organisieren. Dabei sind häufig neue Kompetenzen nötig, die die Einstellung neuer Mitarbeiter oder das Eingehen neuer Kooperationen erfordern.

Zurück zur Einstiegsfrage: Segen oder Fluch? Mein Fazit: Wenn KI nicht monokausal mit Blick auf Finanzen zum Einsatz kommt, sondern auch ethische, kulturelle und organisatorische Fragen mit einbezieht, dann kann das Pendel zum Positiven ausschlagen. Aber – um es mit dem griechischen Dichter Hesiod zu sagen: Vor den Erfolg (mit KI) haben die Götter den Schweiß gesetzt. Der Einsatz von KI ist keinesfalls ein Erfolgsgarant im Innovationsprozess. Hohe Entwicklungskosten gehen häufig mit einem nicht unbeträchtlichem technologischen Risiko (Machbarkeit der KI-Anwendung) und einer unsicheren Marktakzeptanz einher.