Am Donnerstag, den 16. November 2017, fand zum neunten Mal die jährliche Fachtagung zum Thema Workforce Analytics im Hotel Schloss Edesheim statt. Welche Grundlagen sollte man verstehen? Wie gelingt der Einstieg in dieses Thema? Welche Fähigkeiten sind notwendig? Wie trägt die Kultur zum Gelingen bei? – dies waren nur einige der zu diskutierenden Fragen.

Im internationalen Vergleich hinkt Europa beim Thema Workforce Analytics noch hinterher. Mit Blick auf ABN AMRO, HSBC und Unilever – um nur einige zu nennen – müssen Siemens, Deutsche Post, u.a. neidlos anerkennen: There´s a lot of room for improvement!

  • Bei gerade einmal 30 Prozent der vom HBR befragten Unternehmen stellen dem CEO / der C-Suite einen grundlegenden Satz standardisierter Personalkennzahlen zur Verfügung.
  • Lediglich 24 Prozent gaben an, dass HR dem CEO / der C-Suite umfassende standardisierte Personalkennzahlen sowie Analysen liefert und diese mit Geschäfts-/Finanzkennzahlen verbindet.
  • Folgende strategisch wichtige Themen werden laut HBR-Befragung von HR nicht ausreichend berichtet: Talentansprache und -gewinnung, Anpassung der Leistung Mitarbeitender an die geschäftlichen Anforderungen, sowie Training und Weiterentwicklung.
  • Auch die TCB-Studie Human Capital in Europe kommt zum Ergebnis: HR muss „nachlegen“ in den Themen Führungskräfteentwicklung, Belegschafts-Engagement, sowie Talent Management.
  • Noch deutlicher fassen es die Autoren der TCB-Studie Human Capital Analytics @ Work: Volume 2 zusammen: HR gelingt es viel zu selten, die Beziehungen zwischen Variablen wie Führung, Weiterbildung, kulturelle Passung, etc. aufzuzeigen und Geschäftsergebnisse zu prognostizieren.

Was also ist zu tun? Was sind sinnvolle nächste Schritte? Nachfolgend einige Handlungsempfehlungen, die auch einige Kerninhalte der 2016er Tagung mit einbinden.

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Am Beispiel SAP wird deutlich, dass der Ansatz, Workforce Analytics aus dem Personalberichtswesen heraus zu entwickeln, nicht funktioniert! Hier muss umgedacht werden. Analytics beginnt beim Geschäftsproblem und daraus abgeleiteten Hypothesen.

Am oben bereits genannten Beispiel ABN AMRO wird deutlich, wie Patrick Coolen Workforce Analytics über einige Jahre hinweg mittels Use Cases konsequent auf- und ausgebaut hat. Daten und Informationen wurden aufgebaut, um Hypothesen zu unterstützen oder zu verwerfen. Interessant sind die Ausbaustufen, die jeweils ca. 2 Jahre in Anspruch genommen haben.
Das Beispiel zeigt auch: Befragungen nicht nur jährlich oder alle zwei Jahre durchführen, sondern unterjährige Impulsbefragungen an spezifische Mitarbeitergruppen einbinden. Auswirkungen auf implementierte Massnahmen können so schneller nachgehalten werden.

Grundlagen von Workforce Analytics

  • Bereits während der Fachtagung 2016 waren die „7 Säulen des Erfolges“ im Thema Workforce Analytics (Beispiel: Monster) ein wichtiges Thema; so auch in diesem Jahr. Daneben wurden IMPACT cycle, LAMP framework, sowie weitere Grundlagen thematisiert.
  • Vier Aufgaben stehen für den Leiter/die Leiterin einer Workforce-Analytics-Initiative im Vordergrund: Manage, Challenge, Integrate, Represent.
  • Startpunkt sind die Fragen an die Geschäftsführenden! Hierbei sollten ausgetüftelte Assessment Guides einzubinden (Fragenkataloge, Checklisten), die über die STRIM zu beziehen sind. Danach folgt eine Aufstellung von Hypothesen. Wenn diese Punkte nicht klar sind, sollte ein Projekt/eine Initiative (noch) nicht begonnen werden. Zielführende Vorgehensmodelle sind das Human Capital Analytics Eco System (TCB) und das 8-Step-Model (Josh Bersin).
  • Oft benötigen die Businessfragen und die Hypothesen den grössten Anteil an Zeit! Datensammlung ohne detaillierte Klärung dieser Fragen ist sinnlos.
  • Zwei Case Studies machten den Mehrwert statistischer Analysen deutlich:

Im ENTEGA-Case wurde mittels Rangkorrelationsanalyse nach Spearman der lineare Zusammenhang zweier mindestens ordinalskalierter Variablen berechnet: Fragen zu insgesamt sechs Kategorien und dem Mitarbeiter-Zufriedenheits-Index. Mit Blick auf 17 Organisationseinheiten und einem Zufriedenheitswert <= -40 wurden sieben Fragen aus drei Kategorien mit hochsignifikanter Korrelation identifiziert.

Im Helvetia-Case wurde mittels Chi-Quadrat nach Pearson die Hypothese untersucht, welche Auswirkungen die Arbeitsorte St. Gallen und Basel auf die Leistung/-sbereitschaft Mitarbeitender haben.

Die Ergebnisse führten im Rahmen der Fachtagung zu einer lebhaften und durchaus kontroversen Diskussion.

Im separaten Blogbeitrag „Wir sollten die Grundlagen von Workforce Analytics verstehen“ können Sie diese Themen vertiefen.

Stellenwert der Kultur

  • Die Segmentierung der HR-Community innerhalb des Unternehmen in drei Kategorien – analytisch versiert, analytisch willig, analytisch resistent – ist sehr wichtig. Abhängig davon kann es sinnvoll sein, Mitarbeitende frühzeitig in Use Cases mit einzubinden, mit Hilfe von Quick Wins den Nutzen von Workforce Analytics aufzuzeigen, oder Mitarbeitende (wenigstens) dazu zu bringen, dass sie analytische Ansätze wenigstens akzeptieren.
  • Widerstand gegen Analytics kommt im Wesentlichen aus drei „Lagern“: Skepsis von Stakeholdern, Interessensgegensätze zwischen Finanzern und HR, sowie Zögerer im Personalbereich selbst.
  • Führungskräfte haben im Thema Kultur eine Treiberrolle: zwölf kritische Verhaltensweisen und um vier Kernwerte herum sind hierfür wichtig.
  • Storytelling kann sicherstellen, dass Empfehlungen diskutiert, verstanden, unterstützt und umgesetzt werden. Storytelling mit Daten darf nicht fiktiv sein; es ist und sollte faktenbasiert sein.
  • Kultur, welche ein evidenz-basiertes Handeln in unseren HR-Organisationen hervorhebt, sollte eingefordert und gefördert werden.

Im separaten Blogbeitrag „Kultur entscheidet über den Erfolg von Workforce Analytics“ können Sie diese Themen vertiefen.

Einstieg in Workforce Analytics

  • Auch wenn Sie unter Zeitdruck stehen: Nehmen Sie sich Zeit! Erstellen Sie einen Entwurf Ihrer Vision und Mission! Bauen Sie ein stabiles, tragfähiges Fundament! Suchen Sie und reden Sie mit Projektsponsoren! Bauen Sie Beziehungsnetzwerke auf! Werden Sie sich über die (sieben) Antriebskräfte im Klaren! Viele HR´ler haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie einen Auftrag erhalten, sich zunächst zurückziehen und nicht direkt „durchstarten“ – komplett unnötig!
  • Stakeholder sind auf verschiedenen Ebenen in der Organisation tätig, sogar ausserhalb organisatorischer Grenzen. Drei wesentliche Kategorien sind zu unterscheiden: (1) Kunden (Stakeholders Served), (2) Menschen, von denen Sie abhängig sind (Stakeholders Dependent On), (3) Diejenigen, deren Arbeitsumgebung und/oder Berufserfahrung sich infolge Ihrer analytischen Empfehlungen verändern werden (Stakeholders Impacted).
  • Identifizieren Sie entlang einer Vier-Felder-Matrix („Niveau der erwarteten Auswirkungen“ und „Höhe involvierter Komplexität“) Quick Wins! Ein Quick Win ist demzufolge ein Projekt mit niedriger bis mittlerer Komplexität und moderaten bis hohen Auswirkungen. Durch die Erfolgsstory aus mehreren kleinen Use Cases mit Quick Wins wird aus kleinen „Analytics-Bränden“ ein Flächenbrand.
  • Agilität heisst nicht planlos reagieren, sondern zielgerichtet mit Hilfe von Szenarien Änderungen zu gestalten und zu steuern. Hohe Volatilität im Geschäft braucht gerade mehr strategische Personalplanung und Analytics! Nachdenken über strategische Optionen und Szenarien ist wichtiger bei volatilen Geschäften als bei weitgehend stabilem Umfeld.

Im separaten Blogbeitrag „So wählen Sie den richtigen Einstieg in Workforce Analytics“ können Sie diese Themen vertiefen.

Notwendige Fähigkeiten für Workforce Analytics

  • Die Handlungsmaxime bzgl. Daten und Informationen lautet: Tun Sie, was Sie können mit dem, was Sie haben!
  • Mit „NextGen Workforce Analytics“ sind zunächst einmal nicht-traditionelle Datenquellen gemeint, die mit der Entstehung und dem Wachstum des Internet der Dinge (wie z. B. Wearables, Sensoren und Tracking-Geräte) und Social Media aufkommen. Personalverantwortliche in Europa stehen diesen Datenquellen zumeist kritisch bis ablehnend gegenüber.
  • Der Berufszweig HR befindet sich im Umbruch – von einem primär intuitions-getriebenen hin zu einem primär evidenz-basierten Ansatz. Hierfür benötigen HR-Profis neue Fähigkeiten, die – darin sind sie sich einig – v.a. mit Blick auf Statistik, Psychologie und Verständnis für geschäftliche Zusammenhänge in nicht ausreichendem Masse vorhanden sind.
  • Hinzu kommt ein mangelhaftes Verständnis über sog. Partneroptionen: in-house, in-source und/oder out-source. Im Mittelpunkt der Diskussion standen dann auch die jeweiligen Vor- und Nachteile der Optionen. Inwieweit welche Option Sinn ergibt hängt v.a. von Budgetrestriktionen, Kompetenzlücken, sowie Erwartungshaltungen bzgl. Ergebnissen auf der Zeitschiene ab. Ein Teilnehmer der Fachtagung brachte es auf den Punkt: „Im IT-Bereich ist man da schon weiter; da greift man gerne auf externe Unterstützung zurück, leider weniger bei Workforce Analytics“.
  • Das Fazit der Diskussion war noch deutlicher: „HR hat leider zu wenig Machergene. Man braucht nicht immer das komplette Gesamtkonzept, sondern mitunter auch Mut zur Lücke. Wichtig sind: Nachdenken, Machen, aus Fehlern lernen und Koalitionen bilden“.

Im separaten Blogbeitrag „Bauen Sie die für Workforce Analytics notwendigen Fähigkeiten auf!“ können Sie diese Themen vertiefen.

Fazit

Die Diskussion über Kernaussagen und Aha-Momente zu Grundlagen und Kultur führte zu folgenden Take Aways:

  • Evidenz-basiertes HR Management ist notwendig. Dies bedeutet auch, dass Forschung und Lehre häufiger im Alltagsgeschäft „einzuflechten“ sind.
  • Eine Analytics-Kultur ist der Nährboden für alles Weitere.
  • Zahlen, Daten, Fakten sind wichtig; sollten aber nicht überbewertet werden. Fragen an die Unternehmensleitung, Identifizierung der Stakeholder, Ableitung von Hypothesen, Entwicklung von Szenarien – ggf. auch auf Basis von Schätzungen und externen Näherungswerten – sollten im Vordergrund stehen.
  • Strategische Personalplanung bedeutet strategisches Risikomanagement der „total workforce (incl. contingent workers)“.

Die Diskussion über Kernaussagen und Aha-Momente zu Einstieg und Fähigkeiten führte zu folgenden Take Aways:

  • Daten und Informationen für Analytics – vgl. Ausführungen zu „NextGen“ – müssen auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit basieren. Die Beziehungsebene zu den Mitarbeitenden, deren Daten Eingang in Analysen finden, sollte am Anfang stehen. Den Mitarbeitenden sollte auch der Nutzen für sie selbst klar sein.
  • Speziell zu Beginn einer Workforce-Analytics-Initiative steht das Stakeholder Management im Vordergrund.
  • KISS: Mit möglichst einfachen Use Cases beginnen, die für sich bereits eine Auswirkung auf Geschäftsergebnisse haben.
  • Die „HR-Formel“ sollte sein: Business Impact + Reifegrad = Tun!
  • Hierzu muss HR neue Fähigkeiten und Kompetenzen unter Einbindung der Partneroptionen aufbauen.