In Zeiten angespannter Arbeitsmärkte und niedriger Arbeitslosigkeit sind Vielfalt und Bindung weiterhin grosse Herausforderungen für die Talentfunktion. Die digitale Technologie verbessert den Talentprozess, aber selbst die besten Analysen und Werkzeuge müssen verwaltet werden. Erfahrene Recruiter suchen Talente an neuen Orten und auf neue Weise.

Sie widmen dem Prozess mehr Aufmerksamkeit und richten ihre Werkzeuge bestmöglich aus. Und sie suchen mit vollem Einsatz nach geeigneten Bewerbern – Arbeitnehmern, die noch vor wenigen Jahren keine zweite Chance auf eine Beschäftigung erhalten hätten, sich nun aber als möglicherweise wertvoll erweisen.

Die diesjährige TRM-Fachtagung der STRIMacademy am 21.-22. Juni 2018 im Hotel Schloss Edesheim lieferte hierzu v.a. mit Blick auf die GenY / GenZ wertvolle Erkenntnisse, die wir in einer Management Summary dargelegt und in Symposien präsentiert haben.

In den letzten Monaten habe ich zusätzliche Eindrücke gewonnen, über die ich nachfolgend berichten werde.

In einem engen Talentmarkt müssen die Recruiter an neuen Orten nach Talenten suchen – und wenn sie an bereits angestammten Plätzen suchen, müssen sie dies auf neue Weise tun.

Was braucht es, um ein erfolgreicher Recruiter zu sein? Die diesjährige Befragung der STRIMacademy in der DACH-Region kam zu interessanten Erkenntnissen (siehe Grafik).

Die Rekrutierung an Universitäten ist nicht neu. Heutzutage braucht es jedoch mehr als nur einen Stand auf der Karrieremesse zu errichten. Es heisst „angeln, wo die Fische sind“. Wenn Sie Minderheiten und/oder Menschen mit Behinderungen einstellen, gehen Sie zu deren Touchpoints und Studentengruppen.

Erfolg versprechende (Hoch-)Schul-Programme:

  • Führungskräfte, die im Alumni von Universitäten sind, an bringen sich aktiv in die Talentansprache vor Ort mit ein. Sie sprechen mit den Studenten und beraten sie. Diese Führungskräfte vertreten ausserdem ihr Unternehmen gegenüber Beschäftigten und Dozenten der Hochschule.
  • Unternehmen bieten ihr Know-how und ihr intellektuelles Kapital – beispielsweise im Rahmen von Praktika im Unternehmen und/oder der Schule vor Ort – im Austausch für eine engere Rekrutierungsbeziehung an. Das Ergebnis: eine deutliche Zunahme der Bewerbungen dieser Partnerschulen.

Übersehen Sie nicht Ihre internen Kandidaten. Bieten Sie Möglichkeiten für langjährige Mitarbeiter, die es ermöglichen, vom Kundendienst (Front-Office) zum Geschäftsbüro (Back-Office) zu wechseln und umgekehrt. Fordern Sie Mitarbeitende auf, „die Hand zu heben“ für Jobs, die aus Sicht der Strategischen Personalplanung notwendig sind und an denen sie interessiert sind.

Behandeln Sie interne Bewerber mit dem gleichen Respekt, den Sie externen Bewerbern entgegenbringen. Wenn sie für eine Stelle nicht ausreichend qualifiziert sind (d.h. zu grosse Kompetenz-Lücke), sprechen Sie mit ihnen über die Gründe. Dies kann zur Bindung von Mitarbeitern beitragen. „Wenn sie fragen“, sagte ein Talentexperte, „bedeutet das, dass sie bereit sind für eine Veränderung.“

Manchmal sind nicht die Menschen das Problem, sondern der Prozess. Und selbst die beste Technologie wird keinen schlechten Prozess beheben.

Liefert Ihre Rekrutierungspipeline Einstellungen? Wann werden Einstellungsziele erreicht? Wie gestalten sich die Talentflüsse, wie die Personalauswahlprozesse? (siehe Grafik). Wenn Ihr Unternehmen diese grundlegenden Fragen nicht sofort beantworten kann, haben Sie ein Problem.

Ein globales Pharmaunternehmen hatte eine starke Marke, aber keinen Prozess, um diese bei der Einstellung zu nutzen. Eine Talentakquisitionsanalyse ergab Schwachstellen:

  • hohe Einstellungskosten,
  • keine klaren Hochschulbeziehungen,
  • Kandidatenpipelines im Besitz von externen Auftraggebern für Rekrutierungsprozesse,
  • kein unternehmensweiter Plan zur Talentgewinnung, und
  • digitale Tools vorhanden, jedoch nicht in eine umfassende Strategie integriert.

Das Unternehmen stellte 42 neue Personalvermittler ein und erstellte einen End-to-End-Prozess, der mit der Talentidentifizierung und –ansprache begann, ein Bewerber-Tracking-System beinhaltete und mit dem Onboarding endete. Im nächsten Schritt wird die Bedarfsplanung in Verbindung mit der Strategischen Personalplanung mit eingebunden, sowie Optionen für künstliche Intelligenz getestet.

Die Technologie kann einen schlechten Einstellungsprozess nicht beheben, aber sie kann die Probleme identifizieren, die den Prozess schlecht machen. Ein Mandant hat mithilfe von Analysen den Fortschritt von 75 Bewerbern für eine offene Position verfolgt. Als die Stelle besetzt war, befand sich die Hälfte der Kandidaten noch in der Anfangsphase der Bewerbung.

Gehen Sie nicht davon aus, dass all Ihre Analysesysteme reibungslos zusammenarbeiten. Vom Outsourcing des Rekrutierungsprozesses bis zum Bewerber-Tracking ist die Systemausrichtung sehr wichtig. Gemeinsame Einblicke in diese aufeinander abgestimmte Systeme halten jeden Aspekt der Talentbeschaffung auf dem Laufenden:

  • Sourcer werden wissen, wann genügend Kandidaten identifiziert wurden.
  • Recruiter wissen, worauf sie sich konzentrieren müssen, um die Pipeline voranzutreiben.
  • Personalchefs werden den aktuellen Stand und das voraussichtliche Datum der Besetzung kennen.
  • Abteilungsleiter können die Bereitstellung der Mitarbeiter anhand der Anforderungen nachverfolgen.
  • Manager zur Talentgewinnung können die funktionale Leistung überwachen und nach Bedarf eingreifen.

Analytics und künstliche Intelligenz sind keine „glänzenden Kugeln“. Sie unterstützen dabei, Antworten auf die Fragen zu finden, die Sie für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit benötigen. Kundenzitat: „Unsere künstliche Intelligenz lernt das Muster von Kündigungen und wendet diese an.“ Wenn Ihre KI Ihnen nicht sagen kann, was sie tut, ist sie wertlos.

Wenn Ihre Analyse – wie in den Berichten zum Monatsende – nur vergangenheitsgerichtet ist („descriptive analytics“), reicht dies nicht aus. Sie kann Ihnen sagen, was auffällig ist, beispielsweise wann und warum ein Kandidat für eine bestimmte Stelle abgelehnt wurde. Dies führt jedoch nicht zu einer wesentlichen Verschiebung oder Veränderung der Vorgehensweise.

Prädiktive Analysemodelle, die den Umsatz prognostizieren, können helfen, den Personalbedarf vorherzusehen und die Zeit für die Besetzung von Positionen zu reduzieren. Diese Vorhersagen werden Unternehmen dabei helfen, ihre Ressourcen effektiv und effizient einzusetzen, die Personalbeschaffung auszubalancieren, und zu eruieren, warum einige Jobs schwieriger zu besetzen sind als andere.

In zunehmendem Masse bewegen sich Analyse-Dashboards von einfachen Messwerten wie „time-to-fill“ und „cost-per-hire“ hin zu differenzierteren Kennzahlen zur Unternehmenseffizienz (beispielsweise „quality-of-hire“ oder „new-hire-turnover-rate“). In der Praxis ist jedoch häufig Vorsicht geboten, da diese Dashboards nicht immer die ganze Geschichte „erzählen“. Welchen Nutzen schafft es, wenn Sie schnell einstellen und Ihre Frühfluktuation hoch ist?

Vielfalt und Bindung bleiben führende Talent-Themenstellungen. „Gelegenheitsrekrutierung“ ist eine Antwort

Zwar definieren Unternehmen zu besetzende Stellenprofile immer häufiger auf Basis notwendiger (strategischer und operativer) Kompetenzen (siehe Grafik: Beispiel Berufsbildung). Gleichzeitig gibt es jedoch eine zunehmende Bereitschaft, sich mit Kandidaten zu befassen, deren Ausbildung „frühzeitig“ endete. Es muss nicht notwendigerweise ein Bachelor- oder Masterabschluss sein.

Mitarbeiter, die ihre Anstellung als „zweite Chance“ ansehen, neigen zu einer starken Bindung an das Unternehmen. Arbeitsplätze schaffen insbesondere für sie Sicherheit und Stabilität. Angesichts der heutigen niedrigen Arbeitslosenquote und der Schwierigkeit, viele Jobs zu besetzen, liefert dieses „Segment“ wenigstens eine teilweise Antwort.

„Second-Chancers“ werden häufig aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer kulturellen Passung und nicht für ihre derzeitigen Fähigkeiten eingestellt.