Allgemein wird unter Unternehmenskultur ein System gemeinsam geteilter Muster des Denkens, Fühlens und Handelns sowie der sie vermittelnden Normen, Werte und Symbole innerhalb eines Unternehmens verstanden.

Seit den 80er Jahren wird zu dem Begriff der Unternehmenskultur wissenschaftlich geforscht. Derzeit wird der Bedeutung, Wirkung und Veränderungsfähigkeit von Unternehmenskultur in Wissenschaft und Praxis größere Aufmerksamkeit geschenkt, da sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Kultur eines Unternehmens zum Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens beitragen kann.

Neben den hinlänglich bekannten Modellen zur Unternehmenskultur – 3-Ebenen-Modell von Schein, Modell von Mary Jo Hatch, Modell von Geert Hofstede, Eisbergmodell nach HALL, 7-S-Modell nach Peters und Waterman – möchte ich auf ein Modell detaillierter eingehen.

Ein lesenswerter Überblick der wichtigsten Modelle zur Unternehmenskultur hat die initio Organisationsberatung publiziert.

Zwei-Stufen-Modell nach Kotter und Heskett

Dieses Modell setzt sich zusammen aus:

  • Verhaltensweisen (Group Behaviour Norms) und
  • geteilten Werten (Shared Values).

Die Ebene der Verhaltensweisen (Group Behavioural Norms) manifestiert sich in sichtbarem Verhalten und auch dem Führungsstil. Diese Faktoren sind nach außen hin leicht sichtbar und lassen sich relativ schnell ändern. Die Ebene der „Shared Values“ beschreibt von der Mehrheit der Mitarbeiter geteilte Werte, welche schon über einen langen Zeitraum existieren. Diese Werte sind dem Modell zufolge eher selten nach außen sichtbar und explizit. Sie sind schwerer zu verändern und bleiben auch über Führungswechsel oder Austausch von Mitarbeitern hinaus bestehen.

Das Beispiel der Deutschen Bank in den Jahren 2014-2016 („One Bank“-Kultur) zeigt: Das Vorstands-Duo Anshu Jain und Jürgen Fitschen hatte sich auf einen Wandel der „Shared Values“ konzentriert. Zwar wurden auch Arbeitsanweisungen und Prozesse neuen Regularien angepasst; das Investment-Banking lief letztlich aber mehr oder weniger unverändert weiter wie vor der Bankenkrise. Nach drei Jahren wurden die Vorstände schließlich ausgetauscht, weil es ihnen nicht gelang, sich auf die leichter zu verändernde Ebene der „Behavioural Norms“ zu fokussieren und dadurch den von ihnen selbst ausgerufenen Kulturwandel überzeugend umzusetzen.

Im Einklang mit dieser Erkenntnis formulierte McKinsey 2017 in seiner Studie „Culture for a digital age“ unter anderem die Kernaussage: Risikoaversion, schwache Kundenorientierung und Denken in Silos – also Verhaltensweisen – haben Unternehmen lange Zeit in Schwierigkeiten gebracht. In einer digitalen Welt ist die Lösung dieser kulturellen Probleme nicht länger optional.

Wissenschaftliche Erkenntnisse …

Spätestens seit der Veröffentlichung des Buches „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ (Peters & Waterman, 1982/2003) besteht ein reges Interesse an dem „Erfolgsfaktor“ Unternehmenskultur. Dieses Interesse wurde in den 1990er Jahren weiter geschürt u.a. durch die Publikationen von Kotter & Heskett (1992) – wie bereits ausgeführt – sowie Denison & Mishra (1995), die den Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg untersuchten.
Während sich die Studie von Peters & Waterman (1982) auf erfolgreiche US-Firmen konzentrierten und deren Spezifika charakterisierten, verglichen Kotter & Heskett (1992) auch erfolgreiche mit weniger erfolgreichen Firmen über einen Zeitraum von elf Jahren. Die Ergebnisse dieser Studien zeigten, dass Firmen mit entsprechend ausgeprägter Unternehmenskultur

  • ihren Umsatz im Schnitt um 682 Prozent gegenüber der 166 Prozent bei Firmen mit anders ausgeprägten Unternehmenskulturen steigern konnten,
  • ihre Mitarbeiter um 282 Prozent gegenüber 36 Prozent,
  • den Aktienwert um 901 Prozent gegenüber 74 Prozent, und
  • das Reineinkommen um 756 Prozent gegenüber 1 Prozent.

Auch die Längsschnittstudien unterschiedlich erfolgreicher Profitcenter (Flamholtz, 2005) bzw. Firmen innerhalb eines Konzerns (Hundsdiek, 2005) sowie die Querschnittsvergleiche zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Firmen von Denison & Mishra (1995), Dension (2001) oder Van der Post et al. (1998) decken große Unterschiede in den ausgewählten Erfolgsfaktoren auf, die mit unterschiedlichen unternehmenskulturellen Ausprägungen korrelieren.

… mit Blick auf die Pandemie

Auf zwei neue Untersuchungen, welche die Unternehmenskultur in Krisenzeiten untersuchten, möchte ich nachfolgend detaillierter eingehen:

Zur ersten Studie: Zwei Hypothesen stehen bei der Textanalyse mittels eines Algorithmus im Mittelpunkt:

  • Die positive Kultur-Wert-Verbindung ist während der COVID-19-Pandemie stärker.
    Zusätzlich zu den nachteiligen Auswirkungen des Virus auf die Sicherheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter reduzieren die Richtlinien zum Lockdown und physische Distanz die Umsätze und verursachen zusätzliche Kosten. Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen mit Arbeitsplätzen, die menschlichen Kontakt erfordern und deren Umsetzung von der Arbeit von zu Hause aus schwierig wäre, der Pandemie stärker ausgesetzt sind.
    Im Gegensatz dazu sind Unternehmen aus den Bereichen Technologie und Kommunikation weniger betroffen und haben sogar die Möglichkeit, ihr Geschäft auszubauen. In Anbetracht dieser Heterogenität gilt, dass die positive Assoziation zwischen Unternehmen mit einer starken Unternehmenskultur und Renditen während der Pandemie von den Risiken durch COVID-19 auf Unternehmensebene abhängig ist.
  • Die positive Verbindung zwischen Kultur und Wert ist für Unternehmen mit einem höheren Gefahrenpotenzial in Zeiten von COVID-19 stärker.
    Unternehmen, die in guten Zeiten mehr in ihre Mitarbeiter investieren, können in Zeiten der Pandemie eine höhere Mitarbeiterproduktivität erzielen, denn gut qualifizierte und wertschätzend behandelte Mitarbeiter sind motivierter, produktiver und ziehen mehr Kunden an.
    Daneben gilt: Unternehmen, die sich mehr auf Technologien verlassen und/oder über Arbeitsvereinbarungen verfügen, die gegenüber physischer Distanzierung robust sind, übertreffen diejenigen, die während des COVID-19-Ausbruchs weniger auf Technologien und/oder flexible Arbeitsvereinbarungen setzen, erheblich.

Im Rahmen dieser Studie konnte nachgewiesen werden, dass Unternehmen mit einer starken Kultur in der Krisenzeit deutlich besser abschnitten. In Bezug auf die wirtschaftliche Bedeutung hatten Unternehmen mit einer starken Kultur im ersten Quartal 2020 durchschnittlich einen Anstieg der Renditen um 4,9 Prozentpunkte zu verzeichnen; d.h. einen höheren Umsatz pro Mitarbeiter und niedrigere Kosten für pro Mitarbeiter verkaufte Waren.

Eine Zusammenstellung der zehn wesentlichen Themen resp. Indikatoren

  • sechs Expositionen / Risiken / Gefahrenpotenziale [Geschäftsbetrieb, Nachfrage(-einbrüche), Mitarbeiter(-gesundheit), Liquidität, Lockdown und (Unterbrechungen der) Lieferkette] und
  • vier Reaktionen / Antworten auf und Strategien für den Umgang mit der Pandemie [Engagement für die Gemeinschaft, Kosteneinsparung, (Einführung) Digitale Transformation, Produktentwicklung] -,

die mittels KI analysiert wurden, sind in nachfolgender Slideshow als Wortwolken abgebildet.

Zur zweiten Studie: Ausgangspunkt sind die oft erwähnten fünf Werte der S&P 500-Unternehmen: Innovation, Integrität, Qualität, Respekt und Gruppenarbeit. Für jeden dieser Werte wurden Indikatoren festgelegt und bewertet.

Im Rahmen dieser Studie konnte nachgewiesen werden, dass die Unternehmenskultur mit den Geschäftsergebnissen deutlich positiv korreliert – einschließlich operativer Effizienz, Risikobereitschaft, Ertragsmanagement, Gestaltung der Vergütung von Führungskräften, Unternehmenswert und Geschäftsabwicklung. Der Zusammenhang zwischen Kultur und Leistung ist damit in schlechten Zeiten, wie derzeit durch COVID-19, noch ausgeprägter als eh schon.

Unter Einbindung der in der ersten Studie aufgeführten Reaktionen / Antworten der Unternehmen auf aktuelle Gefahrenpotenziale konnte die zweite Studie nachweisen, dass es zwischen Kulturstärke und Engagement für die Gemeinschaft einerseits und der Nutzung digitaler Technologien andererseits einen deutlichen Zusammenhang gibt. Das Top-Management spielt dabei als Kulturvermittler und Kommunikator in der Krise eine wichtige Rolle.

Fazit

Die oben zitierte McKinsey-Studie enthält m.E. zentrale Aussagen: Die Hürden bei der Digitalisierung, v.a. nicht-zielführende Verhaltensweisen, korrelieren mit dem Firmenergebnis zwischen -0.36 und -0.47. Führungskräfte sollten an Verhaltensweisen ansetzen und pro-aktiv agieren, statt organische Veränderungen abzuwarten und von den Konsequenzen „überrollt“ zu werden.

Aktuelle Studien im Rahmen der Pandemie belegen, dass eine positive Korrelation zwischen Unternehmen mit einer starken Kultur und (Aktien-)Renditen besteht. Dies drückt sich konkret darin aus, dass diese Unternehmen – bei hohem Kostenbewusstsein – das Engagement für die Gemeinschaft stärken, sich der digitalen Transformation annehmen und neue Produkte entwickeln. Für eine positive Korrelation ist eine konsequente Kommunikation kultureller Werte eine notwendige Voraussetzung.

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter entlang strategisch notwendiger Kompetenzen qualifiziert und gut behandelt haben, können den Studien zufolge negative wirtschaftliche Schocks besser überstehen, sodass keine aggressiven Kostensenkungen erforderlich sind.

Der Zusammenhang zwischen Kultur und Unternehmensergebnis ist insbesondere in einem herausfordernden operativen Umfeld offensichtlich, da eine starke Kultur Führungskräfte und Mitarbeitende in die Lage versetzt, konsistente Entscheidungen und Anstrengungen auf der Grundlage langfristiger Perspektiven zu treffen.

Eine ausgeprägte mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur ist damit wohl der wirksamste Weg, um die Folge der Krise für die Beschäftigten abzumildern.