Überall Transformation: Allianz für Transformation (Politik), nachhaltige Transformation (PwC), Der Zirkus der Transformation (Roland Berger), Workforce Transformation (Haufe); die Aufzählung ließe sich beliebig verlängern. Aber wie gelingt denn nun Transformation? Woran erkennt man eine gelungene Transformation?

Im August 2022 habe ich zuletzt über „Transformation: Wege und Ergebnisse“ geschrieben und mich dabei auf eine Kultur der Veränderung, auf wesentliche Erfolgsfaktoren von Transformationsprozessen, sowie auf zu erwartende Ergebnisse konzentriert. Seitdem – die Corona-Pandemie flachte gerade ab – halten uns Kriege und „China-Szenarien“ in Atem. Daneben beschäftigen uns Fachkräftemangel, Rohstoffpreise, Lieferketten, neue Technologien und Geschäftsmodelle, ESG-Berichtspflichten und vieles mehr.

Wie gelingt denn nun Transformation? Ich bin davon überzeugt, dass für das Gelingen neben der Geschäftsführung und der Führungsmannschaft vor allem die Personalfunktion als Enabler Verantwortung trägt. An drei Punkten – es gibt sicherlich noch deutlich mehr – möchte ich dies konkretisieren: die HR- und Datenkultur, das HR-Geschäftsmodell, sowie die Rolle des Chief HR Officer (CHRO) bzw. Chief People Officer (CPO).

HR- und Datenkultur

Heiwig und Wittwer verwenden ein schönes „Bild“: Transformation als Paartanz: Taktgeber HR. Transformation – so schreiben sie – hat etwas mit Orchestrierung und Synchronisierung zu tun. Vieles gelingt den Personalern bereits. Trotzdem spielt die Musik häufig noch ohne sie. Warum?

Unternehmen interagieren mit unterschiedlichem Kapital, um Werte zu schaffen – finanzielles, physisches und menschenzentriertes. Über Letzteres wird zunehmend gesprochen, aber selten im Detail analysiert. Dies ändert sich nun langsam aber stetig durch die CSRD. HR sollte hier Taktgeber werden und mit einem Mindset, das auf Geschäftsergebnisse ausgerichtet ist, auftreten. Denn das Humankapital ist eine entscheidende Quelle für Wettbewerbsvorteile und Widerstandsfähigkeit. Insbesondere eine ganzheitliche Sicht auf Kapital ist dabei anzustreben. Nachfolgend einige Erkenntnisse zu diesem Thema:

  • Ein wirksames Humankapitalmanagement erfordert die Einbindung von Betriebsmodellen, Kultur, Anreizen, Talenten und Innovation.
  • Qualitative und quantitative Analysen des Humankapitalmanagements ermöglichen es, Werttreiber für eine nachhaltige Wertschöpfung zu identifizieren.
  • Die (Humankapitalrendite (Human Capital Return on Investment, HC RoI) ist eine auf dem Rechnungswesen basierende quantitative Kennzahl, die neben der wirtschaftlichen Wertschöpfung der Mitarbeiter (Employee Economic Value Added, EEVA) und anderen Messgrößen zur Bewertung der Effektivität des
    Humankapitalmanagements verwendet werden kann.
  • Der HC RoI korreliert über mehrere Zeithorizonte und sektorübergreifend positiv mit den zukünftigen Überschussrenditen. Unternehmen mit einem höheren HC RoI schaffen nachhaltig mehr Wert.
  • Die HC RoI-Analyse wird bei namhaften Unternehmen bereits als Teil eines umfassenderen Investitions- und Engagement-Prozesses eingesetzt und liefert Hinweise, warum Unternehmen mit einem ähnlichen Niveau an Arbeitsinvestitionen unterschiedliche Ergebnisse erzielen können.

Die Offenlegung von Humankapitaldaten durch die Unternehmen ist nach wie vor unzureichend; eine umfangreichere und umfassendere Offenlegung würde allen Stakeholdern zugute kommen. Die Aussage, dass die Daten nicht vorlägen, ist Vorwand. Seit wie vielen Jahren erzählt man uns das? Wie viel Finanzkapital wurde seitdem in HR-Systeme, Datenbanken, etc. investiert? Die für eine Transformation notwendige HR- und Datenkultur bedingt ein Grundverständnis an ganzheitlichem Kapitalmanagement, wobei HR für wichtige Werttreiber im Sinne einer Ursache-Wirkungs-Betrachtung mit-verantwortlich ist.

HR-Geschäftsmodell

Im Einklang mit der skizzierten HR- und Datenkultur werden HR-Strategie und HR-Geschäftsmodell entwickelt und umgesetzt. Mit letzterem habe ich mich an dieser Stelle vor ca. einem Jahr detailliert auseinandergesetzt. Mit Blick auf die Umsetzung solcher Geschäftsmodelle fällt mir folgendes auf:

  • Digitalisierungs- und HR IT-Verantwortliche konzentrieren sich primär auf die Rationalisierung von HR-Prozessen (Inside-Out-Perspektive). Vor allem sollten sie jedoch die Digitalisierung aus der Perspektive der Ermöglichung des Geschäfts betrachten (Outside-In-Perspektive: Umsatzwachstum und Rentabilität).
  • Neue Anforderungen aus den Geschäftsfeldern könnten noch konsequenter im Fokus stehen; insbesondere bei Kompetenzmanagement, Plattformen für Lernerfahrungen, internen Talentmarktplätzen, sowie KI bei der Talentakquise.
  • Investitionen in HR IT bleiben hoch. Dies erhöht den Druck auf die Verantwortlichen, einen ROI zu liefern und sich möglichst schnell an sich verändernde Geschäftsanforderungen anzupassen. Dies sollte sich auch in der strategischen Roadmap für die HR IT Transformation widerspiegeln.
  • Bei aktuellen Problemstellungen, wie z.B. psychische Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz, menschenzentrierte EVP, Produktivität hybrider Arbeit und Zusammenarbeit von Mensch und KI, sind Personalabteilungen stärker vom Wissen anderer Abteilungen bzw. externer Experten abhängig und sollten entlang ihrer HR-Kernstrategie die Frage der Wertschöpfungstiefe neu für sich definieren.
  • Für die HR-Struktur bedeutet dies: In der Tendenz werden sich die COEs (Management-Dimension) künftig verschlanken und auf Governance-Aufgaben konzentrieren, HR-Services (Service-Dimension) ausweiten und sowohl Kosten als auch Wertschöpfung im Fokus haben. HR Business Partner (Business-Dimension) werden sich stärker ausdifferenzieren und abhängig von der gewählten HR-Kernstrategie des Geschäftsfeldes unterschiedlich aufstellen – quantitativ und qualitativ.

Dave und Kollegen bei The RBL Group haben neun HR-Geschäftsmodelle einander gegenübergestellt und zeigen Wege auf, um entlang einer ganzheitlichen Sicht auf Kapital die drei o.g. Dimensionen wertschöpfungsseitig bestmöglich aufzubauen und zu evaluieren.
Josh legt den Schwerpunkt darauf, im Rahmen der HR-Transformation vom prozesszentrierten Push-Modell zu einem mitarbeiterzentrierten Pull-Modell überzugehen. Arbeitsbedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen Mitarbeitender stehen im Mittelpunkt, nicht das Prozessdesign selbst!

In der Praxis wünsche ich mir hierbei mehr Methodik im Vorgehen und mehr Konsequenz in der Umsetzung.

Rolle des CHRO

In einer kürzlich publizierten Mercer-Umfrage „Voice of the CHRO“ wurde unter anderem die Frage gestellt: Was hätten Sie gerne gewusst, als Sie Ihre Tätigkeit als CHRO aufnahmen? Die drei häufigsten Nennungen waren:

  • Mehr Wissen über HR-Datenanalysen und daraus gewonnenen Erkenntnissen,
  • mehr Tiefe in Nicht-HR-Themen, wie z.B. Finanzen und Produktion, sowie
  • Zusammenarbeit und politisch korrekter Umgang mit dem Vorstand.

Viele CHROs wünschen sich

  • ein besseres Verständnis der Strategie, mehr strategisches Denken und Fokussierung,
  • eine intensivere Einbindung in die Unternehmensstrategie und finanzielle Entscheidungen,
  • die Möglichkeit sicherzustellen, dass der Wertbeitrag der Personalfunktion dargelegt und verstanden wird.

Auf die Frage: Wie wird sich die Rolle des CHRO in Zukunft verändern? wurden folgende Antworten am häufigsten genannt:

  • Strategischeres Management angesichts größerer Disruptionen,
  • verstärkter Einsatz von Technologie und Automatisierung, sowie
  • größere Abhängigkeit von vorausschauenden Datenanalysen.

Demzufolge werden CHROs ihr gesamtes Konsistenzdreieck überprüfen: Von der HR-Strategie, über HR-Geschäftsmodell und HR-Struktur, bis hin zu relevanten HR-Kompetenzen. Hierzu gehören Strategisches Denken, Agieren und Kommunizieren, sowie Offenheit für Veränderungen und datenbasierte Entscheidungen.

Fazit

Für eine tiefgreifende Transformation bedarf es einer Änderung der Unternehmenskultur und -philosophie. Nachhaltigkeit beispielsweise ist nicht nur einfache Veränderung im Sinne des Change Managements, sondern eine Transformation! Dabei gilt es auch den Geschäftszweck zu beleuchten und den Purpose des Unternehmens ggf. neu zu definieren.

Am Beispiel von Digitalisierung und HR IT habe ich versucht deutlich zu machen, dass agile Ansätze notwendig sind. Geschäftsmodelle und Strukturen sollten auf Basis eines „stabilen“ Purpose- und Wertegerüstes und ausgerichtet an der Strategie flexibler werden.

Personaler sind dafür prädestiniert, Stimmungen in der Belegschaft zu erkennen und in Transformationsprozessen aktiv aufzugreifen. Wesentliche HR-Werttreiber sind qualitativer Natur, haben jedoch eine wichtige Frühwarnfunktion für „harte Zahlen“; die eingangs skizzierte ganzheitliche Sicht auf Kapital. Dies gilt es transparent zu machen und aktiv zu steuern.

CHROs sind gefordert, einerseits Kosten im Blick zu haben, andererseits aber auch Talente zu gewinnen und zu binden, sowie innovativ zum Unternehmenswachstum einen messbaren Beitrag zu leisten. HR-Geschäftsmodelle sollten dieses Spektrum abbilden. Die Arbeit der CHROs wird dadurch laut McKinsey komplexer. Deren im Beitrag skizzierte Selbsteinschätzung macht Mut und lässt hoffen.