Ganz gleich, ob Sie ein kleines Unternehmen haben oder eine grosse Organisation mit Tausenden von Mitarbeitern leiten; die Auswahl der falschen Kandidaten und Bewerber kann sich erfolgskritisch auf Ihr Unternehmen auswirken. Wo kommen geeignete Bewerberinnen und Bewerber denn her? Über welche Kanäle wurden sie angesprochen?

Um sicherzustellen, dass Ihr Unternehmen kluge Investitionen in neue Mitarbeitende tätigt, sollten Sie ein paar Dinge beachten.

Messgrößen im Recruiting – lagging indicators

Viele sprechen von KPIs und meinen operative Berichtsgrössen mit Bezug zur Effizienz; also im Wesentlichen Kosten, Zeit und (subjektiv wahrgenommene) Qualität. Ich spreche hier eher von HR Reporting. Dies erfasst grundlegende Fakten über eine Organisation oder ein Team und hilft Managern und Führungskräften, ihre Teams und Mitarbeitende zu monitoren und zu verwalten. Es quantifiziert den aktuellen Zustand – mehr nicht.

Bezogen auf Recruiting werden im Wesentlichen folgende Messgrössen genannt (vgl. Personalwirtschaft 4.2017 und Haufe 11.2017):

  • Applications per Vacancy: Durchschnittliche Bewerbungsanzahl je freie Stelle.
  • Candidate Conversion Rate (I): Klicks auf den Bewerbungsbutton / Besucher einer Stellenanzeige.
  • Candidate Conversion Rate (II): Anteil der (Karriereseiten-)Besucher, die sich bewerben.
  • Candidate Satisfaction: Zufriedenheit der Bewerber mit dem Rekrutierungsprozess.
  • Channel Effectivess: Anzahl qualifizierter Kandidaten je Rekrutierungskanal.
  • Cost of Vacancy: Kosten einer nicht besetzten Stelle.
  • Cost per Application / Candidate: Kosten pro Bewerbung (Personal- und Marketingausgaben etc.)
  • Cost per Hire: Kosten pro Einstellung (Personal- und Marketingausgaben etc.)
  • Cost per qualified Candidate: Kosten pro geeignetem Bewerbern (z.B. nach Ranking oder nach einem definierten Prozessfortschritt).
  • Channel Quality: Anteil von qualifizierten Bewerbern nach Kanal (alternativ: Quote von qualifizierten Bewerbern zu allen Bewerbern pro Kanal)
  • Churn Rate per Channel: Abbruchquoten von Bewerbern innerhalb des Bewerbungsprozesses nach Kanal (auch pro Prozessschritt möglich)
  • Drop-Out-Rate: Verhältnis von Klicks auf Bewerbungsbutton zu Abschluss einer Bewerbung.
  • Hiring-Manager-Satisfaction: Zufriedenheit der Fachabteilung mit dem Prozess.
  • Offer-Acceptance-Rate: Verhältnis von ausgesprochenen zu angenommenen bzw. abgelehnten Vertragsangeboten.
  • Time to Fill: Durchschnittliche Dauer von Stellenveröffentlichung bis Stellenbesetzung.

Bereits bei diesen Messgrössen tappen viele im Dunkeln. Tim Verhoeven schreibt in seinem Beitrag: „Wer kann schon mit Gewissheit sagen, welche Bewerber über welchen Kanal gekommen sind? Welche Social-Media-Beiträge, welche Banner oder welche Mailings erfolgreich waren? Unternehmen investieren immer mehr Geld in Recruiting-Massnahmen, ohne dabei die Bewerber und die Recruiting-Kanäle ausreichend zu verstehen. Genau genommen haben sie häufig nicht einmal eine Vorstellung davon, wer ihre „typischen“ Bewerber sind und auf welchem Wege diese von Vakanzen erfahren haben.“

Wer Transparenz auf dieser Ebene erzielen möchte, dem empfehle ich unsere Online-Befragungen im Rahmen des TRMForums, sowie die Anwendung des Talent Sourcing Canvas.

Kennzahlen im Recruiting – leading indicators

HR-Metriken helfen HR und dem Unternehmen, die Effizienz, Effektivität und Wirkung ihrer HR-Systeme, Programme und Prozesse zu bewerten. Sie sind also umfassender als die o.g. Messgrössen und liefern ein umfassenderes Bild bei der Beurteilung, wie gut HR arbeitet.

Interessante HR-Metriken sind (vgl. Yves Schneuwly und Sonja Diez):

  • Channel Effectiveness: Prozentsatz der Einstellungen pro Kanal im Verhältnis zu den Bewerbungen.
  • Early Turnover: Zahl der Neueinstellungen, die weniger als sechs Monate im Unternehmen verbleiben.
  • Hit-Rate Active-Sourcing: Anzahl aktiv kontaktierte Talente im Vergleich zu tatsächlich eingegangenen Bewerbungen.
  • Percent of positions slates with diverse candidates: Anteil der Positionen mit verschiedenartigen Kandidaten (Diversity).
  • Quality of Hire: Evaluation der Neueinstellungen; vorzugsweise aufgeschlüsselt nach Beschaffungskanal (siehe Helvetia-Beispiel, folgende Abbildung).
  • Quality of Talentpool: Verhältnis neuer externer Bewerber (Talentmarkt) vs. bekannter externer Bewerber (gemanagter Talentpool) vs. interne Bewerber.
  • Referral Candidate Rate: Anteil Bewerbungen durch Mitarbeiterempfehlungen.
  • Source of Hire: Profil leistungssstarker Neueinstellungen (Ausbildung, AC-Bewertungen, Berufserfahrungen).

Dass HR-Metriken sich aus mehreren Messgrössen zusammensetzen können, zeigt das nachfolgende Projektbeispiel zu „Quality of Hire“ und „Time to Perform“ von Helvetia:

Allgemein herrscht allerdings in den Unternehmen weitgehend Unsicherheit, welche HR-Metriken das Recruiting erfassen sollte. Einzelne Kennzahlen liefern häufig kein ausreichendes Bild.
Hier noch ein weiteres Beispiel: Dient die absolute Anzahl an Bewerbern als Kennzahl, könnte man meinen, eine Ausschreibung bei der Agentur für Arbeit sei der erfolgreichste Kanal, immerhin generiert sie zahlreiche Bewerbungen bei minimalen Kosten. Das finale Ergebnis kann jedoch ganz anders sein: Möglicherweise kommt auf diesem Weg nicht eine Einstellung zustande.

KPIs im Recruiting – strategic indicators

Hier gilt der Grundsatz: Just because you can measure it, it doesn´t mean it matters! Das ist nun die Königsdisziplin. Nicht Technik und eine Fülle an Daten „auf Knopfdruck“ ist entscheidend, sondern Logik (vgl. LAMP Framework und IMPACT Cycle). Das zugrunde liegende Ziel der Analyse besteht darin, Muster zu identifizieren, die strategische Entscheidungen beeinflussen können (vgl. Talent Analytics, Workforce Analytics).

In meinen Ausführungen zu den „7 Säulen des Erfolges“ (vgl. Monster) steht die Säule „Acquisition & Hiring Analytics“ für vorausschauende Analysen, um Stellenbewerbungen zu bewerten und die besten Kandidaten auszuwählen, mit denen sich der Recruiter treffen sollte.

Entlang des IMPACT Cycle bedeutet dies:

  • Identify the business challenges (Identifizieren Sie die geschäftlichen Herausforderungen): Welchen Kandidaten sollten Sie einstellen (wer bleibt lange und leistet gute Arbeit)?
  • Master the data (Beherrschen Sie die Daten): Integration von Bewerber-, Unternehmens- und Arbeitsmarktdaten. Bauen Sie Prognosemodelle auf, um herauszufinden, welche Kandidaten loyal und leistungsstark sind.
  • Provide the meaning (Liefern Sie Erkenntnisse und Einsichten): Geben Sie klare und präzise Interpretationen der Daten und Grafiken im Kontext der identifizierten kritischen Handlungsfelder.
  • Act on the findings and recommendations (Reagieren Sie auf diese Befunde und Empfehlungen): Bieten Sie durchdachte Geschäftsempfehlungen basierend auf Ihrer Interpretation der Daten. Binden Sie nach Möglichkeit eine grobe Euro-Zahl an die mit Ihren Empfehlungen verbundenen Umsatzverbesserungen oder Kosteneinsparungen.
  • Communicate (Kommunizieren Sie, nutzen Sie Storytelling): Konzentrieren Sie sich auf eine mehrstufige Kommunikationsstrategie, die Ihre Erkenntnisse so weit wie möglich in der Organisation verbreitet bzw. streut.
  • Track the results (Halten Sie die Ergebnisse nach und schreiben Sie diese fort): Finden Sie einen Weg ein, um die Auswirkungen Ihrer Erkenntnisse nachzuhalten. Stellen Sie sicher, dass es in Zukunft eine Nachverfolgung mit Ihren Geschäftspartnern über das Ergebnis jeglicher Aktionen gibt: Was wurde getan, welche Auswirkungen sind beobachtbar und welche neuen kritischen Fragen brauchen eine Antwort?

Untersuchen Sie folgende Wirkzusammenhänge:

  • Korrelation zwischen Interview und beruflicher Leistung.
  • Art und Anzahl an Fragen, die während des Interviews gefragt wurden, und beruflicher Leistung.
  • Qualität des Lebenslaufs und Auftritt im Interview.
  • Anzahl an Fragen, die fachgerecht beantwortet wurden, versus beruflicher Leistung.
  • Akademischer Hintergrund versus Arbeitsleistung.

Der IMPACT Cycle unterstützt also dabei vorauszusagen, wer sich für ein Vorstellungsgespräch eignet, wie der Interviewprozess optimiert werden kann, wie man Kandidaten am besten bewertet, und wie Tests zu gestalten sind. Im Ergebnis geht es darum, die Korrelation zwischen der Leistung eines Kandidaten während des Interviews und seiner Leistung in einer bestimmten Funktion als Mitarbeitender zu analysieren.

Hierzu ein anonymisiertes Projektbeispiel (vgl. Fitz-Enz / Mattox):

Für solche Erkenntnisse sind statistische Analysen notwendig, die ich mittels SPSS in Projekten einbinde.

Fazit

Traditionell wurde im Recruiting die Frage gestellt: „Ich möchte eine Planstelle besetzen. Wie sollte ich vorgehen?“. In der aktuellen Diskussion höre ich häufig die Frage: „Ich möchte jemanden Neuen. Wie weiss ich, woher die besten Leute kommen und wer am besten zu meinem Team passen würde?“. In der Zukunft wird man fragen: „Kannst du mir die besten Leute empfehlen, bevor ich sie brauche, damit ich proaktiv einen Talentpool geeigneter Kandidaten aufbauen kann?“.

Analytics im Recruiting wird sich meiner Meinung nach zunehmend durchsetzen. Nur mit einem strategie-gerichteten Vorgehen und in Verbindung mit einer strategischen Personalplanung (vgl. Siemens) sowie den o.g. Methoden und Verfahren werden Unternehmen echte Einblicke in ihr Recruiting gewinnen. Im Zuge dessen wird sich auch die Arbeitsweise des Recruiters grundlegend verändern. Dieser Wandel muss kommunikativ begleitet werden und findet letztlich in den Köpfen der Recruiter statt.

Ein interessantes Vorgehen präsentierte DocuSign auf der PA World 17 in London (mehr Infos auf Nachfrage):

Weitere Unternehmensbeispiele von METRO Cash & Carry, Nokia, u.a. finden Sie hier; Ausführungen von Rentokil Initial, Google und JPMorgan Chase hier auf den Seiten 40-41. Die spezifischen Herausforderungen und Strategien (bzgl. Employer Branding und Recruiting) in der Berufsausbildung habe ich in einem separaten Blogbeitrag beleuchtet.

Hinweis: Im Forum 2018 steht das Thema „Analytics bei der Ansprache und Gewinnung von Berufseinsteigern“ im Mittelpunkt.