Im diesem letzten Beitrag der Reihe zum Status Quo von HR im Thema Digitalisierung steht die Gestaltung agiler HR-Strukturen im Fokus. Davor beschäftigte ich mich mit Potenzialen neuer Technologien für HR im Kontext einer HR-Strategie sowie mit der Gestaltung digitaler und smarter HR-Prozesse.

Bisher …

arbeitet HR häufig sehr intransparent. Viele Mitarbeitende in Geschäftsbereichen wissen häufig gar nicht, was HR den ganzen Tag tut. Diese Kultur der Intransparenz und in Teilen der Kontrolle wird sich zukünftig ändern müssen.

Nachfolgend einige Beispiele, um Kultur zu fördern:

  • Förderung von dialogorientierten Kommunikationsformaten,
  • Entwicklung von Vertrauenskulturen,
  • Ermöglichen von kontinuierlichem Lernen, sowie
  • Schaffen von Arbeitsräumen.

In zahlreichen Unternehmen konnte die Rolle des HR Business Partners ebenso erfolgreich etabliert werden wie Competence Center. Desgleichen existieren einige Beispiele für erfolgreiche Konsolidierung von HR Shared Services. Gleichwohl bleibt festzustellen, dass in vielen Unternehmen die Einführung des Drei-Säulen-Modells noch nicht wirklich vollzogen ist. Häufig war die Transformation eher ein Wechsel auf der Ebene des Jobtitels und weniger im Mindset der Personaler, geschweige denn in deren Wahrnehmung durch das Business.

Nach wie vor stagnieren zahlreiche Personaler in der Rolle des operativen Dienstleisters und erhalten durch dieses Selbstverständnis häufig das Image des überbürokratischen, inflexiblen Aktenwälzers und Innovationskillers. Gleichzeitig wird HR nach wie vor oft als digitaler Spätentwickler mit geringer Workforce Analytics-Kompetenz wahrgenommen, der keinen Mehrwert zu einer Social Enterprise-Strategie beisteuern kann.

Durch die Digitalisierung …

kommt es entsprechend der Befunde der von Andersen und von Rohrscheidt geleiteten Studie „Benchmarking HR Digital“ zu einer Aufgabenverschiebung in HR. Während der Anteil administrativer Tätigkeiten durch Automatisierung (insbesondere im HR SSC) immer weiter abnimmt – abnehmen muss! -, steigt der Anteil des operativen HR-Kerngeschäfts und von strategischen Aufgaben.

John P. Kotter, Grabmeier u.a. erwarten eine duale Struktur, ein duales Betriebssystem, aus einem klassisch-hierarchischen HR-Teil, der auf Effizienz und Exzellenz ausgerichtet und in dem das klassische Personalmanagement beheimatet ist. Daneben gibt es vor dem Hintergrund der VUCA-Umwelt und der dadurch bedingten hohen Bedeutung von Agilität einen agilen HR-Teil, der sich um Themen wie Change, Innovation, Kulturwandel und New Work kümmert. Die neuen Werkzeuge von HR heissen Design Thinking, Scrum und Customer Experience Journey.
Unternehmen brauchen also beides: Stabilität und Agilität, Hierarchie und Netzwerke – ein klassisch-hierarchisches Betriebssystem und ein agiles Betriebssystem. Für beide Ausprägungen von HR gilt gleichermassen, dass Analytics und eine integrierte digitale Infrastruktur das neue Fundament von HR bilden werden.

Volker Jacobs, TI People, schlägt folgende digitale Agenda des Human Resources Management vor:

Konsumentenorientierung beschreibt den Einsatz digitaler Technologie mit dem Ziel, den Kunden von HR Services – diese umfassen sowohl den Talentzyklus als auch transaktionale HR Services wie die Beantwortung von Mitarbeiteranfragen oder die Erstellung von Bescheinigungen und Dokumenten – einen auf ihren individuellen Nutzen hin ausgerichteten Service zukommen zu lassen.
Mit Hilfe von Arbeitskräfte-Analytik, auch: Workforce Analytics, ist die HR-Funktion faktenbasiert in der Lage, arbeitskräftebezogene Unternehmensentscheidungen zu verbessern.
2016 war dabei das Jahr des Ausprobierens und der Schaffung von Datengrundlagen; 2017 das Jahr der Nachhaltigkeit, d.h. des kulturellen, ethischen und rechtlichen Rahmens. 2018 nehmen die Anzahl sog. Use Cases deutlich zu [mehr Informationen]. Derart fortschrittlich ausgeprägt rückt Analytics damit in den Mittelpunkt des Wertversprechens der Personalarbeit.
Kernaussage zur Neuorganisation von Arbeit ist, dass ab 2020 etwas 40 Prozent der Arbeit in Grossunternehmen nicht mehr nach Stellen organisiert sein wird, sondern in virtuellen Mengen von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Stellenbeschreibung, Stellenbesetzung, Stellenbewertung, Vergütung nach Stellenwert etc. sind für Netzwerke zu unflexibel.

Die agile Organisation aufzubauen, ohne dabei die erreichten Skaleneffekte und globalen Wertschöpfungsketten der klassischen Organisation zu zerstören, sollte Teil der digitalen Agenda der HR-Funktion sein.
Um Netzwerke und virtuelle Talentpools erfolgreich organisieren zu können, braucht es Echtzeit-Wissen hinsichtlich der Fähigkeiten und Kompetenzen, die im Unternehmen und darüber hinaus erforderlich bzw. vorhanden sind, sowie Informationen zu den damit verbundenen Kosten und deren Wert. In diesem Zusammenhang rückt das Thema Strategische Personalplanung auf die vordersten Plätze der HR-Agenda.

Abschliessend noch kurz zu Holacracy, einem Selbstorganisationsansatz. Dies ist ein System, das Autorität innerhalb einer Firma dynamisch regelt. Die verschiedenen Funktionen sind nicht mehr fix einer Person zugeordnet. Sie werden als Rollen verstanden. Selbstorganisierte Unternehmen arbeiten nicht ohne Strukturen, Regeln und Ordnung. Das Ordnungsprinzip ist jedoch nicht mehr die Machtstruktur, sondern es sind die Funktionen und Rollen, in denen Arbeit in einem Unternehmen erledigt wird.
Mit einem kleinen Set an Gestaltungsmitteln bietet Holacracy eine Methode, die Strukturen von Unternehmen abzubilden, sie sich im digitalen Umfeld in ständigen Wandel befinden. Bisher gibt es allerdings noch wenig Praxiserfahrungen mit diesem Ansatz.

Diese drei skizzierten Ansätze sind in vielen Aspekten neues Terrain für HR und müssen sich daher erst Schritt für Schritt entwickeln. Hierfür bedarf es anderer Mitarbeitertypen und eines anderen, stärker netzwerkartigen Organisationsdesigns. Das klassische Drei-Säulen-Modell ist in einer VUCA-Umwelt daher nur noch bedingt passend.

Fazit

Nach unseren Untersuchungen haben originäre HR-Themen, wie die Entwicklung einer innovativen Führungs- und Unternehmenskultur sowie die Steigerung der Besetzungsqualität von Schlüsselpositionen, mehr denn je einen hohen Effekt auf die Leistungskraft eines Unternehmens. Auch der Fachkräftemangel, alternde Belegschaften, Multi-Generationen und New Work haben Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Die gegenwärtige Situation bietet also grosse Chancen für HR, den Unternehmen neuen Mehrwert zu bieten.

Risiko dabei: Die HR-Abteilung wird zukünftig zum teuren Luxus und muss ihren Mehrwert neu unter Beweis stellen. Deshalb sollte sie sich endlich auf wertschöpfende Tätigkeiten wie die Zukunftsthemen Transformation, Talent Management und Workforce Analytics konzentrieren – dies nicht nur mit Worten.

Digitalisierung beschreibt dem eigentlichen Begriff nach nur einen computergesteuerten Workflow, der nicht intelligent ist, sondern starren Regeln folgt. „Intelligent“ wird der digitale Workflow erst durch den Einsatz von Analytics und Künstliche Intelligenz, welche die Regeln der Situation unverändert lassen oder anpassen. Was diesen Technologien völlig fehlt sind Empathie und Intuition, also Reaktions- und Veränderungsfähigkeit auf Basis weicher Faktoren.

Für die Bewertung des Reifegrades von HR im Thema Digitalisierung kann das in Beitrag 1/3 bereits skizzierte Diagnosewerkzeug verwendet werden. Wahler hat ein sog. „HR-Digitalisierung Assessment“ entlang von zehn Dimensionen entwickelt: Strategie, Führung, Organisation, Prozesse, Digitale Kompetenzen, Mobile Anwendungen, Big Data, Mitarbeiterbeteiligung und Datenschutz, HR-IT-Architektur, Systeme und Schnittstellen, sowie Daten: Qualität – Strukturen – Menge.

Viel Mut, neue Wege zu gehen, und Freude – auch an kleineren Erfolgen, die in die richtige Richtung weisen!