Wie lange reden wir schon über Employer Branding? Über Value Proposition? Über Alleinstellungsmerkmale? Was machen wir aus den insgesamt 85.500.000 Ergebnissen, welche uns Google derzeit zu nur diesen drei Begriffen anbietet? Bisher nicht viel! Schnell verweisen wir auf fehlende Zeit und Budgets, auf Führungskräfte, die das alles nicht verstehen und auf die Zielgruppen, die eh machen, was sie wollen.

Dabei ist das Vorgehen klar: Entlang relevanter Marktentwicklungen bewerten Unternehmen den geschäftlichen Zusammenhang, priorisieren Handlungsfelder, stellen Hypothesen auf und führen eine Ursachenanalyse durch! Erst danach macht es Sinn, in die Konzeption und Entwicklung einzusteigen und Maßnahmen umzusetzen, die kontinuierlich evaluiert werden.

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Nachdem Strategie und Planung zur Ansprache und Gewinnung von Talenten in groben Zügen stehen, kommt nun endlich mal „Butter bei die Fische“. Soll heissen: Das strategische Konstrukt wird mit Leben gefüllt.

Im Jahr 2014 entwickelten wir bei der STRIM das Talent Sourcing Canvas (kurz: TSC). Dieses Canvas basiert auf dem Business Model Canvas nach Alexander Osterwalder und Yyes Pignuer, das bereits in zahlreichen Unternehmen eingesetzt wird. Es beruht auf neun grundlegenden Bausteinen: Zielgruppen/-segmente, Beziehungsaufbau, Marketing- und Recruitingkanäle, Inhalte und wesentliche Informationen, Nutzenversprechen, Schlüsselaktivitäten, Schlüsselressourcen, Geschäftspartner, sowie Kosten- und Nutzenevaluierung.
Das TSC bildet die Grundlage, um die Logik der Wertschöpfung in der Berufsausbildung zu beschreiben. Das Geschäftsmodell des TSC ist als eine Blaupause für eine Strategie zu sehen, die durch organisatorische Strukturen, Prozesse und Systeme umgesetzt werden soll.
Als wir das TSC in den Tagungen der STRIMacademy vorstellten, kamen die Marketing-, Recruiting- und Bildungs-Experten sehr schnell damit zurecht. Der Schwerpunkt lag auf dem Baustein der Zielgruppen/-segmente, der in Verbindung mit unseren Schülerbefragungen immer transparenter wurde. Seit unserer Berufsbildungsstudie 2016 unterscheiden wir auf Basis der SINUS Lebenswelten mehrere Berufsorientierungscluster – getrennt für DE, AT und CH -, die für die Ansprache relevant sind.

Schwerer tun sich die Experten mit der Anwendung strategischer Analysen, wie z.B. der Kulturanalyse, der Wettbewerbsanalyse, sowie der resultierenden SWOT-Analyse. Das Erarbeiten des Nutzenversprechens, der Value Proposition, steckt deshalb häufig noch in den Kinderschuhen.

Was also ist zu tun? Seit der Ausdifferenzierung der Zielgruppen, damit einhergehender Touchpoints, sowie identifizierter Erwartungen an den Beruf und den Betrieb gewinnt auch die Diskussion der Value Proposition nach und nach an Tiefe. Dieser Baustein beschreibt die Gesamtheit von Produkten und Dienstleistungen – im hier konkreten Fall: der Marketing-, Recruiting- und Bildungsverantwortlichen -, welche den Zielgruppen angeboten werden. Das Nutzenversprechen hilft den Segmenten, bestimmte Probleme zu lösen oder Bedürfnisse zu erfüllen.

Im „Konzert“ der neun Bausteine – die Abbildung stammt aus einem TSC-Brainstorming im Rahmen einer Fachtagung – ist die Value Proposition noch wenig aussagekräftig. Wesentliche Leitfragen hierzu sind:

  • Was sind unsere Stärken und Chancen im Betrieb?
  • Welchen Nutzen bzw. Mehrwert liefern wir unseren Zielgruppen?
  • Auf welchen Gebieten bzw. in welchen Berufen sind (regionale) Wettbewerber besser aufgestellt?
  • Wie befriedigen wir die Bedürfnisse bzw. wie treffen wir die Erwartungen der Zielgruppen?
  • Welches Image haben wir im relevanten Markt?

Bei der Beantwortung dieser Leitfragen in Verbindung mit den zwei Bausteinen „Zielgruppen/-segmente“ und „Nutzenversprechen“ für einen Ausbildungsberuf, wie z.B. dem Elektroniker, oder einen Dualen Studiengang verbessert sich die Aussagekraft deutlich.

Methodische Grundlage ist hierbei das Value Proposition Canvas (kurz: VPC). Es differenziert die beiden o.g. Bausteine weiter aus, damit es Unternehmen gelingt, ihr Nutzenversprechen zu schärfen.

Im Beispiel (Auszug) hat der angehende Elektroniker das Bedürfnis zu experimentieren und zu basteln. Ausserdem möchte er Geld verdienen, um sich ein Mofa zu kaufen. Sorge hat er vor dem Arbeitsumfeld, vor den Bewerbungsverfahren und dem Leistungsdruck. Daneben macht er sich über das Ansehen des Berufes Gedanken. Der Ausbildungsbetrieb wartet mit einem modernen Bildungszentrum auf und bietet hohe technische Standards. Ausserdem werden regelmässige Fachseminare sowie Fitnessmassnahmen angeboten. Den Sorgen des angehenden Elektronikers begegnet der Betrieb durch Praktika, Prüfungsvorbereitungen und Bewerbungstrainings. Zusätzlich wird die Mitgliedschaft in einer Azubi-Gruppe angeboten, wo authentisch Fragen beantwortet und Hilfestellungen geboten werden. Ein Mentor sorgt von Beginn an dafür, dass sich der Bewerber wohlfühlt; d.h. den Nutzen einer Ausbildung in dem Betrieb erkennt und die Probleme in ihrer Bedeutung abnehmen.

Auf dieser „Flughöhe“ werden nun der Beziehungsaufbau, die zielführenden Kanäle, sowie relevanter und interessierender Content aufgebaut und zur Verfügung gestellt. Soweit, so gut; aber nicht hinreichend.

Denn nun beginnt die Analyse dieser Interventionen entlang Markenbekanntheit, Conversion Rates, Kanalqualität, Gesamteffizienz u.v.m. Das Brand-Screen-Modell dient hierbei als wichtiges Tool, um entlang des Markentrichters – u.a. am Beispiel Elektroniker – zu erkennen, wo geeignete Bewerber*innen „verloren“ gehen. Insbesondere die Analyse entlang Conversion Rates und Drop Out Rate führten in der diesjährigen Fachtagung zu etlichen Aha-Momenten.

Hier wird es derzeit noch dünn im Datenhaushalt der Unternehmen – unabhängig von deren Grösse und ERP-System. Dies ergaben auch unsere Online-Befragungen im Vorlauf zur Fachtagung. Knapp 16 Prozent der befragten Unternehmen konnten hierzu überhaupt Aussagen machen; einige Angaben davon waren rechnerisch falsch. Deshalb bitte nun endlich mal „Butter bei die Fische“!