Hybride Arbeitsformen prägen die moderne Arbeitswelt. Doch wie beeinflussen sie Produktivität, Führung und Nachhaltigkeit? Ein Blick auf Forschung und Praxis.

Hybride Arbeitsformen sind aus der modernen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Flexible Arbeitsmodelle können die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden steigern. Gleichzeitig stellen sie Unternehmen vor neue Herausforderungen in Bereichen wie Führung, rechtliche Rahmenbedingungen und Nachhaltigkeit. In diesem Beitrag werfe ich einen detaillierten Blick auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, aktuelle Spannungsfelder und praktische Umsetzungen von hybriden Arbeitsmodellen.

Aktuelle wissenschaftliche Beiträge zu hybriden Arbeitsformen

Aus der Fülle aktueller Beiträge werden nachfolgend nur einige wesentliche genannt:

Produktivität und Effizienz: Studien belegen, dass hybride Arbeitsmodelle nicht nur das Wohlbefinden der Mitarbeitenden fördern, sondern auch ihre Produktivität erheblich steigern können. Studien von McKinsey [u.a. Mai 2023 | Juli 2023 | Februar 2024] und neue Erkenntnisse von Lynda Gratton belegen, dass Mitarbeitende, die flexibel arbeiten können, häufig produktiver und zufriedener sind.

Dies ist jedoch kein Automatismus, sondern geht v.a. mit einer inklusiven Unternehmenskultur, klaren Strategien und Rollen, regelmäßiger Kommunikation und flexiblen Arbeitsbedingungen einher.

Zur Vertiefung empfehle ich die Studie des Projektes Connected Work Innovation Hub und den Beitrag von Marc Effron über existierende Mythen.

Führung und Teamdynamik: Hybride Arbeitsformen erfordern von Führungskräften neue Ansätze und Strategien. Die Herausforderung besteht darin, sowohl remote als auch vor Ort arbeitende Teammitglieder effektiv zu führen und eine kohärente Teamdynamik zu gewährleisten. Aktuelle Beiträge, wie z.B. von Haufe und Deloitte, sind ein Beleg dafür, dass Kommunikation, Vertrauen und persönliche Momente dabei zentrale Rollen spielen.

Mitarbeiterfluktuation und Engagement: Eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit durch flexible Arbeitsbedingungen kann die Fluktuation deutlich verringern. Eine aktuelle Studie von Bloom, Han und Liang kommt u.a. zum Ergebnis, dass hybrides Arbeiten die Arbeitszufriedenheit verbessert und die Kündigungsrate deutlich reduziert. Außerdem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein hybrider Arbeitsplan mit zwei Tagen Heimarbeit pro Woche der Leistung nicht schadet.

Sitz zwischen den Stühlen

Der Ausdruck „Sitz zwischen den Stühlen“ beschreibt im Kontext von hybriden Arbeitsmodellen die Zwickmühle, in der sich Mitarbeitende und Unternehmen oft befinden. Sie versuchen, die Vorzüge beider Welten miteinander zu vereinen, gehen dabei aber das Risiko ein, weder die eine noch die andere Seite vollständig zufriedenzustellen. Hier sind einige Aspekte, in denen dieses Spannungsfeld deutlich wird:

Führung und Flexibilität: Der Balanceakt zwischen Kontrolle und Autonomie

Führungskräfte zwischen Flexibilität und Kontrolle: Führungskräfte befinden sich oft im „Sitz zwischen den Stühlen“. Einerseits wollen sie den Wunsch nach mehr Flexibilität und Autonomie der Mitarbeitenden unterstützen. Andererseits sehen sie aber auch die Notwendigkeit, Kontrolle und Übersicht über die Teamleistung zu behalten. Dieser Spagat kann dazu führen, dass weder die Flexibilitätsbedürfnisse der Mitarbeitenden noch die Anforderungen an Führung und Struktur vollständig erfüllt werden.

Teamdynamik zwischen Nähe und Distanz: In hybriden Teams kann sich die Teamdynamik wie ein „Sitz zwischen den Stühlen“ anfühlen, wenn ein Teil des Teams im Büro und der andere Teil remote arbeitet. Die Mitarbeitenden im Büro könnten das Gefühl haben, stärker in Entscheidungen eingebunden zu sein, während diejenigen, die remote arbeiten, sich isoliert oder weniger wahrgenommen fühlen. Diese Spaltung kann zu Spannungen führen und das Teamgefühl beeinträchtigen.

Mitarbeitende zwischen Büro und Home-Office: Die Gratwanderung der Produktivität

Mitarbeitende zwischen Büro und Home-Office: Mitarbeitende, die hybrid arbeiten, können das Gefühl haben, sich ständig zwischen den Erwartungen der Büroarbeit – z.B. Präsenz, direkte Kommunikation – und den Anforderungen des Home-Office – z.B. Selbstorganisation, technische Herausforderungen – aufreiben zu müssen. Dies kann zu einer Situation führen, in der sie sich weder im Büro noch im Home-Office vollständig wohl oder produktiv fühlen.

Abgrenzung von Arbeit und Privatleben: Hybrides Arbeiten hat unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene soziale Gruppen und Lebenswelten (vgl. Berufsbildungsstudie 2016). Während manche Mitarbeitende die Flexibilität begrüßen, fühlen sich andere isoliert oder benachteiligt. Soziologische Analysen, wie die der Sinus-Milieus, helfen dabei zu verstehen, welche Gruppen besonders von hybriden Arbeitsmodellen profitieren – und welche nicht. Einige Beispiele:

  • Belegschaften im konservativ-etablierten Milieu könnten hybriden Arbeitsformen skeptischer gegenüberstehen, da sie möglicherweise die Trennung zwischen Beruf und Privatleben schätzen und das Büro als Arbeitsort bevorzugen.
  • Mitarbeitende aus der bürgerlichen Mitte könnten hybride Modelle als Chance sehen, um berufliche und familiäre Verpflichtungen besser in Einklang zu bringen.
  • Personen aus dem hedonistischen Milieu, die Wert auf Spaß und Abwechslung legen, könnten hybride Arbeitsformen aufgrund der Flexibilität begrüßen.

Hybride Arbeitsmodelle können maßgeblich zur Reduktion des CO₂-Fußabdrucks beitragen. Weniger Pendlerverkehr, ein geringerer Energieverbrauch in Büros und eine optimierte Nutzung von Ressourcen sind nur einige der ökologischen Vorteile. Studien des Umweltbundesamtes und Praxiserfahrungen von IKEA, Nestlé und Siemens zeigen, wie signifikant der Beitrag hybrider Modelle zur Nachhaltigkeit sein kann.

Fakt ist aber auch: Im hybriden Modell verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeits- und Rückzugsort und nicht alle Milieus fühlen sich damit wohl.

Tradition trifft Innovation: Rechtliche und kulturelle Herausforderungen hybrider Arbeit

Unternehmen zwischen Tradition und Innovation: Unternehmen stehen oft vor der Herausforderung, traditionelle Arbeitsweisen und Unternehmenskultur mit den Anforderungen der digitalen und flexiblen Arbeitswelt in Einklang zu bringen. Sie müssen einen Mittelweg finden, der die Vorteile beider Welten nutzt, ohne dass eine der beiden Seiten vernachlässigt wird. Dies kann bedeuten, dass Unternehmen in der Anpassung ihrer Prozesse und Kultur langsamer vorankommen, um keinen der „Stühle“ vollständig aufzugeben.

Arbeits- und sozialrechtliche Herausforderungen: Auch rechtlich befinden sich Unternehmen oft zwischen den Stühlen, wenn es darum geht, hybride Arbeitsformen zu gestalten, die sowohl den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht werden als auch den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Besonders herausfordernd ist dies, wenn Mitarbeitende aus dem Ausland arbeiten oder unterschiedliche Arbeitszeitregelungen für verschiedene Standorte gelten.

Die Einführung hybrider Arbeitsmodelle wirft also zahlreiche rechtliche Fragen auf:

  • Wie gestaltet sich das Arbeitszeitgesetz im Home-Office?
  • Welche Datenschutzregelungen müssen eingehalten werden?
  • Welche Vereinbarungen sind im Arbeitsvertrag festzuhalten?

Zur Vertiefung empfehle ich Publikationen der AHW Unternehmerkanzlei , der Dr. Kluge und Fischer-Lange Rechtsanwälte, sowie von Haufe.

Die Arbeit im Home-Office bringt auch sozialrechtliche Herausforderungen mit sich:

  • Wie sind Mitarbeitende zu Hause versichert?
  • Welche Pflichten haben Arbeitgeber im Hinblick auf den Arbeitsschutz?

Praxisberichte zu hybriden Arbeitsformen und Nachhaltigkeit

Unternehmen wie BASF, Bosch, Deutsche Telekom, SAP, Siemens und BMW gehören in Deutschland zu den Vorreitern bei der Einführung hybrider Arbeitsmodelle. Praxisberichte und Dax-Umfragen zeigen, wie sie hybride Modelle erfolgreich implementiert haben und dabei auch nachhaltige Praktiken fördern.

Die Einführung hybrider Arbeitsmodelle ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden: Von der technischen Infrastruktur über die Anpassung von Führungsstilen bis hin zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Doch wie haben Unternehmen diese Herausforderungen gemeistert? Halbstrukturierte Interviews mit Unternehmensvertretern, die ich persönlich von 19.-30. August 2024 geführt habe, förderten interessante Lösungsansätze zu Tage:

Flexibles Demografie- und Rechtsmanagement: Anpassung an neue Arbeitsrealitäten

Flexibles Demografie-Management: Unternehmen wie Bosch und Siemens nutzen maßgeschneiderte Modelle, um ältere Mitarbeitende in den gleitenden Übergang zur Altersteilzeit oder Rente zu begleiten. Dies schließt flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, zeitweise im Home-Office zu arbeiten, mit ein. Dadurch bleibt die Erfahrung älterer Mitarbeitender dem Unternehmen erhalten, während gleichzeitig eine sanfte Reduktion der Arbeitszeit möglich ist.

Beachtung rechtlicher Rahmenbedingungen: Um die Einhaltung von Arbeits- und Sozialrecht sicherzustellen, setzen Unternehmen auf rechtlich geprüfte Instrumente. Beispielsweise ermöglichen sie das Arbeiten im Ausland nur unter klar definierten Bedingungen, die sowohl steuerrechtliche als auch sozialversicherungsrechtliche Aspekte berücksichtigen. Ein Beispiel hierfür ist SAP, das spezielle Regelungen für Mitarbeitende anbietet, die temporär von anderen Ländern aus arbeiten möchten.

Zur Vertiefung empfehle ich Veröffentlichungen des BMAS, Publikationen von Haufe und der DGUV , sowie den IHK-Ratgeber.

Kulturwandel und Führung: Der Schlüssel zur erfolgreichen hybriden Arbeitswelt

Stärkung der Unternehmenskultur: Um eine Entfremdung der Mitarbeitenden zu verhindern und die Unternehmenskultur zu bewahren, investieren Unternehmen in regelmäßige, hybride Team-Events und Schulungen. BASF nutzt etwa ein Mix aus Online- und Präsenzveranstaltungen, um die emotionale Bindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig eine „soziale Erosion“ durch den regelmäßigen Kontakt mit Kollegen möglichst zu vermeiden.

Optimierung der Führungskultur: Führungskräfte werden speziell geschult, um den Anforderungen des hybriden Arbeitens gerecht zu werden. Dazu gehören Trainings in digitaler Führung, Kommunikation und Konfliktmanagement. Unternehmen wie Siemens setzen auf ein Leadership-Programm, das Führungskräfte befähigt, hybride Teams effektiv zu managen und dabei sowohl die Nähe zu den Mitarbeitenden als auch deren Kreativität zu fördern.

Gleichberechtigung und Balance: Arbeit und Privatleben in Einklang bringen

Gleichberechtigung von „White Collar“- und „Blue Collar“-Mitarbeitenden: Um sicherzustellen, dass hybride Arbeitsmodelle sowohl für „White Collar“- als auch „Blue Collar“-Mitarbeitende praktikabel sind, entwickeln Unternehmen flexible Lösungen, die beiden Gruppen gerecht werden. So bietet Bosch z.B. für Produktionsmitarbeitende Schichtmodelle mit variablen Arbeitszeiten an, während Büroangestellte von flexiblen Home-Office-Regelungen profitieren.

Förderung der Abgrenzung von Arbeit und Privatleben: Unternehmen wie SAP setzen auf klare Richtlinien und technische Tools, um die Abgrenzung von Arbeit und Privatleben zu unterstützen. Dazu gehören z.B. die Einführung fester Arbeitszeiten, digitale Abschaltmöglichkeiten nach Feierabend und die Förderung von bewussten Pausen während des Arbeitstages.

Effiziente Planung und Koordination: Die Abstimmung von Teamterminen wird durch den Einsatz digitaler Tools optimiert, die es ermöglichen, Meetings und gemeinsame Arbeitszeiten effizient zu koordinieren. Tools wie Microsoft Teams oder Zoom werden bei zahlreichen Unternehmen bereits genutzt, um die Zusammenarbeit in hybriden Teams zu erleichtern und sicherzustellen, dass alle Teammitglieder eingebunden bleiben.

Fazit

Hybride Arbeitsformen bieten bei klugem Vorgehen nicht nur Flexibilität und höhere Produktivität, sondern tragen auch maßgeblich zur Nachhaltigkeit bei. Um die Potenziale voll auszuschöpfen, müssen Unternehmen rechtliche Vorgaben beachten, sozial differenziert vorgehen und die Führungskultur anpassen. Die Praxisberichte führender Unternehmen zeigen, dass hybride Arbeitsmodelle zukunftsweisend sind – wenn sie strategisch und nachhaltig umgesetzt werden.

Es besteht wie im Beitrag dargelegt erheblicher Forschungsbedarf bei der Analyse des Zusammenhang zwischen Milieuzugehörigkeit, Ressourcen- und Energieverbrauch sowie dem Widerspruch zwischen Reden und Tun. Durch die Berücksichtigung der SINUS-Milieus können Unternehmen sicherstellen, dass ihre hybriden Arbeitsmodelle inklusiv, gerecht und für alle Mitarbeitenden förderlich sind.

Insgesamt verdeutlicht der „Sitz zwischen den Stühlen“ im Kontext hybrider Arbeitsformen die Spannungsfelder und Kompromisse, die sowohl Mitarbeitende als auch Unternehmen eingehen müssen, um die Vorteile hybrider Arbeitsmodelle zu nutzen, ohne die Risiken und Nachteile aus den Augen zu verlieren.