Bestimmt kennen Sie die Aussage „Sieben auf einen Streich“!? Richtig, das tapfere Schneiderlein, ein Märchen der Brüder Grimm, lässt grüßen.

Das letzte Mal, als ich „Sieben auf einen Streich“ live miterlebt habe, war am 8. Juli 2014; Fußball-WM in Brasilien, Deutschland deklassierte Brasilien im Halbfinale und wurde am Ende Weltmeister. Mit 1:7 wurde die Seleçao von einer wie entfesselt spielenden deutschen Mannschaft praktisch aus dem Stadion geschossen. Luiz Felipe Scolari, Brasiliens Nationaltrainer (siehe Bild), sagte nach dem Spiel, dass es „die schlimmste Niederlage aller Zeiten“ gewesen sei.

Damit es für Sie im Thema Innovation Management – die Rolle der Organisationsgestaltung keine Niederlage wird, sondern ein Erfolg wie beim Schneiderlein und bei der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft habe ich im Folgenden sieben kritische Erfolgsfaktoren zusammengestellt, eben „Sieben auf einen Streich“.

(1) Innovationsstrategie und Innovationsprozess

Die Innovationsstrategie hat häufig Ergebnisse im Blick. Diese sind zweifellos wichtig. Daneben spielt aber auch der Innovationsprozess als solcher eine wichtige Rolle. Dieser ist als ein kontinuierlicher Prozess der Schaffung und Erhaltung der notwendigen Rahmenbedingungen anzulegen, damit Innovationen entstehen können.

Wir unterscheiden sieben Prozessstufen:

  1. Sourcing Chancen erkennen für die Erstellung oder signifikante Verbesserung wertvoller Lösungen
  2. Screening – Beurteilung mehrerer möglicher Lösungen hinsichtlich ihres Wertbeitrages
  3. Designing – Erstellen einer Lösung, die den Wert und die Benutzerakzeptanz optimiert
  4. Developing Nachweis der Betriebsfähigkeit einer entwickelten Lösung
  5. Delivering Einen Lösung auf den Markt bringen, welche eine (günstige) Gelegenheit für Interessenten darstellt
  6. Diffusing – Gewährleistung der Verwendung der Lösung auch für andere Gelegenheiten und Situationen
  7. Adapting Anpassungen am Design oder einzelner (Produkt-)Eigenschaften bei Zustandsänderungen

In der angehängten Präsentation finden Sie beispielhaft die Innovationsprozesse der Bosch Thermotechnik GmbH. Arthur D. Little fasst diese Schritte in seinem Innovation Management Framework zu drei Phasen zusammen: (1) Entwicklung und Strukturierung, (2) Zustimmung und Implementierung, (3) Einführung und Erfolgskontrolle

Fragen Sie sich bitte an dieser Stelle:

  • Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit den Ergebnissen jedes Prozessschrittes? Häufige Unzufriedenheit besteht bei Diffusing und Delivering.
  • Wie gut ist ein Prozessschritt mit dem anderen integriert? Mangelhafte Integration besteht häufig bei Diffusing, Adapting und Screening.

(2) Innovationsstrategie mit integrierter Umsetzung

Hierbei sind zwei große Herausforderugen zu nennen: Zum einen wird die Innovationsstrategie häufig nur ansatzweise in Zielen und Maßnahmen operationalisiert, zum anderen werden die einzelnen, oben bereits skizzierten Prozessstufen nur ungenügend durchgeführt.

Wichtig ist: Innovationen sind neu, einzigartig, bieten einen relevanten Kundennutzen und sind erfolgreich im relevanten Markt etabliert.

Die Innovationsstrategie in einem Unternehmen ist somit ein zentraler Teil der Unternehmensstrategie und legt fest, wie sich die Organisation für Wachstum durch Innovation entschieden hat. Die Prioritäten einer solchen Wachstumsstrategie sind ein elementarer Bestandteil des Geschäftsmodells! Die Strategie definiert, auf welche Weise das Unternehmen Wert erzeugt, liefert und behält.

Für eine kraftvolle Operationalisierung der Strategie sind folgende Punkte zu beachten:

  • Es existiert eine enge Verknüpfung der Innovationsstrategie mit der Unternehmensstrategie – auch unter Berücksichtigung kultureller Aspekte.
  • Die Führungsspitze bringt die strategischen Eckpunkte unermüdlich zum Ausdruck und unterstützt die formulierten Maßnahmen zur Erreichung vereinbarter Ziele aktiv.
  • Die Rolle der Innovation für Wachstum ist definiert; es ist klar, wie und mit welchen Mitteln vorzugehen ist.
  • Die Lebenszyklus-Perspektive wird angewandt (siehe ADL-Beispiel in angehängter Präsentation).

Meistens fokussieren sich Unternehmen auf Wachstum durch neue Produkte und Dienstleistungen; dies entweder in existierenden Märkten („red ocean“ strategy) oder in neuen Märkten („blue ocean“ strategy).

Fragen Sie sich bitte an dieser Stelle:

  • Wie nutzen Sie Innovationen, um die gewünschte Marktpositionierung aktiv zu erreichen und auszubauen?
  • Kennen Sie die attraktivsten Innovationspotenziale in Ihren Geschäftsfeldern und Ihrem Unternehmen?
  • Verfügen Sie über die notwendigen strategischen Allianzen und Partnerschaften zur Realisierung dieser Potenziale?

(3) Vielfältige Formen der Innovation

Entlang der OECD-Klassifizierung fokussieren sich ca. 3/4 der Unternehmen auf Produkt- und Dienstleistungs-Innovationen, um das Wachstum zu steigern. Selbstverständlich ist das für Unternehmen ein wesentlicher Punkt. Jedoch wird auch eine Straffung der Lieferkette oder die Neugestaltung eines Produktionsprozesses zu deutlich reduzierten Lieferzeiten und Materialkosten führen; beides hat auch Auswirkungen auf das Endergebnis.

Innovationen auf Basis von Markterfahrungen sind überraschenderweise nicht deutlicher hervorgehoben worden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Innovationen in dieser Form zunehmen werden. Auch Innovationen in Form von organisatorischer Kompetenz / Leistungsfähigkeit werden wahrscheinlich unterschätzt, sind aber dem Wachstumsziel förderlich.

Die o.g. sieben Innovations-Prozessstufen treten bei allen vier von der OECD definierten Formen der Innovation auf.

(4) Dynamische Umgebungen – mehrere Innovationsmodelle und Ansätze

In einer VUCA World braucht es flexible und vielfältige Innovationsansätze , die sich unterschiedlichen Bedingungen anpassen. Den „one-best-way“-Ansatz gibt es nur einschränkt. Stattdessen werden mehrere Ansätze befürwortet und verwendet. Die Herausforderung besteht darin, agil und flexibel aufgrund gegebener Notwendigkeiten den passenden Ansatz auszuwählen, diesen anzuwenden und breit angelegte Kompetenzen an Ort und Stelle für einen erfolgreichen Einsatz zur Verfügung zu haben („adaptive design mindset„).

Die vier in der Präsentation aufgeführten Ansätze unterscheiden sich entlang der Dimensionen „Umfang der Auswirkungen“ und „Ansprechgeschwindigkeit“.

(5) Verantwortung entlang lokaler und globaler Bedürfnisse

Multi-dimensionale Matrix-Organisationen sind heute die dominierenden Formen der Organisation. Wechselbeziehungen existieren in einer solchen Matrixstruktur in alle Richtungen, weiten sich nun auch über Unternehmensgrenzen hinweg aus und binden Allianzen und Netzwerke in ihr Geschäftsökosystem mit ein. Egal, ob jüngeres oder bereits am Markt etabliertes Unternehmen, sie alle brauchen eine Betriebskernstruktur, die flexibel genug ist, um ein schnelles Wachstum und Skaleneffekte zu unterstützen. Ein solches Modell stammt von Jay Galbraith („Star Model“ aus den 1960ern) und wird in der Präsentation kurz vorgestellt. Ein weiteres Modell – das von McKinsey initiierte „7S Model“ – ist wohl bekannt. Bereichsübergreifende Innovations-Prozesse, wie sie in einer solchen Struktur bzw. in einem solchen Modell möglich sind, tragen wesentlich zu einer erfolgreichen Umsetzung neuer Ideen bei.

Fragen Sie sich bitte an dieser Stellle:

  • Welche Innovations-Prozesse und -Strukturen müssen zur Erreichung unserer Innovations-Ziele definiert werden?
  • Welche Schnittstellen mit externen Partnern und operativen Geschäftsprozessen sind erfolgskritisch?
  • Welche Steuerungsparameter müssen wir aus den strategischen Innovations-Zielen ableiten?

In jüngerer Vergangenheit nimmt eine adaptive Design-Denkweise zu, wo strukturelle Entscheidungen um Fähigkeiten ergänzt werden („resource-based theory„), die um Verfahren und Praktiken herum geplant werden.

„Hard design“ und „Soft design“ – beide tragen dazu bei, den Wert von (Betriebs-)Kernstrukturen zu steigern. „Hard design“ konzentriert sich auf die Größe und Lage der operativen Geschäftsbereiche, die Anzahl der Berichtsebenen und Gruppierung funktionaler und unterstützender Gruppen. „Soft design“ konzentriert sich darauf, wie die Arbeit verhaltens-bildend durch das Unternehmen bewegt werden sollte. Design bedeutet damit, „weiche“ Fähigkeiten entlang einer (Betriebs-)Kernstruktur kontinuierlich hervorzuheben, ggf. zu verstärken und auszurichten. Hierauf werde ich in meinem Blogbeitrag vom Februar gezielt eingehen.

Leistungsstarke Organisationen heben die folgenden 10 „Humankapital-Praktiken“, um Innovationen zu fördern, hervor:

  • Stellen Sie sicher, dass praktisches Lernen in der gesamten Organisation gefördert wird.
  • Erstellen Sie eine Kultur, die Innovation und Veränderungen als Chance begreift.
  • Schaffen Sie Arbeitsplätze, welche die Teilnahme am Innovationsprozess unterstützen.
  • Gestalten Sie physische Arbeitsbereiche, um die Zusammenarbeit zu fördern.
  • Unternehmen Sie besondere Anstrengungen, um Innovatoren und Schlüsselwissensarbeiter zu halten.
  • Ordnen Sie die richtigen Leute mit den richtigen Fähigkeiten innovative Aktivitäten zu.
  • Stellen Sie Innovationsführer (Guides) und Mentoren für Beteiligte an Innovationsprozessen zur Verfügung.
  • Schaffen Sie Lernmöglichkeiten, um Innovations-Kompetenzen zu entwickeln.
  • Formulieren Sie im Rahmen der Leistungsbeurteilung Ihre Erwartungen im Thema Innovation.
  • Visieren Sie neue Mitarbeiter mit Unternehmergeist und entsprechenden Erfahrungen an.

Leistungsstarke Organisationen heben die folgenden 10 organisations-weiten Praktiken, um Innovationen zu fördern, hervor:

  • Verwenden Sie geschäfts- und marktgerechte Kennzahlen zur Leistungsfähigkeit im Thema Innovation; z.B.: Wettbewerbsfähigkeit, Marktanteil, und der Anteil der Umsätze im letzten Geschäftsjahr durch neue, in den letzten fünf Jahren eingeführte Produkte / Dienstleistungen.
  • Sorgen Sie für eine ausreichende Finanzausstattung für kreative und innovative Tätigkeiten.
  • Stellen Sie einen freien Zugang für Innovatoren zu den Top-Entscheidern sicher.
  • Stellen Sie Ressourcen schnell bereit bzw. schichten Sie diese um; um Nutzen aus neuen Ideen zu ziehen.
  • Fördern Sie eine offene Interaktionen über Organisationsgrenzen hinweg.
  • Geben Sie Innovationseinheiten Gestaltungsfreiräume hinsichtlich deren Organisation und Betrieb.
  • Minimieren Sie fest verwurzelte Interessen und Politik, die Innovation einschränken.
  • Stehen Sie für klare Rollen und Verantwortlichkeiten bei wichtigen Akteuren im Prozess ein.
  • Unterstützen Sie starke Verbindungen zwischen Innovatoren und operativen Geschäftsbereichen.
  • Nutzen Sie Social Media und andere Technologien zum Wissensaustausch in der Breite.

In folgender Präsentation Konzeption von Unternehmen für Innovation und Wachstum. Innovationen auf die nächste Stufe heben“ habe ich einige Kernaussagen sowie ausgewählte Grafiken zur Verdeutlichung für Sie zusammengestellt.

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(6) Design-Initiativen auf mehreren Ebenen

Mit Kontingenz und ressourcen-basierten Ansichten auf Organisationen sind andere Designvariablen wie Prozesse, Aufgaben und Menschen aufgekommen. Diese zusätzlichen Designvariablen umfassen mehrere Ebenen von Analysen; von einzelnen Verhaltensweisen und Arbeitsgestaltung, über Team-Kompetenzen bis hin zu Gruppierungen von Geschäftseinheiten.

Neben dem Bewusstsein über die Auswirkungen von Lieferanten, Stakeholdern und Kunden stellen die Gestaltung von Joint Ventures, Allianzen und Konsortien, darunter weniger formalisierte, wertschöpfende und soziale Netzwerke, zunehmende Design-Schwerpunkte dar (vierte Ebene).

Wenn es ein Ziel ist, das Tempo und die Vielfalt der Innovation zu erhöhen, zum Beispiel, muss eine Organisation Design-Initiativen starten und ausrichten; ggf. auf allen vier Ebenen:
  • Einzelperson (z.B. Vergütungssysteme, Talentauswahl- und -entwicklungsprozesse),
  • Team (z.B. Verfügbarkeit erfolgskritischer Fähigkeiten, schnelle Organisation, kurze Entscheidungswege),
  • Organisation (z.B. Finanzausstattung, Innovationseinheiten, Gestaltungsfreiräume, offene Interaktionen) und
  • Geschäfts-Ökosystem (Open Innovation Netzwerke, Social Media Technologien unter Einbindung Externer).

Fragen Sie sich bitte an dieser Stelle:

  • Kennen Ihre Mitarbeiter ihre Verantwortlichkeiten und Chancen, um die Entstehung von Innovationen mitzugestalten?
  • Nutzen Sie ausreichend interdisziplinäre Teams, die in einer Overlay-Organisation an innovativen Themen arbeiten?
  • Unterstützt Ihre derzeitige Unternehmenskultur die Entstehung von Innovationen?

(7) Verantwortlichkeit für die Organisationsgestaltung

Wenngleich ich ein gespaltenes Verhältnis zu HR-Verantwortlichen habe, so halte ich es doch für nachdenkenswert, die Verantwortung für die Organisationsgestaltung zur Steigerung des Wachstums durch Innovationen von der HR-Abteilung koordinieren zu lassen, unterstützt von einem aus mehreren Disziplinen zusammengesetzten Team.

Mehrere Gründe sprechen dafür:

  1. Die HR-Abteilung ist in der Regel verantwortlich für die Organisationsentwicklung (organizational development) und für die Personalentwicklung (talent/personnel development). Sowohl OE als auch PE sind erfolgskritisch für das Gelingen von Innovationen.
  2. Die unter Punkt 5 genannten Praktiken leistungsstarker Organisationen fallen überwiegend in die Verantwortlichkeit der HR-Abteilung.
  3. Die HR-Abteilung sollte für die Innovationskultur verantwortlich zeichnen; m.E. einem Key-Enabler von Innovationen.

Um diese Kultur zu etablieren sind v.a. die folgenden Maßnahmen seitens HR notwendig:

  • Mitarbeiter zur Innovation befähigen: Ermutigen Sie Mitarbeitende aller Bereiche und Erfahrungsebenen, sich mit ihren Ideen einzubringen.
  • Innovationsführer suchen und an das Unternehmen „binden“: Bauen Sie eine Pipeline an Führungskräften auf, die Innovation aktiv unterstützt und belohnt.
  • Kalkulierte Risiken eingehen, um Ideen umzusetzen und Ergebnisse nachzuhalten.

Was ist Ihre Meinung?

  • Wie stehen Sie zu den vorgestellten Modellen? Setzen Sie Modelle ein, um Initiativen zu lenken und die gewünschten Ziele anzupeilen?
  • Wie stehen Sie zur These: Innovationsprozesse und Organisationsgestaltung bedürfen einer kontinuierlichen Anpassung!
  • Wie würden Sie das Wissen und die Kompetenz Ihres Top-Managements im Thema Organisationsgestaltung/-design einstufen?

Ich freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen zum Thema sowie auf einen regen Dialog!