Gerade erst habe ich bei der IHK Rhein-Neckar im Rahmen des 4. Ausbilder-Seminars die Lehrbetriebe angesprochen – siehe Blogbeitrag zum Thema „Wie ticken Jugendliche? Wie agieren KMUs?„. Nun geht es um die Lehrer & Schulen. Im Rahmen des 2. Nationalen MINT-Lehrer-Kongresses in Berlin am 3.-4. Dezember 2014 werde ich einen Impulsvortrag halten zum Thema „Unsere Schule braucht einen neuen Geist“. Diesen neuen Geist möchte ich an drei Impulsen festmachen:

  1. Impuls: Transparenz & Einsicht, kritische Diskussion und ständiges Lernen.
  2. Impuls: Klare Vision, Werte und Strategie.
  3. Impuls: Vorbilder als Sinnstifter, moralische Instanz und Motivatoren.

Unsere Schule braucht einen neuen Geist

Nachfolgend gehe ich auf die drei o.g. Impulse kurz ein:

Transparenz & Einsicht, kritische Diskussion und ständiges Lernen

Aktuelle Umfragen – forsa-Umfrage, ICILS-Studie, u.a. – bringen es auf den Punkt:

  • Die Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik ist mangelhaft.
  • Der Erwerb von IT-Kenntnissen ist „Privatvergnügen“ der Lehrkräfte.
  • Das Thema IT hat in der Pädagogenausbildung eine geringe Bedeutung; digitale Bildung hat keine Priorität.
  • Achtklässler in Deutschland haben im internationalen Vergleich nur mittelmäßige IT-Kenntnisse; 30 Proent erreichen die unteren Kompetenzstufen I oder II.
  • Schülerinnen und Schüler erwerben IT-Kompetenz nicht im Unterricht, sondern außerhalb der Schule.

Unsere STRIM Schülerstudie 2014 macht ebenfalls Aussagen zur Berufsorientierung in Schulen. Vor wenigen Tagen ist hierzu auch eine Pressemitteilung von Oracle erschienen:

  • Grundsätzlich fühlen sich Jugendliche von der Schule mittelmäßig auf mögliche Berufe vorbereitet. Es zeigt sich jedoch eine Abweichung zwischen gefühlter schlechterer Vorbereitung auf Online-Bewerbungen und guter Vorbereitung auf die klassische Papierbewerbung. Ausserdem schneiden die Punkte „Informatikkenntnisse“ sowie „allgemeine Beschäftigung mit dem Thema Berufsorientierung“ etwas schlechter ab.
  • Nach Geschlecht scheint es, dass die Schülerinnen sich im Bereich Fremdsprachen etwas besser vorbereitet fühlen und die Jungen im Bereich Technik.
  • Die Analyse nach Alter zeigt, dass sich gerade die älteren Schüler in der Phase Berufsorientierung schlechter vorbereitet fühlen; dies gilt im Speziellen für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten.
  • Schülerinnen, die einen MINT-Beruf anstreben, interessieren sich in der Schule eher für die Grundlagenfächer (Mathematik und Naturwissenschaften) als für anwendungsorientierte Fächer, wie Technik oder Informatik.
  • Wenngleich Lieblingsfächer in der Schule bereits ein Indiz für eine berufliche Eignung sein können ist mit Blick auf MINT-Fächer auffällig, dass speziell bei Jungen trotz mitunter guten Noten in diesen Fächern sich nur wenige für einen entsprechenden Beruf entscheiden. Hier besteht Handlungsbedarf, der bereits im frühen Kindesalter einsetzen sollte.

Gerade erst erschien die Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland mit dem Titel: Schule, und dann? Ich greife nur einige Ergebnisse heraus:

  • Mehr als jeder vierte Schüler macht sich Sorgen, wie es nach der Schule beruflich weitergeht; bei Kindern von Alleinerziehenden ist es sogar fast jeder zweite.
  • Die beruflichen Pläne von Jungen und Mädchen unterscheiden sich erheblich und entsprechend weitgehend tradierten Rollenmustern.
  • 35 Prozent der Schüler beklagt ausdrücklich Informationsdefizite bezüglich ihrer beruflichen Möglichkeiten. Von diesen fehlen 54 Prozent der Schüler an Sekundarschulen ohne gymnasiale Oberstufe ganz grundlegende Informationen dazu, welche Ausbildungswege es überhaupt gibt. 40 Prozent fühlen sich zu Bewerbungsabläufen nicht ausreichend informiert. Aber auch 62 Prozent der Gymnasiasten geben an, zu wenig über bestimmte Studiengänge zu wissen.
  • Praktika (75 Prozent) und die Gespräche mit Berufstätigen aus dem angestrebten Berufsfeld (63 Prozent) werden als besonders hilfreich bewertet.
  • Eltern engagieren sich bei der Berufsorientierung auf vielfältige Weise. Am häufigsten durch gezielte Unterhaltungen und Ratschläge; jedes zweite Elternteil holt aber auch selbst Informationen über Ausbildungsmöglichkeiten und Berufe ein, für die sich ihr Kind interessiert.
  • Von den Schülern, die sich mehr Unterstützung bei der Ausbildungs- und Berufswahl wünschen, fordern 81 Prozent diese Hilfe von der Schule und ihren Lehrern. 35 Prozent sehen die Unternehmen in der Pflicht.

Zu einer kritischen Diskussion der oben erwähnten und weiterer Punkte gehört m.E., dass es der Schule immer seltener gelingt, junge Menschen mit niedrigem bzw. mittlerem Schulabschluss direkt in eine Ausbildung zu bringen.

Aufgrund mangelhafter Transparenz setzen notwendige, systematische Lern- und Veränderungsprozesse noch viel zu selten ein. Dort, wo sie einsetzen, werden sie in der Regel isoliert angegangen; d.h. Verbände, Institutionen, Ministerien, Ausbildungsbetriebe, etc. agieren noch viel zu selten Hand-in-Hand. Am unproduktivsten finde ich die Frage: Wer ist denn nun zuständig? Der Bund oder die Länder? Hallo, es geht vielleicht gerade um unsere Kinder, um Bildung, um zukünftige Wettbewerbsfähigkeit, um unsere Zukunft?

Klare Vision, Werte und Strategie

Bei diesem Impuls fasse ich mich nun etwas kürzer. Die Botschaft ist hier folgende: Da der Anteil komplexer Aufgaben in Betrieben weiter zunehmen wird können bei der Auswahl entlang Fähigkeiten und Kompetenzen keine Kompromisse gemacht werden! Daneben gilt: Brave Pflichterfüller und Auswendiglerner werden heute nicht mehr gebraucht!

Zu den neuen Fähigkeiten zählen

  • Problemlösungskompetenz,
  • kritisches (Quer-)Denkvermögen, sowie
  • die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Adaption.

Schule muss sich neu ausrichten; hierzu gehören:

  • learning-by-doing (gelebte Dualität!),
  • learning-by-interacting (gegenseitige Beeinflussung), sowie
  • learning-through-the-internet.

Wer hier tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich die Studie von The Conference Board „Will you want to hire your own kids? (Will anybody else?). In der unten angehängten Präsentation habe ich hierzu auch Praxisbeispiele aufgeführt.

Zu einer klaren Vision und Strategie gehört für mich auch, speziell Oberstufenschülerinnen und -schüler unter Einbindung der Eltern gleichberechtigt über duale Berufsausbildungsgänge und über Studiengänge zu informieren. Ausschlaggebend sollten in erster Linie die Grundmotive und Werte, die Fähigkeiten und Neigungen sowie die Berufswünsche und –ziele sein.

Vorbilder als Sinnstifter, moralische Instanz und Motivatoren

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https://www.youtube.com/watch?v=QFe0kzNc1VU

Was meinen Sie? Wie gut sind unsere Lehrer? Sind sie überfordert? faul? inkompetent? Als Vater von drei Teenagern habe ich zwar lebhafte Eindrücke; eine abschließende Meinung maße ich mir jedoch nicht an. Ich denke, die Lösung liegt im intelligenten Zusammenspiel aller Bezugsgruppen, hierbei v.a. der Eltern, der Lehrer resp. Schulen und der Politik.

Nachdenklich stimmt mich die Bildungsstudie des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft und der Unternehmensberatung McKinsey. Demzufolge können sich fitte und leistungsstarke Abiturienten kaum vorstellen, Lehrer zu werden. Attraktiv scheint der Beruf für Schüler mit wenig Selbstvertrauen und Durchsetzungskraft. Nur 13 Prozent derjenigen Schüler mit Berufswunsch Lehrkraft sagen über sich, sie könnten sich gut durchsetzen. Und knapp 16 Prozent haben nach eigenen Angaben ein hohes Selbstvertrauen. Nur jeder vierte Lehramtsinteressent glaubt, er könne andere gut motivieren.

Ich meine:

  • Lehrer sollten eine gefestigte Persönlichkeit haben, um Kindern Halt und Orientierung zu bieten.
  • Sie sollten über ein umfassendes pädagogisches und entwicklungspsychologisches Wissen verfügen.
  • Lehrern sollten die Bereitschaft mitbringen, Kindern Werte und Lerninhalte zu vermitteln und
  • es auch als ihre Aufgabe ansehen, Schülern zu einer umfangreichen psychischen Entwicklung zu verhelfen, sodass sie später ihr Leben meistern können.
  • Dabei müssen Lehrer es auch aushalten können, sich mal unbeliebt zu machen.
  • Ein guter Lehrer legt Verhaltensregeln für die Schüler fest, setzt Grenzen, achtet auf deren Einhaltung und ist dabei berechenbar.

Hier können Sie gerne meinen Impulsvortrag zum Thema „Unsere Schule braucht einen neuen Geist“, den ich am 4. Dezember 2014 in Berlin halten werde, einsehen.

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Schlussfolgerungen

Aus den obigen Ausführungen resp. Impulsen ergeben sich folgende Schlüsse:

  • Im Thema MINT existiert dringender Handlungsbedarf. Es wäre zu kurz gesprungen, nun mit dem Finger auf Lehrer resp. Schulen zu zeigen. Alle Beteiligten sind gefordert: Lehrer / Schulen, Eltern und die Politik.
  • Es bedarf einer engen und koordinierten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich Bildung.
  • Schülerinnen und Schüler haben unterschiedliche (MINT-relevante) Lieblingsfächer, müssen daher unterschiedlich informiert und gefördert, in Praktika eingebunden und mit Hilfe gezielter Kampagnen für MINT-Berufe begeistert werden.
  • Es macht keinen Sinn, Jugendliche an den Fähigkeiten Ihrer Vorgänger-Generationen zu messen. Die technischen Möglichkeiten sowie die komplexer werdenden Aufgaben in Unternehmen lassen neue Fähigkeiten in den Vordergrund treten. Deren Erlernen bedarf neuer Methoden; Unterricht im Klassenraum tritt in den Hintergrund.
  • Die Auswahl(-kriterien) der künftigen Lehrerinnen und Lehrer, deren gründliche Vorbereitung auf die Schülerinnen und Schüler sowie deren permanente Weiterentwicklung – auch in Bezug auf Ausbildungsberufe – sind wichtige Erfolgsfaktoren für eine Schule im Zeitalter der Digitalisierung.

Was ist Ihre Meinung?

  • Setzen Sie im Rahmen der Berufsvorbereitung Schnupperlehren und Praktika ein? Welche Erfahrungen machen Sie?
  • Wie stehen Sie zum Trend der Akademisierung?
  • Wie stehen Sie zur These: Lehrer haben vormittags recht und nachmittags frei!
  • Wie stehen Sie zur These: Ausbildungsbetriebe müssen mit Nachhilfe, EQ-Maßnahmen und Sonderprogrammen das nachholen, was Eltern und Lehrer versäumt haben.

Ich freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen zum diesem Blogbeitrag.[/fusion_builder_column][/fusion_builder_row][/fusion_builder_container]