Aktuelle Herausforderungen, wie z.B. neue Geschäftsmodelle, Digitalisierung & Transformation, bedingen – darauf gehe ich in diesem Beitrag einmal mehr ein -, dass Führungskräfte eine starke Kultur aufbauen.

Was meine ich genau damit? Aufgrund der Verlagerung zu Remote- und Hybridarbeit wird Unternehmenskultur noch wichtiger, mitunter diffuser und schwerer fassbar. Gleichzeitig erleben wir vielerorts, wie die Veränderungsgeschwindigkeit zunimmt und damit auch unsere Anpassungsfähigkeit gefordert wird.

Ich hoffe deshalb, mit diesem Beitrag eine Debatte über psychologische Sicherheit wieder in Gang zu bringen, neu ist sie nämlich nicht.

Was bedeutet psychologische Sicherheit?

Amy Edmondson, Professorin für Leadership and Management an der Harvard Business School, begründete das Psychological-Safety-Konzept bereits im Jahr 1999. Es bedeutet:

  • Mitarbeitende werden nicht sanktioniert oder gedemütigt, wenn Sie Ideen, Fragen, Bedenken, Fehler, sowie kritische oder konträre Meinungen äußern.
  • Menschen müssen sich in einer Gruppe angenommen fühlen, wenn sie inhaltlich Feedback geben beziehungsweise Strukturen infrage stellen wollen.
  • Wenn Teammitglieder ihre Ideen teilen, muss respektvoll auf die Ansichten aller Kolleg:innen eingegangen und sich auf eine gesunde Debatte konzentriert werden.

Im Grunde genommen skizziert dieses Konzept eine Selbstverständlichkeit. Dahinter steht die Überzeugung: In einem Arbeitsumfeld, in dem Kolleg:innen es fürchten, sich zu äußern, kann keine gute Teamarbeit mehr entstehen. Und in einem Team, in dem nur zählt, was der/die Vorgesetzte oder einige wenige Kolleg:innen zu sagen haben, kann sich keine Innovation entwickeln.

Wie sehen Sie es? Ich denke, wir haben noch viel zu tun, bis diese psychologische Sicherheit in der Breite normal ist.

Belege für die Wichtigkeit dieses Konzeptes

Meine Hypothese lautet: Transformation braucht eine starke Kultur; inkl. psychologischer Sicherheit. In einem solchen Umfeld ständigen Ausprobierens entstehen viele Fehler, aber noch mehr gute Ideen. Diese werden kontinuierlich abgeglichen mit den zu erreichenden Zielen. Viele gute Ideen erhöhen die Wahrscheinlichkeit neuer, vom Kunden aus entwickelter Produkte und Dienstleistungen, die zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beitragen.

Drei Studien möchte ich in diesem Zusammenhang hervorheben:

(I) Dave Ulrich: Crises Are Opportunities to Lead. Dave greift den Leadership Code auf, den er 2009 gemeinsam mit Norm Smallwood und Kate Sweetman erstellt, 2017 überarbeitet und nun erneut aktualisiert hat, um neue Erkenntnisse zu Führung in der Krise widerzuspiegeln. Dieser Leadership Code 3.0 (siehe Präsentation, Abbildung auf Seite 2) erfasst zehn Anforderungen, um Chancen in Krisen zu entdecken und zu nutzen.
Beim „Executor 3.0“ geht es um die „richtige“ Kultur. Diese verbindet interne Werte und Verhaltensweisen – psychologische Sicherheit! – mit dem Wert, den sie für Kunden und Investoren schaffen.

(II) Amy C. Edmondson, Per Hugander: Psychological Safety Is Not a Hygiene Factor. Amy und Per skizzieren drei Ebenen der psychologischen Sicherheit (siehe Präsentation, Abbildung auf Seite 3). Demnach stellt eine Stufe von 2 oder darunter eine toxische Umgebung dar, ein Unternehmen zwischen 3 und 6 erscheint einigermaßen gesund, ist aber wahrscheinlich weniger engagiert, offen und lernorientiert, als es auf den ersten Blick erscheint. Eine Organisation, die auf einer Skala von 7 und höher liegt, erbringt eine starke kulturelle Leistung.

(III) Donald Sull, Charles Sull: 10 Things Your Corporate Culture Needs to Get Right. Zehn Kulturelemente sind für Mitarbeitende sehr wichtig. Diese wurden in vier Kategorien gruppiert: Respekt, Führung, Vergütung und Arbeitsplatzsicherheit/Reorganisationen.
Der beste Prädiktor für den Kulturwert eines Unternehmens ist, ob sich Mitarbeiter bei der Arbeit respektiert fühlen. Respekt ist der mit Abstand wichtigste Faktor. Außerdem ist die Art und Weise, wie Führungskräfte ihre Mitarbeitenden unterstützen, ein starker Prädiktor für die Bewertung der Unternehmenskultur (siehe Präsentation, Abbildung auf Seite 4).

Konzerne wie Google und SEB arbeiten entlang dieses Harvard-Konzeptes und stützen die obige Hypothese.

Auffrischung des Performance Managements

In einer hybriden Arbeitswelt müssen sich Führungskräfte u.a. mit folgenden Fragen auseinandersetzen:

  • Wie werden Ziele festgelegt, verwaltet und bewertet, wenn die Arbeit ohne physische Anwesenheit der Führungskraft erledigt wird?
  • Wie sollten Führungskräfte coachen und Feedback geben, wenn sie asynchron mit Mitarbeitern arbeiten?
  • Wie können Führungskräfte faire Bewertungen abgeben, wenn sie nicht mit Mitarbeitern zusammen sind?

Ich habe bereits mit mehreren Methoden gearbeitet, darunter OKR, 4DX, BSC und Hoshin. Das 3C-Modell des modernen Performance Managements (siehe Präsentation, Abbildung auf Seite 5: Culture, Clarity, Capability) setzt auf drei Hebel:

  • Teams, die zukunftsorientierte Feedback- und Fairnesskulturen pflegen, fördern sowohl das Engagement als auch die Unternehmensleistung (Culture).
  • Wenn Führungskräfte als Coaches fungieren, Offenheit zeigen und Barrieren beseitigen, fördert dies die individuelle Leistung (Capability).
  • Unternehmen, die Mitarbeitenden Klarheit für heute und für die Zukunft verschaffen, fördern das Mitarbeiterengagement (Clarity).

Vier Disziplinen sind den genannten Methoden gemein: (1) Ziele setzen und fokussieren, (2) Klarheit erzielen und wöchentliche Abstimmungsgespräche führen, (3) Feedback einholen, Engagement sicherstellen und aktuelle Indikatoren sowie Kennzahlen visualisieren, (4) Leistungen bewerten und neue Commitments vereinbaren.

Wichtig: Psychologische Sicherheit ist die Basis, nicht das Ergebnis! Häufig wird bei der Anwendung von Praktiken für psychologische Sicherheit gefragt: Bedeutet das, dass ich keine Exzellenz erwarten kann? Doch, denn Führungskräfte, die psychologische Sicherheit schaffen und ihre Mitarbeiter für Exzellenz verantwortlich machen, sind die leistungsstärksten. Laut Amy geht es darum, die richtige Balance zu finden, um in die Lern- bzw. Wachstumszone vorzustoßen (siehe Präsentation, Abbildung auf Seite 6).

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Fazit

Als Stratege bin ich zutiefst von diesem Psychological-Safety-Konzept überzeugt. Im Nachschauen hätte ich manches Projekt nicht beginnen dürfen, weil die kulturellen Voraussetzungen noch nicht gegeben waren. Ein noch so guter Masterplan kann kulturelle Schwächen nicht ausgleichen.

Psychologische Sicherheit steht und fällt mit vorbildlich handelnden Führungskräften. Der Leadership Code und notwendige Führungskompetenzen geben die Richtung vor.

Im Ergebnis geht es bei psychologischer Sicherheit darum, ein Gefühl der Zugehörigkeit und Gemeinschaft innerhalb von Unternehmen zu schaffen, in denen Angst, Wut und Depression durch Wahlmöglichkeiten, Flexibilität und Freiheit ersetzt werden.

In ihrem 2020 erschienenen Buch bietet Amy sieben Fragen an, die auf einer Likert-Skala beantwortet werden können. Es geht um Zustimmung bzw. Ablehnung zu einer Aussage. Die Skala hat sieben Stufen, eine 4 wäre eine neutrale Weder-noch-Haltung.

  • Wenn ich im Team einen Fehler mache, wird er oft gegen mich verwendet. (R)
  • Die Mitglieder des Teams können Probleme und schwierige Fragen ansprechen.
  • Personen im Team lehnen manchmal andere ab, weil sie anders sind. (R)
  • In diesem Team ist es kein Problem, ein Risiko einzugehen.
  • Es ist schwierig, andere Teammitglieder um Hilfe zu bitten. (R)
  • Niemand in diesem Team würde absichtlich gegen meine Bemühungen handeln.
  • Bei der Arbeit mit anderen werden meine Fähigkeiten wertgeschätzt und genutzt.

Diese Fragen werden einem Team vorgelegt und jede:r beantwortet sie still und anonym. Bei den vier positiv formulierten Fragen deutet individuelle Zustimmung auf größere, bei negativ formulierten (reverse) Fragen zeigt Ablehnung höhere psychologische Sicherheit. R-Fragen werden invertiert ausgewertet (1 für 7, 6 für 2 usw.).