Nach all der „schnöden Theorie“ der Teile 1 (Kompetenzmodelle) und 2 (Vorgehensweisen) – Glückwunsch, wenn Sie sich durchgearbeitet haben! – berichte ich nun in diesem dritten und letzten Teil über einige Anwendungserfahrungen. Diese stellen Momentaufnahmen dar, befinden sich teilweise noch im Projektstatus und werden i.d.R. fortlaufend angepasst.

Wie bereits im ersten Teil dieser Beitragsreihe deutlich wurde liegt mir das Thema Kompetenzmanagement insbesondere auch mit Blick auf die Berufsausbildung besonders am Herzen.

Porsche war – soweit mir bekannt – eines der ersten Unternehmen im Automobilsektor, das die Berufsausbildung mit Blick auf zukunftsorientierte Ausbildungsinhalte (z.B. Leichtbau, E-Technik/Hybrid/E-Mobilität) und Kompetenzen konsequent umgestellt hat. Nun aber zu ABB, speziell dem ABB Ausbildungszentrum.

Ausgangspunkt ist das Grundlagenpapier „Digitale Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung von morgen“, welches auch den im Modellprojekt „Zusatzqualifikationen“ erarbeiteten Ansatz als Referenz mit einbezieht. Zusatzqualifikationen können als Elemente einer vorausschauenden Qualifizierungspolitik beschrieben werden: Als Instrumente neben bzw. im Rahmen bestehender Berufsausbildungen bieten sie die Chance, den Anforderungen im Kontext der Digitalisierung dynamisch und flexibel zu entsprechen.

Die fünf Bausteine des Modells der berufsübergreifenden Zusatzqualifikation bilden die zentralen Bereiche ab, die vor dem Hintergrund einer sich stetig und in schnellem Tempo verändernden Arbeitswelt für alle Arbeitskräfte von Bedeutung sind:

  • Grundlagen der Digitalisierung.
  • Lernen und Arbeiten in einer digitalen Welt.
  • IKT-Kompetenz.
  • Umgang mit Daten.
  • Systeme & Prozesse.

Hinter jedem Baustein ist eine, an der Systematik des DQR orientierte, Beschreibung von notwendigen Fachkompetenzen und personalen Kompetenzen hinterlegt; wissend, dass v.a. letztere entscheidend für einen produktiven Umgang mit neuen und wechselnden Herausforderungen sind.

Das ABB Ausbildungszentrum Berlin setzt diese Bausteine ein und fördert damit den notwendigen Wandel von klassischer Wissensaneignung hin zu flexibler und selbst-initiierter Kompetenzentwicklung. Diese besteht wesentlich aus Selbstlernphasen, die durch wenige Präsenztermine strukturiert werden und eigenständiges Arbeiten mit Gruppen- und Tandem-Phasen kombiniert. Eine Lernplattform dient als Austausch- und Arbeitsinstrument im Netz, Input aus den Präsenzterminen wird durch digitale Angebote vertieft (u.a. in Webinarform). Zum Abschluss präsentieren die Auszubildenden die von ihnen entwickelten Projekte. Die Aufgabenstellung lautet dabei: „Identifizieren Sie in Ihrem betrieblichen Kontext ein Problem bzw. eine Optimierungsmöglichkeit und entwickeln Sie dafür digitale Lösungen.“

Zeitlicher Rahmen für die Zusatzqualifikation sind ca. drei Monate, der Zeitaufwand für die Auszubildenden (zusätzlich zu den vier Präsenzterminen) beläuft sich durchschnittlich auf zwei bis drei Wochenstunden. Vor und nach Abschluss der berufsübergreifenden Zusatzqualifikation wird eine Kompetenzdiagnostik durchgeführt, um Veränderungen festzustellen.

Das Kompetenzmanagement des DB-Konzerns geht auf das Jahr 2001 zurück, in dem das Projekt „Kompetenzmanagement für Triebfahrzeugführer (Lokführer)“ für die Transporteure des DB-Konzerns gestartet wurde. Ziel war es, von dem damals üblichen Giesskannenprinzip bei der Qualifizierung Mitarbeitender hin zu einer kompetenzorientierten, individuellen Qualifizierung zu gelangen.

Im Jahr 2004 wurde das Kompetenzmanagement nach einem dreijährigen Einsatz im Bereich der Triebfahrzeugführer und im Service bei der DB Vertrieb GmbH auch auf andere Konzernbereiche ausgeweitet.

Mittlerweile wurden fünf Mitarbeiterkompetenzen für Mitarbeitende ohne Führungsaufgabe und sechs Führungskompetenzen für die Führungskräfte des DB-Konzerns verpflichtend. Sie werden im Rahmen des sog. Mitarbeiter- bzw. Führungsdialogs eingeschätzt.

Sechs Erfolgsfaktoren können herausgestellt werden:

  1. Begrenzung auf max. 12 Kompetenzen in einem Kompetenzprofil.
  2. Eine Verknüpfung mit anderen Instrumenten: Kompetenzeinschätzung und Leistungsbewertung dienen als Grundlage für die Potenzialeinschätzung.
  3. Die Kompetenzbox (Qualifizierungsmatrix) lenkt das Augenmerk auf effektivere und z.T. effizientere Kern- und Qualifizierungsmethoden.
  4. Der Kompetenzkatalog ist das Fundament für einen kompetenzorientierten Einsatz und die kompetenzorientierte Entwicklung Mitarbeitender. Hierzu muss eine Vergleichbarkeit zwischen den Profilen und damit ein Abgleich der Kompetenzen möglich sein.
  5. Mithilfe wertgeleiteter, unternehmensweit gültiger Kompetenzen – abgeleitet aus dem Leitbild des Unternehmens – wir das für viele Mitarbeitende eher abstrakte Unternehmensleitbild greifbar.
  6. Frühzeitige und umfassende Einbindung der Interessensvertretung, sowie Abschluss einer Rahmen-Konzernbetriebsvereinbarung.

Das E.ON Kompetenzmodell gilt für alle Mitarbeitenden – auch Führungskräfte! Ausgehend von den strategischen Unternehmenszielen formuliert es für alle Bereiche und Tätigkeiten im Unternehmen verbindlich Dimensionen, Kompetenzen und Verhaltensanker. Das Kompetenzmodell ist in allen Kernprozessen der Personal- und Führungsarbeit vernetzt und bildet die Basis für eine zukunftsgerichtete Entwicklung aller Mitarbeitenden.
Derzeit wird dieses Modell v.a. für folgende Situationen des Employee Life Cycle genutzt:

  • Recruiting und Auswahl neu einzustellender Mitarbeiter.
  • Interne Assessment Center für die Identifikation und Auswahl des Nachwuchses in der Führungskräfte- und Projektleiterlaufbahn.
  • Leistungsbeurteilung und Mitarbeitergespräch.
  • Persönliche Standortbestimmung und Karriereplanung.
  • Planung und Durchführung von Entwicklungsmassnahmen.
  • Eintrittsentscheidungen in bestimmte Management-Level oder High-Potential-Programme.
  • Ausrichtung und Design von Entwicklungsmassnahmen/Lernformaten.

Das Projekt „Strategische Personalplanung“ läuft seit rund drei Jahren und setzt den Schwerpunkt auf ein strategisches Kompetenzmanagement.

Die rechte Seite der Grafik skizziert den Masterplan für strategisches Kompetenz-Management, den ich im Beitrag „Zukunftsfähigkeit durch Qualifizierung 4.0“ beschrieben habe. Entlang dieses Masterplanes kamen v.a. folgende Methoden und Verfahren zur Anwendung:

  • Das Strategie-Mapping – in Verbindung mit der von Kaplan/Norton bekannten Strategy Map – dient der Operationalisierung der Strategie in Verbindung mit KPI, Metriken und konkreten Umsetzungsmassnahmen bzw. Initiativen.
  • Mit Hilfe der Stakeholder-Analyse werden konkrete Anforderungen transparent, strategische Ziele geschärft und dafür notwendige Kompetenzanforderungen offengelegt.
  • Die Leitfragen – entlang wissenschaftlich fundierter Assessment Guides – dienen zum Strategiedialog, um ein gemeinsames Verständnis über relevante Kernkompetenzen und deren Ausprägungen zu erzielen.
  • Entlang Belegschaftssegmenten, Ist- und Soll-Ausprägungen pro Jobfamilie und daraus resultierender Kompetenzlücken werden sog. Pipeline-Readiness-Charts auf einer Zeitachse von bis zu 10 Jahren in die Zukunft abgeleitet.
  • Daraus können – bisher auf Ebene Jobfamilie – konkrete Rekrutierungs-, Aus- und Weiterbildungs- sowie Bindungserfordernisse resp. -massnahmen ermittelt werden.
  • Die Effektivität und Effizienz dieser Massnahmen wird durch Metriken und Kennzahlen / KPIs nachgehalten und künftig noch sichtbarer gesteuert.

Dieses Vorgehen im Rahmen eines strategischen Kompetenzmanagements wurde bisher in drei Gesellschaften des ENTEGA-Konzerns pilotiert. Ein konzernweiter Roll-out steht noch aus.

Das Kompetenzmodell hat seinen 10-jährigen Geburtstag bereits hinter sich. Zum einen existiert seitdem ein gemeinsamer Rahmen für die Auswahl, die Beurteilung und die Entwicklung Mitarbeitender. Zum anderen haben die Geschäftsbereiche die Chance genutzt, das Kompetenzmodell in der Tiefe an die Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Dies hat die Akzeptanz des Modells deutlich gesteigert.

Auch in einem dezentral organisierten und sehr diversifizierten Konzern wie Haniel schafft ein gemeinsames Kompetenzmodell als Orientierungsrahmen einen hohen Nutzen. Wenngleich zahlreiche Iterationsschleifen nötig waren; der Aufwand hat sich gelohnt, weil nun mit einer einheitlichen Sprache im Haniel-Konzern über Kompetenzen gesprochen wird und eine Reihe wichtiger Personalprozesse unterstützt wird:

  • Personalplanung,
  • Rekrutierung,
  • Mitarbeitergespräche,
  • Leistungsbeurteilung,
  • Mitarbeiterentwicklung, sowie
  • Nachfolgemanagement.

Dies sind nur einige Beispiele. Commerzbank, Deutsche Lufthansa, GLOBUS Fachmärkte, HeidelbergCement, VPV Versicherungen, u.a. wären sicherlich auch noch interessant, würden jedoch den Umfang dieses Beitrages sprengen.

Sehr Mutige gehen bereits den nächsten Schritt, nämlich ein KI-gestütztes Kompetenzmanagement. Sog. Lernbots dienen als Lernbegleiter für Handlungsempfehlungen. D.h.: Auf der Basis der Analyse von Kompetenzlücken „errechnet“ das Lernbot Empfehlungen für die Weiterentwicklung und erstellt einen individualisierten Entwicklungsplan für jeden Mitarbeitenden. Dieser Entwicklungsplan enthält Vorschläge für Inhalte, Formate, Meilensteine, Zeitangaben, sowie Vorschläge für Co-Learning. Das Lernbot muss

  • die Lerngewohnheiten und -Fähigkeiten des Users berücksichtigen (Lerntypen!),
  • situationskonforme Formate vorschlagen,
  • motivierend wirken,
  • Co-Learning fördern, und
  • Spass am Lernen vermitteln.

Fazit

Die fünf in diesem Beitrag genannten Anwendungsbeispiele machen einerseits deutlich, dass der Aufwand zwar nicht unterschätzt werden sollte, dass aber andererseits der Nutzen den Aufwand bei Weitem übersteigt, weil durch eine valide Grundlage mehr Stimmigkeit und Durchgängigkeit in den Personalinstrumenten entlang des Employee Life Cycle geschaffen und die Beschäftigungsfähigkeit Mitarbeitender sichergestellt wird.

Wenn ein Lernbot eingesetzt wird, dann als Hilfe und nicht als Bevormundung Mitarbeitender!

Was bislang häufig gefehlt hat, ist eine geschickte und attraktive Verzahnung zwischen Analyse und Entwicklung. Nur durch eine gute Verzahnung gelingt die Transformation bzw. wird Change möglich.

Für das Internet of People sind daneben moderne Technologien, wie Workforce Analytics und KI / AI, notwendig. Einige Unternehmen nutzen insbesondere Predictive Analytics für Themen wie Umsatz- und Gewinnplanungen, weil sie daraus u.a. den Personalbedarf und die benötigten (operativen und strategischen) Kompetenzen ableiten können.

Schliesslich sind Datenbanken mit den relevanten Kompetenzen sowie moderne Formate wie Social Learning aufzubauen.