Die Bedeutung des Themas Human Capital Management ist Unternehmensleitungen und Führungskräften bewusst. Zahlreiche Untersuchungen, darunter auch der CEO Challenge Report 2015 von The Conference Board, kommen zum Schluss: Human Capital tops the strategies to drive growth, even in a slowing global economy. In fast allen Ländern der Erde belegt dieses Thema Platz 1 im Ranking aktueller Herausforderungen aus Sicht der CEOs. Die Prioritäten daraus abgeleiteter Strategien unterscheiden sich etwas nach Land. Hier einige Beispiele:

  • In Asien überwiegt das Verbessern von Performance Management Prozessen,
  • In den US und in Lateinamerika steht das Thema Mitarbeiterentwicklung im Vordergrund,
  • China arbeitet an einer höheren Effektivität des Senior-Management-Teams, und
  • Europa hat sich die Verbesserung der Nachfolgeplanung zum Ziel gesetzt.

Unsicherheit herrscht bei der Frage: Wie gehen wir als Führungskräfte das Thema Human Capital Management am besten an?

  • Ist es ein Thema für die Personalabteilung?
  • Welche Messgrößen sind notwendig?
  • Wie lange dauert es, bis erste Erfolge sichtbar werden?

Dieser Beitrag versucht darauf Antworten zu geben.

Wie Untersuchungen der Jahre 2014 und 2015 von The Conference Board belegen, investieren CEOs zunehmend in sog. Intangibles, im Speziellen in Employee Skills, in Employee Engagement und in Innovation. Dies gelingt nur in einer entsprechenden Kultur, mit einem notwendigen Mass an Rechenschaftspflicht (accountability) seitens der Führenden, einem umfassenden Talent Management Ansatz sowie einem konsequenten Umsetzungsbezug.

Leichter gesagt als getan!

Vorüberlegungen

Auf diesem Blog finden Sie zahlreiche Beiträge zu den oben genannten Strategien und Themen. Auf zwei Quellen möchte ich in diesem Zusammenhang besonders hinweisen:

  1. In einem früheren Blogbeitrag habe ich bereits einen Leitfaden für Analytics Initiativen vorgestellt. Folgende Fragen standen im Vordergrund:
    • Warum sollte man jetzt mit (HR) Analytics beginnen?
    • Was ist beim Start einer Analytics-Initiative zu beachten?
    • Welches Vorgehen hat sich in der Praxis bewährt?
  2. Im Beitrag Fünf Tipps zum Einstieg in HR Analytics bin ich konkret auf häufige Ausgangssituationen in Unternehmen eingegangen, wie z.B.:
    • Wer sind die Akteure, wenn es um Investitionen in Humankapital geht?
    • Welche Entscheidungen treffen diese Akteure in Bezug auf Investitionen in Humankapital?
    • Welche Daten und Informationen benötigen sie, um diese Entscheidungen treffen zu können?
    • Welche Daten bekommen die Akteure derzeit zur Verfügung gestellt?
    • Worin besteht die Lücke?

Auch Herr Dr. Raimund Birri, der über 25 Jahre bei der Credit Suisse in verantwortlichen Positionen tätig war, schildert in seinem Buch „Human Capital Management. Ein praxiserprobter Ansatz für ein strategisches Talent Management“ interessante Erkenntnisse, die in einem HCM-Leitfaden für Führungskräfte nicht fehlen dürfen:

  • Von grundlegender Bedeutung ist der „Strategic Fit„; d.h. Investitionen in das Humankapital und folglich in ein Human Capital Management sollten sich an der Unternehmensstrategie orientieren.
  • Unternehmungen mit einem hohen Grad an Integration des Human Capital Management sind erfolgreicher am Markt als jene mit einem HCM, das aus isolierten Einzelprozessen besteht.
  • Drei Prozesse stehen im Thema Human Capital Management im Fokus:
    1. Performance-Management,
    2. Portfolio-Management, und
    3. Engagement-Management.

Dies führt uns nun zur Beantwortung der o.g. Fragen:

Ist HCM ein Thema für die Personalabteilung?

Human Capital Management ist nicht identisch mit Human Resource Management. Im Thema Human Capital / Human Capital Management geht es

  • um die Wirkung (auf die „Bottom-Line“) von Investitionen in Aus- und Weiterbildung oder in verbesserte Arbeitsbedingungen,
  • um eine Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Mitarbeitenden und wirtschaftlichem Erfolg, Rendite und ökonomischen Ertragszahlen,
  • um die Verbindung von Humankapital mit organisationalem Kapital (Struktur, Prozesse, etc.) und Beziehungskapital (Kundenbeziehungen, Lieferantenbeziehungen, etc.),
  • um die grundsätzliche Fähigkeit zu integrativen Leistungen des Humankapitals, die überhaupt erst die funktional organisierten Formen der Zusammenarbeit von Mitarbeitenden ermöglichen.

Human Capital Management geht damit über das betriebliche Personalmanagement weit hinaus und hat zum Ziel, den positiven Beitrag der Mitarbeitenden zur Wertschöpfung bzw. zum Unternehmenswert explizit zu steuern, zu kontrollieren und zu kommunizieren.

Alle Funktionen des Personalwesens sind notwendige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Human Capital Management. Im besten Fall ist die Personalabteilung demzufolge beteiligt bei der Einführung eines Human Capital Management-Ansatzes. Wie stark ihre Rolle ist hängt wesentlich davon ab, wie gut sie die oben skizzierten Wirkungen und Zusammenhänge selbst versteht, anderen darlegen und zielgerichtet umsetzen und steuern kann. In allen der drei o.g. Fokusprozesse ist die Personalabteilung eingebunden, verantwortlich sind jedoch die Führungskräfte selbst!

Welche Messgrößen sind notwendig?

Bisher häufig angewandte Kennzahlen zur Qualität und zur Effizienz einer Personalorganisation haben wenig zu tun mit Messgrößen und Analysen im Human Capital Management. Grafisch toll aufbereitete Dashboards und aufwändig erstellte Scorecards, die als Steuerungstools für Human Capital Management häufig angepriesen werden, beinhalten mehrheitlich lediglich sog. lagging indicators – hierauf bin ich bereits mehrfach an anderer Stelle eingegangen – und taugen daher nichts!

Die überwiegende Mehrzahl der mir bekannten Unternehmen, die sich mit Human Capital Management beschäftigen, machen zudem einen fundamentalen Fehler: sie beginnen HCM-Projekte mit (vielen) Kennzahlen und/oder einer HCM-Software. In meinen Beitrag Messen Sie noch, oder entscheiden Sie schon? vom Januar 2014 habe ich u.a. das LAMP framework vorgestellt. Die Kernaussage dieses framework habe ich in einem anderen Beitrag vertieft: Ohne Logik keine Kennzahlen.

Durch die oben bereits skizzierte Ausrichtung des Human Capital Management am Unternehmenserfolg müssen Rendite- und Risikogrößen im Vordergrund stehen. Detailliertere Ausführungen hierzu finden Sie in meinem Beitrag Was hat HR mit Agilität zu tun?. Dort gehe ich auf die Rendite des Humankapitals ein; dies unter Berücksichtigung unterschiedlicher Personalrisiken.

Dr. Birri hebt in seinem bereits zitierten Buch weitere wichtige HCM-Messgrößen hervor: Kompetenzen, Arbeitsergebnis, Potenzial, Engagement und Engagement-Treiber.

Zu letzter Messgröße finden Sie weitere Erläuterungen in meinem Blogbeitrag Engagement – was steckt wirklich dahinter? In mehreren Studien haben wir diese Treiber analysiert. Ich empfehle Ihnen eindringlich, diese Messgrößen, Treiber und sog. leading indicators (Frühindikatoren) in den Vordergrund zu stellen!

Wie lange dauert es, bis erste Erfolge sichtbar werden?

In der von Dr. Birri vorgestellten HCM-Architektur ist der Zusammenhang von Messgrößen, HCM-Prozessen und Interventionen dargestellt. Dies ist wichtig, um die Frage nach der Dauer zu beantworten. Denn: HCM ist kein primär technisch-methodischer Ansatz und auch nicht einfach eine Frage der Automation „alter“ Prozesse. Eine HCM-Software ist sicherlich unterstützend wertvoll, ersetzt jedoch nicht die oben skizzierte Logik und den Aufbau von Evidenz.

HCM verändert das Management einer zentralen Ressource des gesamten Unternehmens. Die Hauptakteure sind die Führungskräfte. HCM betrifft die Denkweise und die Kultur einer Unternehmung und hat für alle Mitglieder einer Organisation auf allen Stufen direkt spürbare Konsequenzen.

In den Vorüberlegungen zu Beginn dieses Beitrages bin ich auf zwei Blogbeiträge eingegangen, in denen ich die Reifegrade eines HCM-Ansatzes dargelegt habe. Daneben wurden in dem Conference-Board-Research Report Human Capital Analytics. A Primer die sog. Six Steps to Predictive Analytics dargelegt. Schliesslich geht auch der Research Report Human Capital Analytics @ Work auf Reifegrade und Vorgehensmodelle ein.

In Anlehnung an diese Erkenntnisse sowie an praktische Erfahrungen z.B. bei ADP, UPS und Hertz ist eine Dauer von 3 bis 4 Jahren, bis erste Erfolge sichtbar und messbar sind, die Regel.

In dieser Zeitspanne werden strategische Analysen durchgeführt, Geschäftsprobleme identifiziert und deren Lösung mittels HCM logisch durchdacht, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge – unter Einbindung externer Evidenz! – entwickelt, sowie konkrete Lösungsszenarien pilotiert und schließlich evaluiert.

Es gilt, die richtige Balance zwischen Komplexität und Mehrwert zu finden. Deshalb: klein beginnen und sukzessive ausbauen! Eine HCM-Initiative ist eher mit einem Marathon als mit einem 100-Meter-Sprint zu vergleichen. Dies stellt auch Mark Berry in seinem Beitrag HR – Crawl, Walk, & Run (Part 1): Building Evidence-Based HR eindrucksvoll heraus.

Kneifen gilt nicht. Arbeiten Sie stattdessen an Ihrer Ausdauer und wählen Sie das richtige Vorgehen. Lassen Sie sich von (schnell ermittelbaren) Kennzahlen nicht blenden. Holen Sie sich Rat – gerne auch von mir und fachkundigen KollegInnen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

Was ist Ihre Meinung?

  • Welche Rolle spielt die Personalabteilung in Ihren HCM-Initiativen bzw. welche Rolle sollte sie Ihrer Meinung nach spielen?
  • Welche Messgrößen stehen für Sie im Vordergrund? Wie hoch gewichten Sie die Rolle (maschinell) verfügbarer Daten und Informationen?
  • Gibt Ihnen die Unternehmensleitung die notwendige Zeit, um Erfahrungen im Thema HCM zu sammeln und Standards sukzessive zu implementieren?

Ich freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen zum Thema „HCM-Leitfaden für Führungskräfte„.