Zahlreiche Mythen kreisen um das Thema Workforce Analytics; hilfreich sind sie nicht. Im Gegenteil: Sie sind schlicht falsch und verstellen den Blick auf die Chancen und Möglichkeiten. Auf welche Fähigkeiten es wirklich ankommt und warum Sie heute mit Workforce Analytics beginnen können bzw. sollten lege ich in diesem Blogbeitrag dar.

In Gesprächen mit Personalern und am Thema Interessierten tauchen (leider) immer noch verschiedene Mythen auf; so z.B.

  • Wir (HR) sind nicht reif dafür, um uns mit Prognosen zu beschäftigen.
  • Wir (HR) haben nicht genug Daten, um uns mit Analytics zu befassen.
  • Wir müssen zuerst grosse Investitionen in Datentechnologien tätigen, bevor wir mit Analytics beginnen.
  • Wir können uns die Fähigkeit zum „predictive-modeling“ einfach dadurch einkaufen, dass wir in moderne HR-Business-Intelligence-Lösungen investieren.
  • Wir müssen eine Gruppe von Statistikern einstellen, bevor wir Analytics einführen können.
  • Analytics produziert „perfekte“ Vorhersagen und immer die beste Analysetechnik.
  • Sog. „predictive-models“ sind narrensicher, d.h. gute Software-Tools implizieren gute Modelle.
  • Sog. „predictive-models“ liefern immer Geschäftsergebnisse.

In diesem dritten Blogbeitrag des 4-Teilers – (1) Beitrag „Wir sollten die Grundlagen von Workforce Analytics verstehen“ (2) Beitrag „So wählen Sie den richtigen Einstieg in Workforce Analytics“ – möchte ich mit diesen Mythen aufräumen und stattdessen einige Fähigkeiten herausstellen, die wichtig sind.

Setzen Sie auf vorhandene Daten

Alle Analytics-Projekte benötigen Daten; eine Datenperfektion ist allerdings nicht notwendig. Häufig sind die Daten unvollständig, inkonsistent definiert, veraltet, fehlen, oder werden in unterschiedlichen, physisch voneinander getrennten Systemen gespeichert.

Die Handlungsmaxime ist deshalb: Tun Sie, was Sie können mit dem, was Sie haben! Halten Sie sich nicht zulange damit auf, alle Datenlücken zu füllen und alle Probleme zu beheben, da Sie ansonsten die übergeordneten analytischen Ziele aus den Augen verlieren. Datenprobleme werden Sie fortwährend begleiten.

Im Falle nicht vorhandener Daten besteht eine Lösung darin, einen neuen Datenerfassungsprozess, z.B. in Form einer Befragung, einzuleiten. Mit ein bisschen Kreativität und Einfallsreichtum lassen sich häufig zufriedenstellende Lösungen finden. Mitunter können auch Daten geschätzt werden, indem existierende Variablen miteinander kombiniert werden. Ein weiterer Ansatz besteht darin, externe, öffentlich zugängliche Daten stellvertretend zu verwenden.

Eine wichtige Annahme ist, dass die Daten normalverteilt sind. Zwei häufige Indikatoren für nicht-normale Verteilungen sind Schiefe und Wölbung, die Masse der Verteilungsform sind. Warum ist das so wichtig? Wenn Sie Statistiken verwenden, die Normalität erfordern, aber diese Annahme nicht erfüllt ist, können die statistischen Tests irreführende Ergebnisse liefern. Der Zweck der Statistik besteht schliesslich darin, eine Tatsachenbasis aufzubauen, auf der Entscheidungen aufgebaut werden; wenn die Tatsachenbasis ungenau ist, weil Analysewerkzeuge missbraucht wurden, steht sie gegen diesen Zweck.

Traditionelle Daten zu Mitarbeiterinformationen, die im Core-HRIS und anderen HR-Systemen gespeichert sind, sollten sicherlich im Umfang mit enthalten sein; zusammen mit Nicht-HR-Daten, wie finanzielle Leistung und Kundenzufriedenheit. Denken Sie über Unternehmensgrenzen hinweg und binden Sie beispielsweise relevante Social-Media-Daten mit ein.

Die diesjährige Fachtagung der STRIMacademy steht unter dem Motto: NextGen Workforce Analytics. Mit „NextGen“ sind zunächst einmal nicht-traditionelle Datenquellen gemeint, die mit der Entstehung und dem Wachstum des Internet der Dinge (wie z. B. Wearables, Sensoren und Tracking-Geräte) und Social Media aufkommen. Betrachten Sie Social-Network-Postings. Nicht nur, dass diese Information bis Anfang der 2000er Jahre praktisch nicht existierte; die Technologie, um so grosse Mengen an unstrukturierten Daten zu analysieren, war auch für die meisten Organisationen ausser Reichweite. Danach wurden ganze Unternehmen um die Fähigkeit herum gebaut, Echtzeit-Erkenntnisse zu erfassen und darauf zu reagieren. Mit dieser Evolution haben sich neue Quellen von Einsichten für Organisationen aus öffentlich zugänglichen externen Social-Media-Sites, internen Intranets und Collaboration-Software eröffnet. Metadaten der Website-Aktivität sind eine weitere nicht-traditionelle Datenquelle, die es zu berücksichtigen gilt – nach und nach, nicht alles auf einmal; nur dort, wo es für Ihr Unternehmen Sinn macht! Die „NextGen“ von Workforce Analytics stellt darüber hinaus wichtige Einblicke und Erkenntnisse über Mitarbeiter, den Arbeitsplatz und die Verhaltensweisen, die Zusammenarbeit und Innovation antreiben, in den Mittelpunkt. Infolgedessen erwarten wir eine wachsende Leistungslücke zwischen jenen Unternehmen, die neue Datenquellen und Werkzeuge zur Optimierung des Humankapitals nutzen, und denjenigen, die zögerlich hinterherhinken (auch lesenswert: HR Analytics – was bringt die nächste Generation?).

Die Cloud-Technologie hilft dabei, diese Herausforderungen zu bewältigen. Daneben nimmt die Data Governance – diese bezieht sich auf umfassende Strategien, Richtlinien, Standards und Regeln für die Verwaltung von Daten in Ihrer Organisation – rasant an Bedeutung zu.

Big Data ist zurzeit ein Modethema; häufig jedoch irreführend und nicht sehr praktisch. Big Data bringen einerseits Gutes, andererseits aber auch häufig steigende Komplexität, unrealistische Erwartungen und sogar Verwirrung. Ich plädiere daher für Smart Data; d.h.: Beginnen Sie mit einer klaren Vorstellung von den Fragen, die Sie versuchen zu beantworten und finden Sie die besten verfügbaren Datenquellen heraus, um diese Fragen zu beantworten. Verlieren Sie den Zweck des Projekts nicht aus den Augen und lassen Sie die Daten nicht zum Projekt werden!

Kennen Sie Ihre IT-Werkzeuge, Anwendungen und Plattformen?

Ein übergreifendes Prinzip ist, Ihren Ausgangspunkt in Bezug auf Technologie zu verstehen und wo Sie sein sollten, um Ihre Workforce-Analytics-Ziele zu erreichen. Dies beginnt mit der Vision und Mission im Thema Workforce Analytics.

Die Komponenten einer WA-Technologie sind:

  • HRIS-Technologie-Plattformen (Human Resources Information System),
  • HR Data Warehouse,
  • Reporting-Technologie,
  • statistische Analyse und Technologie für Maschinelles Lernen,
  • kognitive Technologie (basierend auf Künstlicher Intelligenz), und
  • Visualisierungs-Technologie.

In der Vergangenheit umfasste HRIS die Technologie, die erworben/gekauft und in den Räumlichkeiten der Organisation installiert wurde (on-premise). Alternativ konnte die Technologie zwar gekauft werden, ein Technologieanbieter hostet diese jedoch in seinen eigenen Räumlichkeiten (hosted). Seit gut fünf Jahren werden HRIS-Plattformen „in der Cloud“ im Rahmen eines „Software-as-a-Service“-Ansatzes entwickelt (SaaS).

Die Liste möglicher Technologieanbieter ist lang: Oracle bietet beispielsweise eine sog. Global Human Resources Cloud an, SAP SuccessFactors eine Suite zu Workforce Planning and Analytics. Workday verbindet HR und Finanzen im Rahmen von Financial and People Analytics. Daneben gibt es eine grosse Anzahl weiterer Anbieter. Bitte schreiben Sie mir Ihre Erfahrungen als Kommentar zu diesem Blogbeitrag.

Haben Sie die geeigneten Leute „an Bord“?

Der Berufszweig HR befindet sich im Umbruch – von einem primär Intuitions-getriebenen hin zu einem primär Evidenz-basierten Ansatz. Hierfür benötigen HR-Profis neue Fähigkeiten.

In einem früheren Blogbeitrag bin ich u.a. auf das HCA capability wheel (siehe Bild, vgl. Patrick Coolen, Auke Ijsselstein) eingegangen, das einen sehr guten Überblick über notwendige Fähigkeiten mit Blick auf Workforce Analytics liefert.

John Boudreau hat in seinem The-Power-of-People-Beitrag „Build the Analytics Team“ die sog. six skills for success vorgestellt, die weitestgehend im Einklang stehen mit dem HCA capability wheel: (1) Geschäftssinn, (2) Methoden- und Beratungswissen, (3) Verständnis über Personalprozesse, Privatsphäre/Datenschutz und ethisches Verhalten, (4) Arbeitspsychologie, (5) Datenwissenschaft, sowie (6) Kommunikation.

Häufig werde ich gefragt: Wie viele Mitarbeiter/-innen benötige ich speziell zu Beginn eines WA-Projektes? Gibt es Ratios o.ä.? Ich meine: Fangen Sie klein an (2-3 Mitarbeitende, in-house) und machen Sie keine personellen Kompromisse. Binden Sie von Anfang an Know-How-Träger im Unternehmen – auch ausserhalb von HR (in-source) – mit ein. Setzen Sie auf einen „gesunden Mix“ von internem Know-How und externem Expertenwissen (out-source), um die o.g. Fähigkeiten möglichst gut abzudecken.

Inwieweit Sie welche dieser drei Optionen nutzen hängt v.a. von Budgetrestriktionen, Kompetenzlücken, sowie Erwartungshaltungen bzgl. Ergebnissen auf der Zeitschiene ab. Bitte bedenken Sie: Etliche Analysen können von sensibler Natur sein oder es gibt potenzielle Interessenkonflikte, die Objektivität Dritter oder Trennung von Pflichten erfordern! Wichtig ist: Bleiben Sie fokussiert, verzetteln Sie sich nicht, sondern konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten und wirkungsvollsten Projekte (vgl. Ausführungen zu Quick Win).

Welches Geschäftsmodell legen Sie zugrunde?

Das Geschäftsmodell beschreibt, wie das WA-Team seine Geschäfte innerhalb der grösseren Organisation und der externen Umgebung durchführen wird, in der es sich befindet. Wenn dieses Modell sorgfältig und durchdacht konzipiert wird, hilft es Ihnen dabei, Ihre WA-Mission zu erreichen, indem Sie die tägliche Umsetzung an dem, was Sie letztendlich erreichen wollen, ausrichten.

Folgende Elemente sind hierbei wichtig:

  • Strategie: Vision, Mission und Werte.
  • Steuerung: Belegschaftsdaten, Berichtsstruktur, Entscheidungsfindung.
  • Umsetzung: Teamstruktur, Rollen und Verantwortlichkeiten, Projektmanagement.
  • Verantwortung: Business Case, Erfolgskennzahlen.

Die Strategie wird mit Hilfe von Vision, Mission und Werten beschrieben. Ein Steuerungsrahmen hilft Ihnen dabei, die Bedürfnisse der verschiedenen Stakeholder auszugleichen. Innerhalb dieses Rahmens müssen Sie die Umsetzung Ihrer laufenden Arbeit strukturieren. Und wie bei jeder Investition in einem Unternehmen ist Verantwortung und Rechenschaftspflicht für Ergebnisse gefragt.

Ein ethisch einwandfreier und verantwortungsvoller Umgang mit Mitarbeiterdaten ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Mitarbeitende sensible Daten „freigeben“ oder zustimmen, dass diese in Auswertungen mit einfliessen. Nigel Guenole und Jonathan Ferrar haben hierbei vier Punkte hervorgehoben und mit dem Akronym FORT zusammengefasst:

  • Hören Sie auf Feedback bzgl. der analytischen Ziele von Menschen, die betroffen sein werden.
  • Wo möglich, bieten Sie die gemeinsame Nutzung von Daten auf freiwilliger Basis – optional – an.
  • Lassen Sie denjenigen, die damit einverstanden sind, ihre Daten für Workforce Analytics zu teilen, eine Anerkennung – recognition – zukommen.
  • Leben Sie Transparenz und informieren Sie über das, was Sie aus den zur Verfügung stehenden Daten lesen und ableiten.

Insbesondere im Rahmen der Steuerung ist es hilfreich, einen Prozess zur Entscheidungsfindung zu etablieren. Dies werde ich u.a. im Rahmen der Herbsttagung in Edesheim vertiefen.

Für die Definition und Kommunikation von Rollen und Verantwortlichkeiten empfehle ich die Kategorisierung nach RACI:

  • Responsible: Menschen, die die Arbeit ausführen, um eine Aufgabe zu erledigen.
  • Accountable: Die Person, die letztlich dafür verantwortlich ist, eine Aufgabe abzuschliessen (nur eine Person sollte für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich gemacht werden; heisst: ein Team kann nie accountable sein).
  • Consulted: Menschen, deren Meinungen und Input wegen ihrer Fachkompetenz notwendig sind (typischerweise Zwei-Wege-Kommunikation).
  • Informed: Menschen, die sich der Aufgabe bewusst sein müssen und über den Fortschritt informiert werden (typischerweise Einwegkommunikation).

Wenn man David Green und anderen Vertretern der WA-Community Glauben schenken darf – ich meine, man sollte es tun -, dann wird mit diesem Geschäftsmodell für Workforce Analytics der Grundstein gelegt für die künftige Ausgestaltung von HR insgesamt [Six reasons why workforce analytics will be central to the future of HR].

Fazit

HR wird und muss sich verändern. Hierbei ist es hilfreich, die Welt von aussen zu sehen, Storytelling zu nutzen, mit Zahlen umgehen zu können, und einen beratenden Mind-Set zu besitzen. In diesem Blogbeitrag habe ich die m.E. für Workforce Analytics notwendigen Fähigkeiten dargelegt.

Einige wenige Leitprinzipien mögen Sie abschliessend unterstützen:

  • Konzentrieren Sie sich auf wenige kritische Aspekte (Pilotierung, Modularisierung, Quick Win).
  • Achten Sie darauf, dass sich die Investitionen in Analytics “rechnen” (Wirkung auf den Geschäftserfolg, RoI) – nutzen Sie externe Evidenz!
  • Entwickeln Sie einen vorliegenden, fundierten Datenhaushalt und steuerungsrelevante Informationen/Kennzahlen – zuerst in einer separaten IT-Umgebung (Machbarkeitsstudie) mit anschliessender Einbindung.
  • Binden Sie Prognosen auf Basis (kausaler) Wirkzusammenhänge und statistischer, multivariater Verfahren mit ein.
  • Schliessen Sie sich mit anderen Unternehmensbereichen zusammen.
  • Streben Sie hohe Qualitätsstandards an und vertrauen Sie – wenn notwendig – Ihrem Gespür.
  • Schaffen Sie eine Balance zwischen dem Wunsch nach Genauigkeit und dem (quantitativen und qualitativen) Informationsbedarf (Kosten-Nutzen-Relation).
  • Trainieren Sie eine effektive Kommunikation von Daten resp. Kennzahlen (aussagekräftige Schautafeln und Präsentationen, qualitatives Storytelling).
  • Entwickeln Sie neue Fähigkeiten im Personalbereich!

Im Thema Workforce Analytics geht es um nicht weniger als um die Strategieimplementierung (STRIM) durch Menschen (auch lesenswert: „Strategic Fit“ von Strategie und HCM). Nicht zuletzt deshalb geht Workforce Analytics deutlich über ein Berichtswesen hinaus! Patrick Coolen hat dies im Beitrag „Strategy and HCM at ABN AMRO Bank“ eindrucksvoll dargelegt.

Im vierten und letzten Beitrag gehe ich auf den  Aufbau eines Analytics-Kultur ein.