Bei einer Unternehmenssanierung liegen gute und schlechte Nachrichten häufig eng beieinander. Beispiele der VW-Tochter MAN oder Ostermann DOB-Getriebebau zeigen: Eine Sanierung bzw. Restrukturierung geht in der Regel mit Einschnitten an Standorten und Mitarbeiterkapazitäten einher, sowie mit Anpassungen bei Kunden- und Produktsegmenten.

Gut durchgeführt starten die meisten Unternehmen nach der Sanierung durch, d.h. erzielen nachhaltige Umsatz- und Gewinnsteigerungen und schaffen neue Arbeitsplätze.

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich schreibe diesen Beitrag nicht, um ein neues Phasenmodell zur Sanierung vorzustellen o.ä. Vielmehr ist es mir ein Anliegen, neben den häufig dominierenden juristischen und finanzwirtschaftlichen Themenstellungen, die ohne Zweifel sehr wichtig sind, personelle, häufig unterbelichtete Themen zu beleuchten; denn: Eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensfortführung gelingt v.a. mit wertschätzender Führung und kompetenten, engagierten Mitarbeitenden.

Sanierungsgutachten

Neben der organisatorischen Sanierung (z. B. durch Rationalisierung), der sachlichen Sanierung (z. B. durch Abstossen unwirtschaftlich arbeitender Unternehmensbereiche) und der finanziellen Sanierung (durch Zuführung neuen Kapitals, Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital und von kurzfristigen Krediten in langfristiges Fremdkapital) steht die personelle Sanierung: Entlang des Phasenmodells nenne ich einige, mir wichtige personelle Massnahmen:

  • Sanierungsvorhaben: Hier stehen einerseits kurzfristige Massnahmen der Liquiditätssicherung und des Kostenabbaus im Vordergrund. Zu schnell reagieren viele Sanierer bereits an dieser Stelle mit Personalabbau als Instrument der Wahl, um ein derzeit ertragsschwaches Unternehmen kurzfristig – und meist vorübergehend – profitabler zu machen. Sie verkennen damit, dass dieser Effekt zwar kurzfristig von Banken resp. Stakeholdern honoriert wird, Unternehmen jedoch mittel- bis langfristig häufig an Boden verlieren. Ein Sanierungsvorhaben hat andererseits nämlich auch das Ziel, eine strategische Neuausrichtung in die Wege zu leiten. Das geht aber nur mit den besten, verfügbaren Mitarbeitenden, die das Unternehmen kennen und mit ihm verbunden sind. Des Weiteren beinhaltet ein Sanierungsvorhaben auch die Vermittlung von Vision, Zielen und Massnahmen. Diese sind mit den Mitarbeitenden zu diskutieren und abzustimmen. Gerade qualifizierte Mitarbeitende, die in anderen Unternehmen eine Anstellung finden und nicht frühzeitig „abgeholt“ werden, verlassen in diesem frühen Stadium das Unternehmen und tragen so zu einer Verschärfung der Situation bei.
  • Krisenerkennung: Die Identifikation der Krise stellt ein Problem der Informationsgewinnung bzw. – bewertung und ein Kommunikationsproblem dar. Häufig setzt die Kommunikation zwischen Unternehmensleitung, Führungskräften und Mitarbeitenden erst zu einem späten Zeitpunkt ein, nämlich im Stadium der Ertrags- oder gar der Liquiditätskrise. Noch schlimmer: Mitarbeitende erfahren aus der Presse, dass „ihr“ Unternehmen in seiner Existenz bedroht ist. Das trägt nicht zu einer von Vertrauen getragenen Zusammenarbeit bei. Mitarbeitende fühlen sich machtlos, sind enttäuscht, sehen häufig keinen Sinn mehr in ihrem Tun und sehen sich nicht in der Lage, aktiv zur Krisenbewältigung beizutragen. Viele Führungskräfte sind einer solchen Situation selbst überfordert, konzentrieren sich auf sich selbst und ihre Situation, anstatt unternehmerisch zu agieren und ihre Führungsverantwortung wahrzunehmen.
  • Initiierung der Sanierung: Alle externen Stakeholder sind in einer solchen Situation einzubinden: Kontrollorgane, Banken, Lieferanten und Kunden. Ein Verdrängen oder Verschleiern ist die schlechteste aller Alternativen. D.h. alle Mitarbeitenden sind in die Kommunikation mit den externen Stakeholdern einzubinden. Offizielle Presseorgane, Social Media, etc. müssen die zentralen Botschaften verstärken und glaubhaft transportieren.
  • Grobanalyse: Diese Analyse beinhaltet einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Hierbei geht es nicht nur um einen finanziellen Rückblick und eine Gegenwartsbetrachtung, sondern auch um die Einschätzung künftiger Erfolgschancen. Dies geht alle Mitarbeitenden etwas an! Sie sollten mit darüber entscheiden, welche kurzfristigen Einschnitte notwendig und möglich sind, ohne die künftige Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.
  • Sofortmassnahmen: Diese Massnahmen dienen zur möglichst schnellen Stabilisierung des Unternehmens, um eine weitere Verschlechterung der Situation zu vermeiden. Ganz wichtig ist an dieser Stelle, Leistungsträger an das Unternehmen zu binden und sie zu Botschaftern nach innen und aussen zu machen, die glaubhaft notwendige Einschnitte verteidigen, mögliche Erfolgschancen aufzeigen und eingeleitete Sofortmassnahmen vorleben.
  • Sanierungskonzept: Das Sanierungskonzept ist quasi der Masterplan des gesamten Sanierungsprozesses. Er ist im Idealfall abgestimmt mit der operativen (und) strategischen Planung. Ein solches Konzept ist zukunfts-gerichtet, skizziert das Leitbild und notwendige (Personal-)Massnahmen, und beinhaltet Szenarien sowie eine Plan-GuV-Rechnung. Alle Mitarbeitenden – Führende und Nicht-Führende – sollten ihr Commitment zu diesem Konzept verbindlich zum Ausdruck bringen und sich ihren Zielvereinbarungen daran messen lassen. Hier ist Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit unbedingt notwendig und auch hierarchie-übergreifend einzufordern. Ein besonderes Augenmerk ist bei familiengeführten Unternehmen auf die sog. Familiensphäre zu richten. Hierzu gehören neben den Familienmitgliedern auch der Freundeskreis sowie das politische und soziale Umfeld.
  • Implementierung: Hiermit sollte bereits während der Konzepterstellung begonnen werden. Durch den Zeitgewinn werden Umsetzungserfolge rascher sichtbar und erlebbar. Dies setzt bei allen Beteiligten zusätzliche Kraftfelder und Motivation frei – „wir schaffen das“. Ausserdem kann man dadurch auftretenden Widerständen schneller entgegentreten und diese entkräften. Realistischerweise läuft nie alles so, wie es vorab geplant wurde. Heisst: Es ist mit Anpassungen und ggf. Zeitverzögerungen zu rechnen, die jedoch den Businessplan nicht gefährden sollten. Ausserdem sind Schulungen und Coachings mit einzuplanen; d.h., Führungskräfte und Mitarbeiter sind zu qualifizieren und zu befähigen, um Veränderungen und Reorganisationen zu meistern. Schliesslich – und auch das sollte offen angesprochen werden – ist mitunter ein Mitarbeiteraustausch nicht zu vermeiden. Solche Prozesse benötigen Zeit und sollten wertschätzend vonstatten gehen. Die im Unternehmen verbleibenden Mitarbeiter beobachten auch solche Dinge sehr aufmerksam und machen implizit und/oder explizit ihr Engagement für das Unternehmen davon abhängig.
  • Kontrolle: Diese Phase wird leider häufig vernachlässigt. Dabei gibt die Kontrolle nicht nur Aufschluss darüber, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden, sondern auch darüber, welche Anpassungen bzw. Veränderungen notwendig sind, um eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensentwicklung (entlang Umsatz und Gewinn) sicherzustellen. Es gilt, eine erneute Krisensituation möglichst zu verhindern und kontinuierlich den Kurs zu überprüfen. Es ist erschreckend, wieviel Blindflug selbst in mittelgrossen und grossen Unternehmen heute noch geduldet wird – mit hohen Risiken für alle Beteiligten.

Fazit

Wenn das Balanced-Scorecard-Konzept auch nur ein Stückchen Wahrheit enthält, dann bauen die vier Perspektiven aufeinander auf; d.h. die Mitarbeiterperspektive wirkt auf die Prozessperspektive, diese auf die Kundenperspektive, und diese schliesslich auf die Finanzperspektive. Es wäre also zu kurz gesprungen, im Rahmen einer Sanierung resp. Restrukturierung „nur“ auf die Finanzperspektive und ggf. noch auf die Kundenperspektive zu fokussieren. Gleichzeitig wäre es kurzsichtig, Personalabbau als Mittel der Wahl heranzuziehen.

Das gesamte Sanierungskonzept und die Sanierung resp. Restrukturierung an sich beinhalten personelle Massnahmen, die Führungskräfte und Mitarbeitende umfassen und sie als Botschafter der Trendwende einbinden. Deren Wissen, deren Fähigkeiten, deren Loyalität und Motivation sind wesentlich für den Sanierungserfolg sowie für nachhaltige Wettbewerbs- und Renditefähigkeit.

Unter den drei Hauptursachen einer Krise rangiert die mangelnde Managementqualifikation mit 60% auf Platz 2! Neben der unternehmerischen und fachlichen Kompetenz des Managements sollte m.E. auch die Gesundheit, das familiäre Umfeld, die Lebensplanung, die Überzeugungs- und Durchsetzungskraft, sowie das Charisma in eine ganzheitliche Beurteilung mit einbezogen werden.