In den letzten Monaten habe ich drei Beiträge zu evidenz-basierter Entscheidungsfindung in Human Resources geschrieben.  Bestimmt kam bei einigen LeserInnen die Frage auf: Wer macht das? Wer geht denn praktisch so vor? Immer mehr Unternehmen. Sie folgen den drei wesentlichen Schritten, die ich in den Beiträgen dargelegt habe. Schauen wir sie uns an.

Zunächst noch kurz zu den drei o.g. Beiträgen:

Diesen Beiträgen liegt die tiefe Überzeugung zugrunde, dass Workforce Analytics eine Komponente des evidenz-basierten Handelns ist. Workforce Analytics ist damit eine Methodologie und integrierter Prozess, um die Qualität von Entscheidungen zu verbessern; speziell solcher Entscheidungen, die eine Auswirkung auf oder eine Abhängigkeit von Menschen haben mit dem Zweck, die individuelle und/oder organisatorische Leistung zu verbessern. Eine Entscheidungsfindung durch Spekulation und Intuition ist nicht länger hinreichend!

Im Folgenden stelle ich Ihnen hierzu drei Praxisbeispiele folgender Unternehmen vor: Siemens AG, Atos SE, und Deutsche Post DHL Group.

Workforce Analytics bei der Siemens AG

Herr Jürgen Bitz verantwortet diese Rolle seit Oktober 2014. Davor war er u.a. in der Siemens Management Consulting tätig und hat Erfahrung im Thema Strategische Personalplanung. Sein derzeitiger „best selling report“ sind Personalbewegungen im Konzern. Ziel ist, dass Führungskräfte Personalveränderungen genauso leicht verstehen wie Kostenveränderungen. Derzeit „kämpft“ Siemens noch mit einer heterogenen Systemlandschaft. In naher Zukunft sollen automatisierte Berichte für das Management erzeugt werden.

Jürgen hat bereits damit begonnen, Beziehungen zwischen einzelnen Variablen zu entwickeln. So untersucht er beispielsweise die Ergebnisse des Engagement Survey mit Beförderungen. These: Manager mit guter Führung – wahrgenommen und ausgedrückt durch die Mitarbeitenden im Engagement Survey – werden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit befördert. Aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen kann ich die Ergebnisse an dieser Stelle nicht publizieren.

HR Analytics bei ATOS SE

Herr Tako Zoutman leitet diese Funktion seit Januar 2016. Er ist ein erfahrener IT- und Shared-Service-Manager. Die Entwicklung von Führungskräften ist im Allgemeinen und im Speziellen bei Atos eine der grössten Investitionen in Humanvermögen. Tako hat sich zum Ziel gesetzt, den RoI dieser Entwicklungsmassnahmen zu eruieren. Dazu gehören u.a. die Anwendungsentwicklung, das Sammeln verschiedener Arten sog. „harter“ und „weicher“ Daten, das Isolieren der Auswirkungen des Programms, das Umwandeln von Daten in monetäre Werteinheiten, die Tabellierung entsprechender Programmkosten, sowie die Berechnung des RoI.

Im Ergebnis – Tako bezieht sich in seinen Analysen auf ein weltweites 2-Tage-Programm, an dem 2.000 Führungskräfte pro Jahr teilnehmen – konnte eine Rendite in Höhe von ca. 40 Prozent ermittelt werden. Genauere Daten und Herleitungen kann ich auch hierzu leider nicht publizieren.

HR Analytics & Reporting bei der Deutsche Post DHL Group

Frau Dr. Ruth Kuchem leitet diese Funktion. Sie ist promovierte Mathematikerin und sehr erfahren im Erstellen von Statistiken und Analysen. Ruth hat sich zum Ziel gesetzt, Kennzahlen zu liefern, um den Wandel in der Unternehmensgruppe voranzutreiben. Wie Jürgen bei Siemens so hat auch Ruth mit Datenharmonisierungen begonnen. Auf dieser Basis hat sie mit ihrem 9-köpfigen Team zwei Frontends erstellt: Ein HR Dashboard für das Obere Management und (Excel-nahe) Standard Reports für ca. 250 HR Manager.

Den Rollout hin zu Business Partnern und Managern organisiert Ruth mit Hilfe von learning tutorials und Webex sessions.

Wie Jürgen bei Siemens untersuchte Ruth die Beziehungen von Employee Engagement; allerdings nicht bezogen auf Beförderungen, sondern auf die (freiwillige) Kündigungsquote. Hierzu hat sie „Geschichten“ aufgebaut, um die Ergebnisse an Führungskräfte zu kommunizieren.

Daneben liegt ein besonderer Schwerpunkt auf dem Thema Diversity. Die Deutsche Post DHL Group unterscheidet dabei in vier Dimensionen: Geschlecht, Alter, Nationalität, und Erfahrung. Die bisherigen Ergebnisse machen Appetit auf mehr.

Fazit

Alle drei Praxisbeispiele befinden sich in einem vergleichbaren Reifegrad. Die Unternehmen haben die Grundlagen für Workforce Analytics im Sinne eines evidenz-basierten Handelns geschaffen und machen erste Erfahrungen mit Beziehungen zwischen Variablen, dem Messen von Auswirkungen und dem RoI einer Massnahme bzw. eines Programms.
Mit Prognosen und Szenarien sind die Unternehmen noch zurückhaltend; ebenso mit der Umrechnung von Daten in Geldeinheiten und einem prognostizierten RoI.
Richtigerweise arbeiten sie gründlich an den Grundlagen; nämlich einem harmonisierten und qualitativ hochwertigen Datenhaushalt unter Einhaltung der Privatsphäre.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf einen bereits am 25. Februar 2015 publizierten Beitrag „HCM-Leitfaden für Führungskräfte“ aufmerksam machen, in dem ich u.a. über den richtigen Einstieg in das Thema berichtet habe, sowie über ein Praxisbeispiel der Credit Suisse.

Auf Basis all dieser Beispiele möchte ich gerne folgende Fragen mit Ihnen diskutieren:

  • Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf den Themen Führung/Führungskräfteentwicklung und Employee Engagement. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen? Welche weiteren Schwerpunkte schlagen Sie vor?
  • Daten- und Systemharmonisierungen nehmen sehr viel Zeit in Anspruch; in den obigen Beispielen bis zu zwei Jahren. Was sind Ihre Erfahrungen hierzu?
  • Welche Wege nutzen Sie bei der Kommunikation gewonnener Erkenntnisse an Geschäftsleitungen und Führungskräfte? Was geht, was sollte man nicht tun?

Diese und weitere Fragen diskutiere ich gerne mit Ihnen hier im Blog bzw. in unserer diesjährigen Tagung am 10. November 2016 im Hotel Schloss Edesheim.