Zusammenfassung: Den Anspruch, Organisationen zukunftsfähig zu gestalten resp. zu transformieren, kann HR erst dann stellen, wenn es sich selbst entlang der von D. Ulrich recherchierten Kompetenzen neu aufgestellt hat!

 

Schlagwörter: HR Kompetenzen, Innovation, Personalplanung, Analytik, Strategie, KPI, ROI, Talent Management

Die von Dave Ulrich et al in „HR from the Outside-In“ aufgeführten Anforderungen an HR lesen sich wie die Wunschliste meiner drei Kinder zu Weihnachten. Spätestens nach Kapitel 2 lese ich sehr entspannt weiter; dies in der Vermutung, dass Ulrichs im Jahr 2012 aktualisierte Untersuchungsergebnisse scheinbar wenig mit der Realität zu tun haben – wenigstens in Europa.

Aber dann fesselt mich das Buch doch:

  • Die glaubwürdigen Aktivisten in HR sind in der Überzahl,
  • die Effizienzsteigerung mit Hilfe der Technologie, die Einbindung sozialer Netzwerke und die Transformation von Information zu Wissen und damit zu klugen Entscheidungen zählen nicht gerade zu den Stärken von HR,
  • gerade diese technologische Kompetenz sowie Innovation und Integration haben die deutlichsten Auswirkungen auf geschäftlichen Erfolg.

OK, das deckt sich dann doch wieder weitgehend mit der erlebten Realität sowie mit unseren Studien an The Conference Board in Zusammenarbeit mit McKinsey & Company.

Was machen wir nun mit diesen Erkenntnissen?

  • Schliessen wir die HR Funktionen?
  • Schrumpfen wir die HR Verantwortlichkeit zurecht auf administrative Aufgaben und verlagern die wertschöpfenden Tätigkeiten in andere Unternehmensbereiche (retrograde HR professionalism)?
  • Ersetzen wir die Akteure durch Mitarbeiter aus den Geschäftsbereichen, die nachweislich strategisch agieren, Wandel meistern und Talente in ihren Verantwortungsbereichen eigenverantwortlich entwickeln können?

Dave Ulrich setzt seine Hoffnung auf HR Verantwortliche, wenn er sagt: „HR professionals should therefore be cautious in continuing to focus on building additional strength in personal credibility. Our data indicate that they need to move on to the agendas that add greater value.”

Welche HR Kompetenzen sind denn nun ausschlaggebend für Geschäftserfolg?

Aus der globalen Perspektive sind folgende drei Kompetenzen zu nennen:

  1. Innovator und Integrator (19%): Hierzu gehören die Optimierung des Humankapitals durch Personalplanung und Analytik, die Organisation und Gestaltung der Kommunikationspraxis, die Schaffung einer Führungsmarke, die Talententwicklung, sowie die Leistungsorientierung.
  2. Erbauer resp. Entwickler unternehmenskritischer Fähigkeiten (18%): Hierzu gehören die Ausrichtung der Strategie, der Kultur, angewandter Praktiken und des Verhaltens, die Kapitalisierung organisatorischer Fähigkeiten sowie die Schaffung einer sinnvollen Arbeitsumgebung.
  3. Befürworter und Förderer neuer technischer Möglichkeiten (18%): Hierzu gehören die Verbindung von Menschen durch Technologie, die Nutzensteigerung von HR-Tätigkeiten sowie die Nutzung von Social Media-Tools.

Welche Faktoren machen die Kompetenz des Innovators und Integrators im Wesentlichen aus?

Die Optimierung des Humankapitals durch Personalplanung und Analytik (Faktor 1) ist ein sehr wesentlicher Faktor. Innovatoren und Integratoren definieren die Personalbedarfe und entwickeln Mitarbeitende gezielt in wesentliche Fähigkeiten des Unternehmens hinein.

Vier Grundsätze werden dabei als wesentlich erachtet:

  1. Die Definition kritischer, strategischer Rollen.
  2. Die Durchführung strategischer Analysen wie SWOT, PESTEL/STEPED.
  3. Die Balance von Kreativität und Innovation einerseits sowie operativer Exzellenz und damit Effizienz andererseits (Frage der Fertigungstiefe!).
  4. Die Steuerung des Veränderungsprozesses.

Beim Aufbau des hierzu notwendigen Kennzahlensystems ist v.a. folgendes zu beachten:

  • Statt dem Messen von HR Aktivitäten hin zum Messen von HR Ergebnissen,
  • von einer statischen HR Scorecard oder Dashboard hin zu einer vorausschauenden Analytik, welche Wirkzusammenhänge von HR Investitionen und Geschäftsergebnissen aufzeigt (Kausalmodelle!), sowie
  • vom Datenfokus hin zum Aufbau von Wissen als Grundlage für Entscheidungsunterstützung und -findung.

Die Ansprache, Rekrutierung, Entwicklung und Bindung von Talenten ist ein weiterer wichtiger Faktor (2). Er steht in engem Zusammenhang zur Nachfolgeplanung und zur Führungskräfte-Entwicklungsplanung.

Schliesslich ist auch die systematische Entwicklung von Führungskräften als Marke und damit Erfolgsfaktor hervorzuheben (Faktor 3). Hierbei ist v.a. auf die Umsetzungskompetenz Wert zu legen.

Übrigens decken sich diese o.g. drei Faktoren, die in Summe die Kompetenz des Innovators und Integrators ausmachen – diese Kompetenz wiederum ist essentiell für den Beitrag zum Geschäftserfolg -, mit den drei Fokusthemen unserer Unternehmensgruppe: Strategy Execution Framework, Human Capital Analytics und Talent Relationship Management

Sind diese globalen Erkenntnisse 1:1 auf Europa übertragbar?

A. Freed et al. stellen bezogen auf Europa fest: „… the scores of the European contingent in all of the six competencies domains are lower than the scores in the global sample. The message is clear and suggests that HR professionals in Europe must do a better job at responding to the trends facing businesses in their regions today.”

Vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung wesentlicher Trends, wie z.B. Unterschieden im Bruttosozialprodukt, bei Arbeitslosenquoten, Arbeitskosten und ökonomischen Unsicherheiten, stehen für Europa die folgenden Kompetenzen im Vordergrund:

  1. Befürworter und Förderer neuer technischer Möglichkeiten: Verbindung von Menschen durch Technologie.
  2. Erbauer resp. Entwickler unternehmenskritischer Fähigkeiten: Ausrichtung der Strategie, der Kultur, angewandter Praktiken und des Verhaltens.
  3. Innovator und Integrator: Optimierung des Humankapitals durch Personalplanung und Analytik.
  4. Meister der Veränderung: anhaltende Veränderung.

Auf der Domänenebene hat die Kompetenz „Innovator und Integrator“ die grösste Wirkung auf den Geschäftserfolg.

A. Freed et al. kommen für Europa zum nüchternen Ergebnis, das die HR Verantwortlichen gründlich umdenken müssen und ihre technischen Fähigkeiten mit Blick auf geschäftspolitische Anforderungen ausbauen sollten. Ansonsten „they run the risk of losing their hard-earned seats at the table.“

Fazit

Es ist nicht recht einzusehen, warum Dave Ulrich erst in der neuen Entwicklungsstufe 4 strategische Analysen (z.B. STEPED im Kontext von Outside-In) anspricht, wo doch bereits in Stufe 3 HR Verantwortliche strategisch agieren, d.h. ihr Tun auf unternehmensstrategische Eckpunkte hin ausrichten sollen.

Die Hoffnung, HR Verantwortliche zu strategischen Business Partnern hin zu entwickeln, die auf C-Level ungeteilte Wertschätzung im Unternehmen geniessen, stirbt wohl zuletzt.

Trotzdem ist die Botschaft der Autoren auf Basis der 2012 HR Competency Study richtig und eindeutig, auch und speziell mit Blick auf Europa. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als einen gründlichen „mind-shift“ der HR Verantwortlichen hin zu den skizzierten Kompetenzen.

Wo stehen wir resp. die HR Verantwortlichen wohl 2017? Dann erscheinen nämlich die nächsten, aktualisierten Forschungsergebnisse von Dave Ulrich und seinen Co-Autoren.

 

Hier finden Sie noch weitere Informationen resp. Beiträge zum Thema:

Was meinen Sie dazu? Wie stehen Sie zu folgenden Leitfragen:

  • Wo sehen Sie die HR Funktionen auf den „vier Wellen“ von Dave Ulrich? Ist sie strategisch ausgerichtet? Blickt sie von aussen nach innen?
  • Welche Kompetenzen stehen Ihrer Meinung nach derzeit im Vordergrund; v.a. in Europa?
  • Haben Sie in Ihrem Unternehmen bereits Massnahmen in Richtung „Innovator und Integrator“ eingeleitet?
  • Haben Sie damit begonnen, die technologische Kompetenz innerhalb von HR auszubauen, z.B. durch die Einbindung sozialer Netzwerke?
  • Wo sehen Sie HR in fünf Jahren?