Es gibt anscheinend keine Fachtagung, Veranstaltung, Messe, … Haarwaschmittel mehr, auf dem nicht Digitalisierung oder Innovation draufsteht. Dieses inflationäre Umgehen mit Begrifflichkeiten führt häufig dazu, dass die eigentlichen Inhalte zu kurz kommen; Hauptsache, die Fassade passt. Übrig bleiben dann innere Leere, Frust, und viel Staub um Nichts. Das ist fatal und unverantwortlich, denn die Faktenlage der Wirtschaft sendet eindeutige Signale.

Diese sind – um nur einige zu nennen:

  • Das BIP-Wachstum wird sich in den nächsten 40-50 Jahren c.p. – u.a. bedingt durch demografische Entwicklungen – um rund 40 Prozent verlangsamen,
  • Technologie und Innovationen wirken sich bisher kaum spürbar auf die Produktivität von Unternehmen aus,
  • der Anstieg der Arbeitsproduktivität in den sog. „reifen“ Volkswirtschaften liegt unter 1,5 %, und
  • das Aufholpotenzial der Schwellenländer läuft allmählich aus.

Ideas Innovation Creativity Knowledge Inspiration Vision Concept

Forschungsergebnisse lenken den Blick auf im Wesentlichen 10 Top-Strategien der Geschäftsleitungen, um die skizzierte Faktenlage entgegenzuwirken:

Wie wichtig diese Strategien mit Blick auf Arbeiten 4.0 sind lesen Sie hier.

Wie so häufig „steckt der Teufel im Detail“, nämlich in der konkreten Umsetzung und im Mitdenken möglicher Auswirkungen auf das Geschäft und das Humanvermögen.
Ich möchte hierzu drei Thesen aufstellen und mit Ihnen diskutieren:

  • Für das Gelingen von Innovation und Digitalisierung braucht es Innovation Labs.
  • Innovation und Digitalisierung gelingen nur in Grossunternehmen.
  • Die erfolgreiche Implementierung von Innovation und Digitalisierung steht und fällt mit einem Chief Digital Officer.

Wie Sie sofort erkennen stehen diese drei Thesen für drei in der Praxis häufig anzutreffende Meinungsbilder resp. Pilotanwendungen. Hierauf werde ich im Folgenden kurz eingehen.

Innovation Labs

Sicherlich können solche Labs (dt.: Labore) Sinn machen. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass es sich hierbei um Labore für verschiedene Experimente und für Prozess- und/oder Qualitätskontrollen handelt. Sie werden bewusst abseits der gewohnten Geschäftstätigkeit aufgebaut. Damit ist ihre Halbwertszeit von Anfang an begrenzt.

Straub, Kleske, Krüger und Schwarzmann gehen in ihrem Beitrag vom 19. Oktober 2016 darauf ein, warum Innovation Labs häufig scheitern:

  • Im Mittelpunkt stehen selten die Inhalte, sondern die sichtbaren Symbole der Digitalisierung.
  • Bei genauerer Betrachtung funktionieren viele Labs nach den bekannten Mustern klassischer Organisationen.
  • Es werden bewusst Gräben gezogen: Schwerfälliger Tanker hier, Innovation Lab-Speedboot dort. Dies verhindert notwendigen, gegenseitigen Austausch.
  • Nicht jeder Design Thinking-Workshop führt automatisch zu bahnbrechenden Ideen und Prototypen. Die Fragen der erfolgreichen Skalierung werden nicht gestellt, die notwendige Umsetzung kommt nicht zustande.

Wichtig ist deshalb:

  • Fokussiert bleiben auf den eigenen Auftrag. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende eine brauchbare und umsetzbare Lösung entsteht.
  • Reflexion und Lernen einplanen, denn sonst sammeln sich zwar viele Eindrücke, die Organisation lernt aber nicht dazu.
  • Am Kunden dran bleiben. Das ist für Labs zunächst die Mutterorganisation. Das Feedback ist ein Indikator dafür, wo die Mutter steht, was das Lab leistet und wie mühsam die Transformation tatsächlich sein wird
  • Unterstützung der engagierten Beteiligten, um all denen den Rücken zu stärken, die am Transformationsprozess mitarbeiten.

These 1 ist damit m.E. – unter Berücksichtigung gewisser Rahmenbedingungen – richtig.

Gross- vs. Kleinunternehmen

Andrea Nahles, die dt. Bundesministerin für Arbeit und Soziales, hob in ihrem Grusswort der gerade zu Ende gegangenen Zukunft Personal 2016 (#ZP16) hervor: „Aktuell werden praxisnahe Handlungshilfen erarbeitet, die gerade auch kleineren und mittleren Unternehmen dabei helfen, Angebote (…)  zu entwickeln.“

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Eine vor wenigen Tagen erst publizierte Studie zur Arbeitswelt 4.0 – durchgeführt von IAB und ZEW – beschäftigt sich u.a. damit, wie kleine Betriebe die Chancen der Digitalisierung nutzen. Arntz, Gregory, Lehmer, Matthes und Zierahn kommen im IAB-Kurzbericht 22/2016 zum Schluss, dass v.a. bei kleineren Produktionsbetrieben digitale Technologien bisher keine Rolle spielen. Nicht-Nutzer – so die Forscher weiter – stünden den neuen Technologien nicht per se kritischer gegenüber. Vielmehr spreche dies für Informationsdefizite.

Frau JProf. Dr. Arntz – eine der o.g. Autoren vom ZEW – hat auf unserer diesjährigen Fachtagung „Talent Relationship Management“ am 24. Juni einen exzellenten Vortrag zum Thema „Digitalisierung und Zukunft der Arbeit“ gehalten. Sie stellte u.a. folgende Hypothesen zur Diskussion:

  • Wir erleben einen Sturkturwandel der Berufe: weniger Fertigungsberufe, mehr Dienstleistungs, sowie technische/wissenschaftliche Berufe.
  • Wir erleben einen Tätigkeitswandel: weniger Routinetätigkeiten, mehr abstrakte Tätigkeiten.
  • Wir erleben ein Upskilling: steigende und sich verändernde Anforderungen.
  • Wir erleben ein Downskilling: sinkende Anforderungen für einige Geringqualifizierte.

Auch und gerade KMU sind von diesen Umwälzungen in hohem Masse tangiert. Nach meiner Wahrnehmung lassen sich KMU jedoch noch zu häufig von Grossunternehmen einschüchtern und machen bei Digitalprojekten einen Bogen um die Banken.

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Dabei liegen viele Vorteile und Chancen in ihren Händen. Hierzu zählen u.a. eine zunehmende Arbeitgeberattraktivität für Potenzial- und Leistungsträger, flachere Hierarchien, kürzere Entscheidungswege, Vertrauenskultur, stärkere Ausrichtung auf Nachhaltigkeit (da häufig eigentümergeführt) und Umsetzungskompetenz.
Klar muss sein: Banken sollten ihre Rolle überdenken (weg vom Materiellen hin zum Immateriellen, neue Finanzierungsformen), KMU dürfen Digitalisierung nicht als Nebenjob betrachten, den man so nebenbei erledigen kann!

These 2 ist damit meiner Meinung nach falsch.

Chief Digital Officer

Was ist die Aufgabe eines solchen CDO? Seine Aufgabe ist, die digitale Transformation im Unternehmen voranzutreiben. Er soll herausfinden, was Kunden wollen, neue Geschäftsfelder aufbauen, mitunter völlig neue Geschäftsmodelle entwickeln. Strategy& unterscheidet fünf Archetypen: progressiver Denker, kreativer Störer, Anwalt der Kunden, innovativer Technologe, und Multitalent [weitere Informationen]. Grossunternehmen haben eher einen CDO als KMU. In Europa haben 13 Prozent der Unternehmen einen CDO, in Amerika rund 7 Prozent.  Die meisten CDO haben einen Vertriebs- bzw. Marketinghintergrund, etliche waren vorher Technikprofis oder Consultants.

Im Beitrag „Unternehmen brauchen keinen Heilsbringer“ bringt es Uwe Gehrmann m.E. auf den Punkt, wenn er sagt: „Viel wichtiger als ein CDO ist,  dass sich der CEO und der Vorstand gemeinsam überlegen, was Digitalisierung für ihr Unternehmen bedeutet (…). Daraus lässt sich eine konzeptionelle Ausgestaltung ableiten.“

Nach meiner Überzeugung ist das Gelingen von Digitalisierung von Innovation weniger bis gar nicht von neu geschaffenen Positionen abhängig, sondern von einer förderlichen Innovationskultur, die durch möglichst viele Mitarbeitenden eines Unternehmens getragen und verkörpert wird [Agilität, Vernetzung, Partizipation, weitere Infos]. Alle Führungskräfte haben m.E. diese Kultur vorzuleben und einzufordern. Eifersucht und Grabenkämpfe sind Fehl am Platze (vgl. Studie von Horváth & Partners). Das notwendige Vorleben seitens Führender kann man nicht an eine Person, den CDO, quasi delegieren. Ich erlebe leider zu häufig, wie CDOs als Marionetten agieren, nicht ernst genommen werden, und nach einigen Jahren erfolglosen Ankämpfens frustriert aufgeben.

These 3 ist damit m.E. falsch.

Was meinen Sie?

  • Welche Erfahrungen haben Sie mit Innovation Labs?
  • Wo liegen die Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken für KMU?
  • Ist ein CDO notwendig?