„DT&I erfordert eine neue Denkweise und einen kulturellen Wandel“ habe ich im ersten Beitrag dieser Reihe geschrieben. Was heisst das denn nun? Welche Stellhebel sind die richtigen für diese neue Denkweise und den kulturellen Wandel? Auf welche Weise fördern oder behindern sie DT&I; letztlich das BIP-Wachstum? Hier einige interessante Anregungen.

DT wirkt sich wellenartig auf Geschäfts- und Humankapital aus. Das heisst: DT nutzt die Synergie von vier zentralen Elementen – Technologie, Verbundenheit, Daten und Analysen sowie digitale Strategie -, um durch die Erfüllung der Kundenanforderungen einen geschäftlichen Wert zu schaffen. Hierbei kann sich DT auf ausgewählte Unternehmensbereiche konzentrieren oder das Unternehmen umgestalten oder eine ganze Branche grundlegend verändern. In meinem Beitrag „Digital Economy: Trends und Auswirkungen“ vom 15. Juli 2016 bin ich v.a. im zweiten Teil bereits auf die vier zentralen Elemente sowie auf die Auswirkungen der DT eingegangen.

Die neue digitale Wirtschaft verändert die Art und Weise, wie Arbeit geleistet wird, wie Führungskräfte führen und wie Organisationen strukturiert sind. Einfach gesagt, sie müssen nicht mehr an einem bestimmten Ort arbeiten. Talent kann jederzeit und überall arbeiten und der physische Raum ist kein Hindernis mehr. Viele Aufgaben können heute von entfernten Standorten aus über Telearbeit erledigt werden.

Offizielle EU-Daten belegen, dass die Selbstständigkeit in der EU 16,4 Prozent des Arbeitsmarktes ausmacht und die Zahl der Leiharbeitnehmer zwischen 2001 und 2012 in der EU27 um 25 Prozent zunahm, während in unbefristeten Arbeitsverhältnissen ein Wachstum von 7 Prozent zu verzeichnen war.

Mit DT geht einher, dass die Fähigkeiten, die am leichtesten zu vermitteln sind, auch am leichtesten zu digitalisieren, zu automatisieren oder auszulagern sind. Die Herausforderung besteht also darin, Menschen für Berufe auszubilden, die es vielleicht noch nicht gibt.

Im Folgenden vertiefe ich nun einige Leitfragen zu Auswirkungen der DT auf Humankapital, die ich auch in meinem Vortrag am 31. Januar 2018 in Zürich hervorheben werde:

Führung

Führungskräfte müssen verstehen, dass es bei DT um mehr als nur Technologie geht. Führende brauchen eine Vision darüber, wie die digitale Transformation ihr Geschäft verändern kann, eine Strategie, um dies zu erreichen, und eine überzeugende Botschaft für die Interessengruppen. Häufig müssen sie die Unternehmenskultur und -struktur neu gestalten, um Risikobereitschaft, Zusammenarbeit und Innovation stärker zu unterstützen und Flexibilität und Agilität zu fördern. All dies erfordert ein geschicktes Change Management, sowie eine hohe Belastbarkeit.

Aktuelle Forschung (u.a. Kernelemente einer Führungs-DNA, Führung in Zeiten hohen Risikos, Führung: Was macht den Unterschied?) zeigt, dass hoch engagierte Führungskräfte in allen stark vernetzten Organisationen in der Lage sind, einen starken Sinn für Ziel, Stolz, Leidenschaft und persönliche Anpassung zu fördern. Sie tun dies, indem sie die 12 spezifischen Verhaltensweisen, die Kernelemente ihrer Führungs-DNA, beherrschen.

Kultur

Unternehmen sollten ihre Kultur bewerten und Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Risikobereitschaft, Zusammenarbeit und Innovation starke Werte sind (vgl. DT: Haltung, Kultur, Menschen). Eine Kultur der Innovation sollte eine sichere, temperamentvolle Atmosphäre fördern, die kreatives Denken anregt und Wege aufzeigt, Hindernisse zu identifizieren, die Innovationen be- oder verhindern. Im Detail bin ich darauf in meinem Beitrag „Stellenwert der Innovationskultur“ vom 1. März 2016 eingegangen.

Ein Set an kulturellen Werten ist notwendig, damit digitale Transformation gelingen kann:

  • Extreme Kundenorientierung. Mitarbeitende auf allen Ebenen müssen verstehen, dass das Überleben des Unternehmens von seiner Fähigkeit abhängt, schnell auf die sich verändernde Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden zu reagieren.
  • Wachsamkeit gegenüber digitaler Disruption. In einem sich schnell verändernden Geschäftsumfeld müssen Führungskräfte und Mitarbeiter mehr nach aussen schauen, um neue Technologien, Bedrohungen und Chancen im Auge zu behalten.
  • Unternehmergeist und Innovation. Grosse, alteingesessene Unternehmen wünschen sich häufig, dass sie die kulturellen Qualitäten eines digitalen Startups klonen können, mit einer Belegschaft, die Neugier mit Unternehmertum verbindet, neue Ideen ausprobiert und sie schnell verfeinert.
  • Risikobereitschaft und Experimentierfreude. Ein alt eingesessenes Unternehmen, dessen Kultur die Tugend des „Richtigmachens“ fördert, muss seine Risikobereitschaft und seine Toleranz gegenüber Innovationsversagen erweitern.
  • Zusammenarbeit. Um in der digitalen Welt wettbewerbsfähig zu sein, müssen Unternehmen die Zusammenarbeit zwischen Funktionen, Geschäftsbereichen und Regionen fördern und Ad-hoc-Teams befähigen, sich selbst zu organisieren, um Herausforderungen zu begegnen oder neue Ideen zu entwickeln (vgl. Zusammenarbeit und Mitgestaltung).
  • Offenheit gegenüber Aussenstehenden. Nur wenige alt eingesessene Unternehmen können ihre digitalen Fähigkeiten schnell genug selbst aufbauen. Sie brauchen ein Ökosystem von potenziellen Partnern, von denen sie Ideen, Wissen, Fähigkeiten, Ressourcen und Fähigkeiten beziehen können. Die Denkweise von „hier nicht erfunden“ muss durch grössere Aufnahmebereitschaft ersetzt werden.
  • Transparenz. In der digitalen Welt ist es für Unternehmen viel schwieriger, den Informationsfluss innerhalb und ausserhalb ihrer Grenzen zu kontrollieren. Aber diejenigen, die Transparenz als die neue Normalität betrachten, anstatt sie als Bedrohung zu betrachten, können sie zu ihrem Vorteil nutzen. Auch dies erfordert eine Änderung der Grundregeln und Führungsmodelle der Organisation.

Unternehmen sollten also die Kommunikation verbessern und virtuelle Netzwerke sowohl extern als auch intern aufbauen, um DT zu stärken und ein effektiveres und auf Zusammenarbeit hin ausgerichtetes Wissensaustauschsystem zu erreichen; ein Grundbaustein des Organisationserfolgs im digitalen Zeitalter.

Nur wenige Organisationen können behaupten, eine vollständig integrierte digitale Kommunikationsstrategie zu haben, die Kommunikation, Zusammenarbeit und Wissensmanagement zusammenführt.

Organisationsgestaltung

Hierarchien werden flacher. Die Unternehmensstruktur wird fliessender sein und sich um funktionsübergreifende Teams herum organisieren. Interne und externe Netzwerke werden eine Quelle des Wettbewerbsvorteils sein.

Über die sieben kritische Erfolgsfaktoren der Organisationsgestaltung habe ich am 8. Januar 2015 eine Veröffentlichung geschrieben.

Aus einer Organization-Design-Conference vom 9.-10. November 2017 in NYC habe ich folgende Highlights mitgenommen:

  • Wenn Sie nicht in einer Branche arbeiten, die sich im Umbruch befindet, dann sind Sie in einer rückläufigen Branche tätig. Alte Denkweisen werden nicht mehr funktionieren. Bei DT kommt es auf die Transformation an, nicht auf die digitale Technologie.
  • Der Übergang von Engagement zu Verhalten ist der schwierigste Teil der organisatorischen Veränderung. Gestehen Sie ein, dass sich einige Jobs ändern werden. Setzen Sie angemessen Ressourcen ein. Und kommunizieren Sie die Ernsthaftigkeit des Unternehmens.
  • Allianzen und Übernahmen stellen das Organisationsdesign vor besondere Herausforderungen. Was macht einen Zusammenschluss zweiter Unternehmen erfolgreich? Verständnis für den Zeitplan von Allianzen, Risikobewusstsein und einen sensiblen Allianzmanager, der sowohl das Handwerkszeug als auch das Gespür für Zusammenarbeit besitzt.

Von Jack Welch stammt der Satz: „If the rate of change on the outside exceeds the rate of change on the inside, the end is near.“ Jedes Unternehmen muss selbst entscheiden, ob es schnell genug interne digitale Fähigkeiten aufbauen kann, oder ob es sie „zukaufen“ resp. rekrutieren oder ausleihen muss; zumindest kurzfristig. Hierauf werde ich im nächsten Unterkapitel detaillierter eingehen.

Es gibt nicht die eine Struktur oder Organisationsgestaltung, die für digitale Transformation „genau richtig“ ist. Viele Unternehmen entscheiden sich derzeit für hybride Strukturen, die sowohl formale als auch informelle Elemente verbinden. Es gibt breite Unterstützung für eine Mischung aus Agilität und Stabilität!

Talent Management

Die drei wichtigsten Bestandteile eines „Belegschafts-Ökosystems“ sind:

  1. Strategische Personal-/Talentplanung,
  2. ergebnis-fokussierte Umsetzung, und
  3. strategische Talent-Entwicklung und Weiterbildung.

Die Nachfrage nach Menschen mit geringerem Qualifikationsniveau wird mit dem fortschreitenden digitalen Wandel abnehmen, und Unternehmen müssen entscheiden, ob diese weiterqualifiziert oder anders eingesetzt werden können. Hierzu ist die Segmentierung der Belegschaft notwendig. Hochqualifizierte Menschen werden am meisten profitieren, während diejenigen mit darunter liegenden Fähigkeiten weniger gefragt sind. Die Arbeitgeber legen besonderen Wert auf Problemlösung, kritisches Denken, soziale Fähigkeiten und Kreativität. Sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Organisation werden Einzelpersonen in der Lage sein, ihre persönliche Marke aufzubauen und zu verwalten, Auszeichnungen für ihr Wissen und Fähigkeiten und Bewertungen für ihr Wissen, ihre Glaubwürdigkeit und ihren Einfluss zu erwerben.

Die Digitalisierung von Arbeitskräften wird zu einem Wettbewerbsvorteil auf dem Markt werden. Der Aufbau und die Pflege von Beziehungen mit temporär verfügbaren Talenten wird wichtiger. Es geht um einen intelligenten Strategie-Mix aus „Buy, Build, Borrow“; d.h.: Rekrutierung, Aus- und Weiterbildung, zeitlich befristete Einbindung externer Know-How-Träger.

In meinem Beitrag vom 12. Juli 2017 zum Thema „Digitale Transformation: ängstlich? verwirrt? überfordert?“ bin ich u.a. auf sechs notwendige Fähigkeiten eingegangen, die den Pay Off bei DT liefern.

Engagement der Mitarbeiter

In einer ausführlichen Publikation mit dem Titel „Bindung und Motivation: eine ganzheitliche Betrachtungsweise“ vom 2. Mai 2017 habe ich ein Engagement Ökosystem skizziert:

  • die acht Kernelemente einer mitarbeiter-gewinnenden Organisation resp. Unternehmenskultur (vgl. Unterkapitel Kultur),
  • die zwölf erfolgskritischen Verhaltensweisen mitarbeiter-gewinnender Führungskräfte (vgl. Unterkapitel Führung), sowie
  • sechs Schritte, entlang derer sich Mitarbeitende bei der Arbeit aktiv und engagiert mit einbringen können.

Kurz-Assessments zu diesen drei Perspektiven stelle ich gerne auf Anfrage zur Verfügung.

Robotik und Digitalisierung können zu lockeren Verbindungen zwischen Arbeitgebern und Einzelpersonen – dies können sowohl Zeitarbeitskräfte als auch fest angestellte Arbeitnehmer sein -, mehr Arbeitsplatzunsicherheit und grösserer Transparenz führen. Transparenz kann auch die Fluktuation bei der Beschäftigung erhöhen, da sich Einzelpersonen einfacher in andere Organisationen verändern können. Kultur beeinflusst Engagement und Bindung!

Exkurs:

Analytics-Kultur

Eines der eingangs genannten vier zentralen Elemente heisst „Daten und Analytics“. Auch hier spielt Kultur eine wesentliche Rolle (vgl. „NextGen Workforce Analytics“-Tagung 2017). Im Ergebnis müssen wir eine Kultur, welche ein evidenz-basiertes Handeln in unseren HR-Organisationen hervorhebt, fördern und Widerstände überwinden.

 

Soweit nun zu den Auswirkungen der DT auf Humankapital und – Exkurs – den Stellenwert einer Analytics-Kultur.

Im dritten und letzten Beitrag dieser Reihe habe ich skizziert, was die Pioniere im Thema DT&I anders bzw. konsequenter machen als die Nachzügler, um BIP-Wachstum in der neuen digitalen Wirtschaft zu generieren. Wesentliche Schwerpunkte entlang der drei Beiträge zum Thema DT&I werde ich im Rahmen des Business Breakfasts am 31. Januar 2018 in Zürich vertiefen.