Zahlreiche Studien und Fachbeiträge haben sich bereits mit sog. Digital Natives auseinandergesetzt. Nach und nach „drängen“ diese jungen Menschen nun auch in Führungspositionen. Was sind ihre Ansichten über Führung, ihre Werte, ihre bevorzugten Entwicklungsstile und die Art und Weise, wie sie wahrscheinlich führen werden?

Unternehmen suchen Antworten auf diese Fragen, denn:

  • sie wollen wissen, wie sie junge Führungskräfte gewinnen, entwickeln, motivieren, und an das Unternehmen binden können,
  • sie wollen die entscheidenden Führungsqualitäten für den jetzigen und den künftigen Erfolg identifizieren,
  • sie wollen die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Führungsgenerationen festigen,
  • sie wollen die Führungskräfteentwicklung und Nachfolgeplanungen an der Geschäftsstrategie ausrichten,
  • sie wollen mit Blick auf junge Führungskräfte ihre Arbeitgebermarke und ihre Reputation verbessern.

In meinen folgenden Ausführungen greife ich u.a. auf zwei aktuelle Studien zurück – Digital Leadership: Die Zukunft der Führung in Unternehmen und Divergent Views/Common Ground: The Leadership Perspectives of C-Suite Executives and Millenniual Leaders (TCB) – und stelle drei Fragen in den Vordergrund:

Was zeichnet „Digital Leaders“ im Wesentlichen aus?

V.a. ist Technologie für sie sehr wichtig, wenngleich sie auch die persönliche Interaktion schätzen. Daneben spielen soziale Werte für sie eine Rolle. Auf den ersten Blick mögen sie furchtlos erscheinen, tatsächlich sind viele von ihnen risikoavers. Eines der wohl wichtigsten Merkmale, das mit zunehmender Seniorität und Karriere allerdings (realistischerweise) etwas abnimmt, ist die Work-Life-Balance. Wenn sie ihre Karrierevorstellungen bei einem Arbeitgeber nicht verwirklichen können, dann wechseln sie. Wenn die Rahmenbedingungen passen, arbeiten die Digital Leaders sehr motiviert und engagiert. Sie präferieren eine eher informelle Führung – Hierarchien stehen sie kritisch gegenüber – und sind von einer ergebnis-basierten Verantwortlichkeit (im Sinne von Accountability!) überzeugt!

Hier eine interessante Gegenüberstellung von Digital Leadership und Traditioneller Führung:

Digital Leadership versus Traditionelle Führung

Was sind die Kernkompetenzen auf dem Weg zur Top-Führungskraft?

Alle in der obigen Studie von The Conference Board befragten Führungskräfte haben unabhängig von der Ebene oder Generationskohorte „Engaging & Inspiring Employees“ als wichtigste Führungskompetenz ausgewählt.

Millennial Leaders chart1

Neben „Engaging & Inspiring Employees“ ist „Managing & Successfully Introducing Change“ die einzige Führungskompetenz unter den Top-5, die unabhängig von Ebene oder Generationskohorte eine wichtige Rolle spielt. Demzufolge befähigen diese beiden Fähigkeiten Führende grundsätzlich dazu, sowohl Mitarbeitende als auch die Organisation voran zu bringen.

Mit Blick auf künftige Schlüsselkompetenzen haben aktuelle CEOs und sog. „Digital Leaders“ unterschiedliche Vorstellungen:

Millennial Leaders chart2

Aus Sicht der Digital Leaders führt ein künftiger CEO mit Erfahrung in zwischenmenschlichen und interagierenden Facetten der Führung. Ein solcher Leader ist ein inspirierender Trainer, ein fesselnder Kommunikator und einer, der eine interkulturelle Perspektive in jede Aktion mit einflösst. Dieser Führende bezieht andere in Entscheidungen mit ein.

Aktuelle CEOs präferieren demgegenüber Führende, die den Schwerpunkt eher auf eine effiziente Entscheidungsfindung und ein versiertes Geschäftsgebahren legen. Daneben betrachten sie Stakeholder Management als eine erfolgskritische, künftig notwendige Kompetenz.

Die o.g. Digital-Leadership-Studie kommt zum Ergebnis, dass Führende mit Blick auf künftig notwendige Kernkompetenzen selbst nur zu befriedigenden Ergebnissen kommen. Der Handlungsbedarf ist also erkannt. Das Problem scheint darin zu legen, dass die Bedeutung dieses Themas im Unternehmen noch zu gering ist; d.h. es fehlt häufig an zielführenden Weiterbildungsmassnahmen, die über den Erfahrungsaustausch und Learning-by-Doing hinausgehen.

Wie wir gegenwärtig aus der Automobilindustrie lernen können, braucht es offensichtlich einen gewissen Druck – in diesem Fall seitens Google, Apple und Co. -, um notwendige Entwicklungsmassnahmen anzustossen, ggf. Führungsstrukturen und -prozesse zu verändern und die Unternehmens- resp. Führungskultur in Frage zu stellen.

Welche Rahmenbedingungen fördern diese neuen Kernkompetenzen der Führung?

Es ist eine einfache Wahrheit: Führende neigen dazu, an ihren Fähigkeiten zu gedeihen, und an ihrer Persönlichkeit zu sterben. Führende scheitern selten an einem Mangel an Geschick, Intelligenz oder Motivation. Es sind die negativen Aspekte einiger Persönlichkeitsmerkmale – Arroganz, Streitlust, Wahrnehmungsvermögen, Perfektionismus -, die dysfunktionale Führungsverhaltensweisen hervorrufen und den Verlauf ansonsten erfolgreicher Karrieren stoppen können.

Wenn Führende in der Seniorität zunehmen, so geht dies in der Regel mit komplexer werdenden Aufgaben einher. Es steht mehr auf dem Spiel, das Verhalten ist sichtbarer, und der Druck wächst. Das Arbeitsumfeld wird geprägt von der Persönlichkeit der Führungskraft.

Seitens der Unternehmensleitung ist es hilfreich, wenn „top-down“ mehr Freiraum gelassen und mehr Offenheit gezeigt wird für Aktivitäten, die „bottom-up“ beispielsweise unter Einbindung sozialer Medien initiiert werden. Andernfalls kann „Digital Leadership“ sich nicht entwickeln. In der Regel gehen solche Veränderungen mit einer Anpassung der Unternehmenskultur einher. Umgekehrt zählt die Einführung neuer IT-Systeme m.E. nicht zu den vorrangigen Rahmenbedingungen für Digital Leadership.

Fazit

Digital Leadership bedeutet, dass Führende bei ihrer Arbeit neue Methoden und Instrumente einbinden; beispielsweise zur Kollaboration in sozialen Medien, in der Leistungsbewertung durch onlinebasierte, mobile Systeme oder auch im Projektmanagement durch Methoden wie SCRUM, BarCamp, etc.

Kollaboration, die absolute Fokussierung auf das Einbeziehen von Menschen – als Nutzer, Kunden und als Mitarbeiter – ist das Gebot der Stunde. Produkte und Dienstleistungen sind – auch intern – aus dem Blickwinkel des Nutzers zu betrachten. Das verlangt von Führungskräften, den einzelnen Mitarbeiter in seinem Können, Wollen und Dürfen so gross wie möglich zu machen. Letztlich bedeutet „Führung“ das Erzielen von Ergebnissen durch andere. Dazu gehört auch der Umgang mit Unsicherheiten, eine Lern- und Fehlerkultur, sowie sich als Talentscout, Trainer, Mentor, Coach und Sponsor zu verstehen.

Digital Leaders werden zunehmend zur Norm in jeder Branche. Um diesen Generationswechsel erfolgreich zu gestalten, sollten sich Unternehmen darauf konzentrieren, aufstrebenden Talente zu inspirieren und frühzeitig zu qualifizieren. Von grundlegender Bedeutung ist ein Verständnis dafür, wo sich deren Werte und Prioritäten im Vergleich früherer Kohorten unterscheiden und wo sie übereinstimmen.