Buch zur Berufsbildung, dass Herr Dr. Volker Mayer im März 2015 herausgegeben hat. 33 Co-AutorInnen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft haben daran mitgearbeitet.In einer Serie von Blogbeiträgen möchte ich Ihnen das Buch vorstellen, das seit heute, Montag, den 9. März 2015, im Handel erhältlich ist: Die neue Berufsausbildung – strategisch, agil, wirtschaftlich. Neben mir haben 33 Co-AutorInnen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft daran mitgearbeitet.

Nachfolgend gehe ich auf den Beitrag ein, den ich selbst geschrieben habe. Ich mache darin deutlich, warum mir die drei Schwerpunkte des Buches so wichtig sind:

strategische Ausrichtung der Berufsausbildung,
agile Ausrichtung der Berufsausbildung, und
wirtschaftliche Ausrichtung der Berufsausbildung auf den Geschäftserfolg hin.

Schreiben Sie mir Ihre Meinung. Ich freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen!

Als ich im Jahr 2012 für meinen Freund Wolfgang Appel – Professor an der HTW des Saarlandes – an einem Beitrag zu seinem Buch „Digital Natives“ schrieb wählte ich den Titel „Irrungen und Wirrungen bei Schülern und Unternehmen“. Meine Erfahrungen und Einblicke zu dieser Zeit waren geprägt durch sich wandelnde Fähigkeiten und Einstellungen der jungen Berufseinsteiger, die man nicht als eine vorübergehende Modeerscheinung abtun konnte. Andererseits schienen viele der ausbildenden Unternehmen noch zu hoffen, dass sich diese aufmüpfigen, teilweise nicht ausbildungsreifen Jugendlichen schon noch anpassen würden. Irgendwann würden sie die Realität und der Berufsalltag einholen.

Heute wissen wir

  • Grundmotive und Werte spielen bei Jugendlichen, die sich in der Berufsorientierung befinden, (wieder) eine entscheidende Rolle.
  • Die homogene Generationen Y und Z gibt es nicht.
  • Ausbildungsbetriebe können nicht mehr schablonenartig auf Bewerber zugehen und gutsherrenartig auswählen.
  • In der Ansprache ist die bewusste Zielgruppensegmentierung entlang Berufen, Berufswünschen, Neigungen, Lebenswelten und Grundmotiven immens wichtig

Wir ahnen auch schon,

  • dass wir viel Gewohntes hinterfragen und ggf. aufgeben werden,
  • dass wir die Komfortzone verlassen und neue Wege gehen werden,
  • dass wir strategisch vorgehen und uns mit neuen, innovativen Geschäftsmodellen beschäftigen sollten, und
  • dass wir unseren Beitrag zum Unternehmenserfolg deutlicher herausstellen und unser Tun daran ausrichten sollten

Also – auch wenn es schwerfällt: Wir müssen uns ändern! Die Zeit dafür ist knapp bemessen. Denn – so erwarten beispielsweise deutsche Unternehmen – es können „mehr als ein Drittel der offenen Stellen nur schwer und 5,7 % gar nicht besetzt“ werden.

Mit diesem Buch möchte ich deshalb drei Handlungsfelder für ausbildende Unternehmen besonders in den Mittelpunkt rücken und quasi anmoderieren. Auch in der 2014-er Studie „SINN-volles Recruiting 2.0 – Strategie statt Likes!“ bin ich darauf eingegangen, nämlich:

  • flexibles und anpassungsfähiges Agieren,
  • ganzheitlicher und strategisch-systematischer Ansatz, sowie
  • Orientierung am Geschäftsergebnis.

Flexibles und anpassungsfähiges Agieren

Im Ausblick unserer Studie „Social Media Recruiting: Wen interessiert das?“ aus dem Jahr 2012 habe ich geschrieben: „Die zentralen Herausforderungen für die Berufsausbildung sind

  • der demografische Wandel,
  • der Wertewandel,
  • die Digitalisierung und Virtualisierung von Arbeit sowie
  • die Internationalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft.

Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt werden sich also gravierend verändern und ausbildende Unternehmen werden verstärkt in den Wettbewerb um geeignete Bewerber eintreten. Zudem ist ein Wettbewerb zwischen Berufsbildungs- und Hochschulsystem um die besten Köpfe zu erwarten.“ Das bedeutet unter anderem: Die Rollen der Recruiter und der Ausbildungsverantwortlichen müssen sich ändern. Die Recruiter werden interessante Kandidaten bereits vor ihrer möglichen Bewerbung beim eigenen Ausbildungsunternehmen aktiv ansprechen und versuchen zu binden. Ausbilder müssen sich neuen Lehrformen gegenüber öffnen und in Projekten arbeiten.

Ganzheitlicher und strategisch-systematischer Ansatz

Wenn ich von einem ganzheitlichen Ansatz spreche, dann haben mich dabei v.a. Herr Prof. Dr. Armin Trost, Professor für Personalmanagement in Furtwangen, und Herr Gero Hesse, Mitglied der Geschäftsleitung der medienfabrik Gütersloh, inspiriert. Nach deren Verständnis umfasst Talent Relationship Management (kurz: TRM) den kompletten Prozess vom Corporate Branding, über den ersten Kontakt mit der Bewerberin bzw. dem Bewerber sowie differenzierte Bindungsmaßnahmen bis hin zur Rekrutierung und dem Onboarding. Es stellt im Vergleich zum „Post & Pray“ einen Paradigmenwechsel dar.

Ich mache an dieser Stelle kein Geheimnis daraus, dass es mir nicht gelungen ist, einen Co-Autor für einen Buchbeitrag zum Thema Active Sourcing – ein wichtiger, neuer Teilprozess im Rahmen von TRM – zu gewinnen, obwohl ich etliche, fachlich versierte Ausbildungsverant­wortliche angefragt habe.

Zum Thema Engagement – einem weiteren Teilprozess von TRM – schreibt Herr Gero Hesse in seinem Blogbeitrag vom 16. Oktober 2013 u.a. folgendes: „Der Bereich Engage bezieht sich also stark auf die Kommunikation zu Bewerberzielgruppen. Hier spielen Kommunika­tionsinhalte und –kanäle eine ganz zentrale Rolle. Ich muss als Arbeitgeber meiner jeweiligen Zielgruppe die richtigen Geschichten erzählen. Hier gilt es, die gesamte Medienklaviatur zu spielen – je nach Bedürfnis der Zielgruppe. Print spielt hier eine wichtige Rolle, ebenso wie Social Media, das als dialogisches Instrument in diesem Kontext natürlich ganz erhebliche Chancen bietet.“

Mein Freund Urs Gattiker, seines Zeichens Professor, erfolgreicher Buchautor und Blogger sowie CEO der DrKPI – CyTRAP Labs GmbH, würde bei diesem Zitat in die Hände klatschen, mir seine aktuellsten Social-Media-KPIs zeigen und sagen: „Siehst du, selbst bei den Großen (Unternehmen) ist das Engagement gleich Null“. Wir müssen nüchtern festhalten: Ein ganzheitlicher Ansatz ist sicherlich notwendig, wird aber bisher leider nur selten gelebt.

Ein strategischer Ansatz muss bei der Personalplanung ansetzen, wissend: „eine strategische Ausbildung zu etablieren ist ein Prozess über mehrere Jahre“. Dies schrieb Thomas Wagner von der Firma Würth in dem Buch „Ausbildung – Verantwortung und Chance“, das ich 2010 herausgegeben habe. Er fährt fort: „Gerade Kleinunternehmen und Mittelständler müssen ihre Bildungs-Hausaufgaben machen, um nicht als zweite Sieger „Reste-Rampen“ des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes zu werden.“

Orientierung am Geschäftsergebnis

Nun zum nächsten Punkt, nämlich: Zahlen, Daten, Fakten. Beim Blick in aktuelle Datenbestände – das wissen Sie selbst – fehlen häufig bereits Basisdaten, wie beispielsweise Kosten und Mengen. Auch die Frage nach der Anzahl involvierter Vollzeitkräfte beispielsweise im Selektionsprozess kann häufig nur näherungsweise beantwortet werden. Ohne diese Transparenz sind grundlegende Überlegungen und Argumentations­ketten jedoch unmöglich.

In dem bereits zitierten Buch, das ich 2010 veröffentlicht habe, ist ein Beitrag mit dem Titel „Mit messbaren Ergebnissen den Stellenwert der Ausbildung steigern“ enthalten. Dieser enthält interessante Hinweise zu

  • Effektivitätscontrolling,
  • Effizienzcontrolling, und
  • Kostencontrolling.

Beim Vergleich der Daten und Fakten aus dem Jahr 2009 / 2010 mit dem Jahr 2014 sind folgende Entwicklungen auffällig:

  • Die Produktivität in der Berufsausbildung sinkt kontinuierlich,
  • Nur noch rund 60 % der in diesem Jahr von uns befragten Ausbildungsbetriebe erreichen eine Erfüllungsquote von 100 %.
  • Seit 2013 zählen technisch-gewerbliche Berufe bei ca. 80 % der Ausbildungsbetriebe zu Schlüsselprofilen, die nur sehr schwierig zu besetzen sind.
  • Unternehmen, die in den letzten Jahren mitunter 7-stellige Beträge in Social Media investierten, haben sich in ihren jeweiligen Outputgrößen nicht bzw. kaum verbessert. Ein Dialog, ein Engagement, kommt mit den relevanten Zielgruppen in der Regel nicht zustande.
  • Dafür scheinen Investitionen in die Employer Brand deutlich lohnenswerter zu sein, jedoch vernachlässigt zu werden.
  • Mehrere Praktika im Rahmen der Berufsorientierung zum gleichen oder ähnlichen Beruf bei unterschiedlichen Ausbildungsbetrieben tragen in den letzten Jahren zur deutlichen Verringerung von Ausbildungsabbrüchen bei.
  • Für die Ausbildungsbetriebe hat das in den Jahren 2013 und 2014 erkennbar dazu geführt, dass Noten als Selektionskriterium deutlich an Relevanz verloren haben – Anmerkung: viele Ausbilder wünschen sich (nur) die Kopfnoten zurück – und dass dafür die vor Ort beobachteten sozialen und persönlichen Kompetenzen häufiger den Ausschlag für eine Ausbildungszusage gegeben haben.

Die folgenden, ausgewählten Einflussfaktoren halte ich dabei für bemer­kenswert:

  • Die Anzahl der Ausbildungsbetriebe, die ein Strategiepapier mit Zielen, Maßnahmen und Messgrößen in ihre Arbeit einbinden, ist von 2011 auf 2012 deutlich angestiegen – wahrscheinlich eine Konsequenz aus der Wirtschaftskrise -, im Folgejahr nur noch marginal und war in 2014 erstmalig rückläufig! Dies spiegelt sich auch in den niedrigeren Kapazitätsanteilen wider, die für Strategie und Planung eingesetzt werden.
  • Gerade einmal bei jedem zweiten Ausbildungsbetrieb fließen Aspekte der Personalplanung in die Überlegungen mit ein.
  • ein Drittel der in diesem Jahr befragten Ausbildungsbetriebe hat keinen Marketingplan.
  • Als Gründe für mangelnde Ausbildungsreife nennen die Ausbildungsbetriebe immer häufiger Belastbarkeit, Leistungs­bereitschaft und Motivation – von den Ausbildungsbetrieben faktisch gar nicht oder nur sehr schwer beeinflussbare Faktoren.

Dieser Auszug an Daten und Fakten – häufig auch Ausbildungs­controlling genannt – mag genügen um aufzuzeigen, wie fundamental wichtig ein Mindestmaß an Transparenz ist.

Was ist Ihre Meinung?

  • Was halten Sie von den drei Schwerpunkten – strategisch, agil, wirtschaftlich?
  • Welche Herausforderungen stehen für Sie in der Ausbildungsarbeit im Vordergrund?
  • An welchen Projekten arbeiten Sie gerade oder welche planen Sie, um die o.g. Schwerpunkte aufzugreifen und die für Sie relevanten Herausforderungen zu meistern?

Nun freue ich mich auf Ihre Kommentare und Anregungen zum Thema „Stehen ausbildende Unternehmen vor dem Aus?“.