Schlagwörter: Korrelationen, Kausalzusammenhänge, Einflussfaktoren, Wirkzusammenhänge, Logik, Analytics, Entscheidungstheorie, Human Capital
In meinen letzten Blogbeiträgen – D. Ulrich – oder: die Hoffnung stirbt zuletzt!, Fünf Tipps zum Einstieg in HR Analytics und Agile Analytics: ein Widerspruch? – ging es letztlich um die übergeordnete Frage: Wie treffe ich als Personalverantwortliche(r) heute Entscheidungen, um morgen einen Wertbeitrag zum wirtschaftlichen Erfolg im Unternehmen nachweisen zu können?
Die Frage ist also nicht – wie leider derzeit noch häufig gestellt: Was sollen wir messen? Messen ist der letzte Schritt in einer strategie-gerichteten Analyse und Planung und verstellt – wenn zu früh im Fokus – vielfach den Blick für das eigentlich Wesentliche.
Stattdessen liefert die allgemeine Entscheidungstheorie den Schlüssel für die Beantwortung der eingangs gestellten Frage. Diese Theorie ist in der angewandten Wahrscheinlichkeitstheorie ein Zweig zur Evaluation der Konsequenzen von Entscheidungen (vgl. Wikipedia). Zwei bekannte Methoden sind die einfache Nutzwertanalyse (NWA) und der präzisere Analytics Hierarchy Process (AHP). Der AHP ist eine Methode aus der präskriptiven Entscheidungstheorie zur Entscheidungshilfe, um komplexe Entscheidungen zu vereinfachen und rationaler zu treffen
Welchen Nutzen können Personaler aus dieser Theorie ziehen?
- Zunächst dient diese Theorie zur Entscheidungshilfe, um komplexe Entscheidungen transparent zu machen und rationaler zu treffen. Schnellschüsse aus dem Bauch heraus sowie das Ausblenden wesentlicher Einflussfaktoren für eine Entscheidung werden dadurch vermieden.
- Als konzeptioneller Rahmen dient „LAMP“; eine Abkürzung für Logik, Analytik, Maßnahmen und Prozess. Die Logik skizziert die Geschichte hinter den Verbindungen zwischen den Zahlen, den Auswirkungen und den Ergebnissen.
- Dadurch wird letztlich das bisherige Vorgehen im Personalwesen umgekehrt. Die Blickrichtung ist nun nicht mehr aus der Vergangenheit heraus (Mitarbeiterköpfe und Budgets), sondern logisch hergeleitet vom Ziel her. Hierzu werden in einer sog. „measurement map“ Verbindungen zwischen Investitionen in personelle Maßnahmen und strategischen Zielen des Unternehmens visualisiert. Die Kausalketten verlaufen immer wie folgt: Investition – Frühwarnindikator (leading indicator) – Geschäftsergebnis (business result) – strategisches Unternehmensziel.
Was bedeutet das konkret?
Die zwei folgenden Beispiele dienen zur Veranschaulichung des konzeptionellen Rahmens:
Beispiel 1: Kündigung.
Die Logik besagt zum einen, dass die Ergebnisse von Entscheidungen, die Neueinstellungen oder Trennungen betreffen, durch Quantität, Qualität und Kosten ausgedrückt werden. Zum anderen hängen die Folgen dieser Entscheidungen häufig von der Interaktion zwischen den Auswirkungen von Neueinstellungen und Trennungen ab. Heißt: Wie viele Mitarbeitende haben mit welchen Kompetenzen und Kostenstrukturen in beispielsweise einem Kalenderjahr das Unternehmen verlassen und wie viele Mitarbeitende sind mit welchen Kompetenzen und Kostenstrukturen in das Unternehmen eingetreten?
Wie also mit Kündigungen umzugehen ist bzw. wie diese zu vermeiden sind hängt von diversen Einflussfaktoren ab und kann nicht pauschal beantwortet werden. Ein Einflussfaktor ist, ob die Kündigung freiwillig, d.h. auf Betreiben des Mitarbeitenden, oder unfreiwillig zustande kam. Die meisten Unternehmen konzentrieren sich auf die Häufigkeit der freiwilligen Kündigung, weil sie besser steuerbar ist als die unfreiwillige. Ein weiterer Einflussfaktor ist, ob die Kündigung funktional oder dysfunktional eingestuft wird. Sie ist funktional, wenn der Abgang eines Mitarbeitenden einen erhöhten Wert für die Organisation darstellt; konkret: die einzusparenden Kosten übersteigen den geleisteten Wertbeitrag. Die Kündigung ist dysfunktional, wenn der Abgang eines Mitarbeitenden einen reduzierten Wert für die Organisation darstellt.
Wichtig zu beachten: In die Vollkosten fließen neben den direkten Trennungskosten auch die Kosten für eine eventuelle Nachbesetzung sowie die Einarbeitungs- und Trainingskosten mit ein.
Aus Sicht des Geschäftsergebnisses ist also die freiwillige und dysfunktionale Kündigung am schmerzlichsten. Diese und nur diese gilt es nach Möglichkeit zu vermeiden. Hierfür relevante Frühwarnindikatoren werden häufig im Rahmen sog. Engagement Programme herangezogen. Aktuelle Untersuchungen zeigen die hohe Bedeutung leistungsorientierter Vergütung, gezielter Weiterentwicklung sowie intensiver Betreuung seitens des Vorgesetzten bei Talenten, die für das Unternehmen nur schwer zu ersetzen und daher unbedingt zu binden sind.
Beispiel 2: Personalauswahl.
Die Logik wird durch die relevanten Teilprozesse des Auswahlprozesses sowie den parallel laufenden Talentstrom dargestellt. Wir bezeichnen diese Logik in unseren Fachtagungen zum Thema „Talent Relationship Management“ als Prozessabgrenzung. Eine solche Logik bzw. Abgrenzung ist Grundvoraussetzung, um zum einen – wie bereits im ersten Beispiel – nicht nur die Quantität und anfallende Kosten, sondern auch die Qualität des Auswahlprozesses zu untersuchen. Eine solche Betrachtung endet erst mit dem Onboarding. Zum anderen wird durch eine solche Logik eine isolierte Fokussierung auf einzelne Teilprozesse verhindert.
Modelle, wie z.B. das Taylor Russell Modell, unterstützen nun bei der Optimierung der Qualität auszuwählender Mitarbeiter entlang der Parameter Validitätskoeffizient, Grundquote und Selektionsquote. Diese Qualität hängt wesentlich davon ab,
- wie selektiv die jeweilige Unternehmung vorgehen kann,
- wie gut sie die zukünftige Leistung der Bewerber einzuschätzen vermag, und
- wie sich diese Leistungsgüte in wirtschaftlichen Erfolg „übersetzen“ lässt.
Mithilfe mehrerer Faktoren – darunter: Probezeit und Auswahlverfahren – kann v.a. die Qualität von Talenten über die Zeit bestimmt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Investitionen in den Auswahlprozess großzügig bezahlt machen können, eben auch, wenn sie auf den ersten Blick teuer zu sein scheinen.
Zahlreiche Unternehmen treffen leider beim Auswahlprozess Fehlentscheidungen und setzen zu einseitig auf z.B. kostengünstigere Online-Assessments und/oder soziale Netzwerke; dies ohne die oben skizzierten Auswirkungen auf die Qualität über die Zeit transparent nachzuhalten. Auch hier zeigen unsere Untersuchungen erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Kennzahl „time to full performance“ sowie auf die in Beispiel 1 skizzierte Kennzahl „voluntary and disfunctional turnover rate“.
Die nachfolgende Präsentation beinhaltet weitere Untersuchungsergebnisse; unter anderem zum Thema Führung, Mitarbeiterentwicklung, Gesundheit und Fehlzeiten.
Fazit
Ein evidenz-basiertes Handeln liefert die Grundlage für die Modelle und Techniken, die ich in diesem Blogbeitrag und der beigefügten Präsentation skizziert habe. Ich betone, dass Messen nur dann nützlich ist, wenn dadurch bessere Entscheidungen in Bezug auf Humanressourcen – im Besonderen auf Talente – getroffen werden können.
Das erfordert nicht nur einfach mehr oder bessere Maßnahmen, sondern einen integrierten Ansatz, der solche Maßnahmen mit Logik, Analytik und Prozessen kombiniert.
Im nächsten Blogbeitrag werde ich deshalb ausführlich auf die richtige Vorgehensweise im Rahmen einer „HR Analytics Initiative“ eingehen.
Hier finden Sie noch weitere Informationen resp. Beiträge zum Thema:
- D. Ulrich – oder: die Hoffnung stirbt zuletzt!
- Fünf Tipps zum Einstieg in HR Analytics
- Agile Analytics: Ein Widerspruch?
- Strategische Personalplanung – was tun Versicherer?
- Was hat HR mit Agilität zu tun?
- Mit Analytics zu mehr Agilität und Innovation
- Besseres Controlling mit Frühwarnindikatoren
Was meinen Sie dazu? Wie stehen Sie zu folgenden Leitfragen:
- Kennen Sie die Risiken von Balanced Scorecards und Dashboards? Wie gehen Sie damit um?
- Binden Sie Benchmarks in Ihre Analysen mit ein? Kaufen Sie diese extern zu oder entwickeln Sie diese selbst? Welche Kennzahlen stehen dabei im Vordergrund?
- Für wie entscheidend halten Sie den Unterschied von Korrelationen und Kausalzusammenhängen?
- Halten Sie statistischen Wissen selbst im Unternehmen vor oder arbeiten Sie mit externen Spezialisten zusammen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
- Bitte geben Sie im Kommentar kurz Auskunft zur Unternehmensgröße und zum Reifegrad der HR Organisation!
[…] Messen Sie noch, oder entscheiden Sie schon? […]
[…] Messen Sie noch, oder entscheiden Sie schon? […]
[…] Messen Sie noch, oder entscheiden Sie schon? […]
[…] Messen Sie noch, oder entscheiden Sie schon? […]
[…] Framework, zu einer guten Vorbereitung bzw. einem guten Einstieg hinzu. Damit kann die Frage “Messen Sie noch, oder entscheiden Sie schon?” guten Gewissens mit JA beantwortet […]
[…] Messen Sie noch, oder entscheiden Sie schon? […]
[…] Daten sind dabei Mittel zum Zweck. Der eigentliche Zweck besteht darin, bei Investitionen in Humankapital bessere Entscheidungen zu treffen! (vgl. Blogbeitrag “Messen Sie noch, oder entscheiden Sie schon?“) […]
Lieber Volker
Dieser Beitrag gefiel mir natürlich sehr gut. Zum Beispiel:
Das bedingt natürlich das man genau weiss, ob dieser Tweet oder Blogeintrag, Stelleninserat oder Team Building Event auch wirklich was beiträgt zur Verbesserung des Ertrages (Bottom Line).
Leider klappt dies jedoch nicht immer. Will sagen wir messen die Dinge aber in welcher Beziehung dieser stehen zu wichtigen Resultaten ist des öfteren unklar. Selbstverständlich ist dies manchmal auch schwierig, zu wissen wie die Arbeit an einer Studie sich dann auch positiv auf den Verkauf auswirkt. Oft kommen ja viele Dinge zusammen die dann denn Ausschlag geben können zum erfolgreichen Verkauf oder eben nicht.
Lieber Urs @cytrap:twitter ,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Ja, dein Blog Rank ist auch in der Tat sehr wertvoll. Wie du selbst sagst, ist ein „systematisches Vorgehen das A und O“. Je tiefer wir in diese Materie des Evaluierens resp. der Analytics einsteigen, um so mehr stellen wir fest, dass die Einflussfaktoren, die auf Outputgrößen/Kennzahlen wirken, vielfältig und voneinander abhängig sind.
Hier helfen vielfach statistische Analysen – und natürlich eine über mehrere Jahre hinweg aufgebaute Datenbasis.
Wie auch unsere gegenwärtige Diskussion bzgl. re:publica 14 zeigt, versuchen leider immer noch viele „Experten“, durch bloßen Erfahrungsaustausch zu schnell Antworten zu geben, die zu pauschal und damit nicht tragfähig sind.
Die Welt ist aber nicht nur schwarz und weiß. Unser Motto lautet deshalb „analytics meets community“; d.h. nur in Verbindung mit einer validen Datenbasis und deren Analyse (deskriptiv, präskriptiv) kann ein Erfahrungsaustausch und die darauf aufsetzende Optimierung „ins Schwarze treffen“. Alles andere ist Trial and Error.
Grüsse Volker Mayer @STRIMgroup:twitter
Lieber Dr. Volker Mayer
Danke für dieses Feedback und das kleine Lob über CyTRAP BlogRank (anklicken – Resultat). Es hat auch auch ein paar Jahre gedauert, bis das Tool wirklich gut funktioniert hat. Nichtsdestotrotz, das kontinuierliche weiter entwickeln ist Pflicht.
Natürlich liebe ich diese Aussage:
Erfahrungsaustausch ohne Fakten und Daten ist fast immer eine reine Zeitverschwendung (Navel Gazing Exercise). Diese beruht ja fast immer nur auf Meinungen und dem Lesen des Kaffeesatzes.
Das kann es nicht sein. Eine Entscheidungsfindung nach Trial und Error ist aus zwei Gründen gefährlich:
1 – es beinhaltet einige systematische Risiken, und
2 – die nicht-systematischen Risiken sollten ebenfalls nicht vergessen werden.
Unter solchen Bedingungen ist ein effektives Risiko-Management schon fast nicht mehr möglich. Ohne Daten tappen wir alle im Dunkeln.
@STRIMgroup:twitter Ich wünsche ein schönes Wochenende.
Urs @CyTRAP:twitter